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Olympia oder Grand Slam: Analyse und was die Stars zur ewigen Diskussion sagen

Heik Kölsch
Aktualisiert
Novak Djokovic blieb der Traum vom Olympischen Gold bisher verwehrt
Novak Djokovic blieb der Traum vom Olympischen Gold bisher verwehrtProfimedia
"Einen Grand Slam zu gewinnen, ist das Größte im Tennis. Aber eine Olympiade zu gewinnen, ist das Größte im Sport" - das waren einst die Worte von Andre Agassi, achtfacher Grand-Slam-Champion und Gewinner der Olympischen Goldmedaille 1996. Tatsächlich ist in den letzten Jahren eine Diskussion mit verschiedenen Standpunkten entfacht, was denn nun das höhere Prestige hat: Olympia oder Grand Slam? Flashscore geht der Sache auf den Grund und beleuchtet Aussagen einiger der relevantesten Stars des Sports.

Ein Grund für die Debatte ist natürlich auch die ewige Frage nach dem "GOAT", dem größten Tennisspieler aller Zeiten. Denn nach Grand-Slam-Siegen hat aktuell Novak Djokovic, der mit 24 Titeln zwei mehr sammeln konnte als der ewige Rivale Rafael Nadal, die Nase vorn. Dahinter folgt Roger Federer mit 20 Majors.

Djokovic: Das Streben nach Gold und der Komplettierung

Allerdings: Djokovic fehlt dieser eine Titel. Es scheint, als sei er selbst der Meinung, dass seine Sammlung ohne das olympische Gold nicht komplett sei. Und es ist ausgerechnet der Serbe selbst, der die Olympischen Spiele über alles erhebt.

Häufig genug hat er in Interviews angedeutet, dass Olympia für ihn "die größte und wichtigste Veranstaltung in der Geschichte des Sports" sei. Unvergessen auch der wohl bitterste Moment in der Karriere des "Djokers", als er in Rio 2016 nach dem Erstrundenaus gegen Juan Manuel Del Portro unter Tränen in die Katakomben flüchtete.

Nadal: Olympia statt Wimbledon

Allein die Reaktion des langjährigen ATP-Tour-Dominators sollte die Wichtigkeit des Turnieres unterstreichen. Auch der "letzte Wunsch" seines Ex-Coaches Goran Ivanisevic, der seinem ehemaligen Schützling von ganzem Herzen die Erfüllung des großen Traums gönnt, unterstreicht dies. Eine Erfüllung, die nach den Tendenzen der letzten Wochen und Monate höchst realitätsfern scheint.

Das Fazit "Olympia als große Maxime des Tennis" könnte man ebenfalls schließen, wenn man die aktuelle, sportliche Situation um Nadal analysiert. Obwohl sich der Spanier 2008 in Peking bereits die Goldmedaille gesichert hat, verzichtete er im aktuellen Jahr auf Wimbledon, den prestigeträchtigsten der Grand Slams, um ein letztes Mal bei den Spielen dabei zu sein. 

"Ein ganz anderes Gefühl": Graf im "Team Olympia"

Im Team "Pro Olympia" sind weitere prominente Namen vertreten: Carlos Alcaraz, Gewinner der letzten beiden Grand Slams, hatte vor der Saison ausgesagt, dass, wenn er für die Saison 2024 zwischen Olympischer Medaille und Grand Slam wählen müsste, er ersteres bevorzugen würde.

Auch die beiden erfolgreichsten Athletinnen der Open Era im Damentennis, Steffi Graf (22 Grand-Slam-Siege) und Serena Williams (23), messen den gewonnenen Olympischen Goldmedaillen eine höhere Bedeutung als einem Grand-Slam-Triumph bei. 

"Für mich war das etwas Größeres als ein Grand Slam, es war etwas Besonderes. Auf dem Podium zu stehen und die Nationalhymne zu hören, die Medaille um den Hals zu bekommen und die anderen Athleten zu sehen, die einen unterstützt haben. Das ist ein ganz anderes Gefühl, es ist sehr einzigartig und definitiv etwas Besonderes", so Graf. Williams habe die Goldmedaille von allen gewonnen Turnieren "wahrscheinlich am meisten Spaß gemacht."

Zverev: Auf der Suche nach dem Erbe von Tokio

Dennoch: Die Frage nach dem exakten Prestige des Events ist nicht so leicht zu beantworten. Denn da ist da ja auch noch der Fall Zverev. "Ich möchte nicht über den nächsten Grand Slam sprechen, denn ich habe gerade die Olympischen Spiele gewonnen - und es gibt nichts Größeres als die Olympischen Spiele", wurde der Deutsche nach seinem Goldstück in Tokio zitiert.

Nach seinen Reaktionen auf dem Court und in späteren Interviews zu urteilen, hat man seit jeher jedoch ein ganz anderes Gefühl. Nämlich, dass Zverev in seiner Karriere erst vollends glücklich wird, wenn er diesen letzten Schritt Grand-Slam-Sieg gehen kann.

Weitere Größen im Tennis, die Grand Slams, aber Olympia nie gewinnen konnten, haben da einen noch extremeren Standpunkt. Für Rod Laver, elffacher Grand-Slam-Gewinner, ist die Sache klar: "Ich glaube einfach, dass sich Tennis nicht als olympische Sportart eignet", sagte der 85-Jährige einst.

Auch die Fakten kann man nicht ignorieren: Weder für die Teilnahme noch für den Gewinn der Olympischen Spiele werden Punkte für das ATP- und WTA-Ranking vergeben. Für die Weltrangliste und die Setzlisten, die unter anderem die Schwere der Gegner in den großen Turnieren bestimmt, hat das Turnier also keinerlei Signifikanz.

Die Aussagen von Pete Sampras, der seinerzeit 14 Mal über Grand-Slam-Silberware jubeln durfte, gehen damit konform: "Für mich waren die Olympischen Spiele immer Leichtathletik oder Boxen", so der US-Amerikaner, der dennoch gestand: "In den letzten Jahren ist Tennis (bei Olympia) immer prestigeträchtiger geworden. Das letzte Mal (London 2012) fand es in Wimbledon statt. Das hätte ich auch gemacht, wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte."

Federer gewann "nur" Doppel-Gold

Von einem Trend sprach auch Roger Federer, der im Einzelwettbewerb lediglich die Silbermedaille gewinnen konnte: "Zunächst einmal hat die Bedeutung des Tennissports bei den Olympischen Spielen im Laufe der Jahre drastisch zugenommen. Ich bin sehr froh, dass der Sport so viel Aufmerksamkeit erhält und alle Spielerinnen und Spieler tatsächlich kommen und spielen. Denn es geht um den Geist, und das ist es, was wir genießen", so der "Maestro", der in eben jenem Jahr 2012 in Wimbledon im Finale Andy Murray klar mit 2:6 1:6 4:6 unterlag. 2008 gewann der Schweizer immerhin die Goldmedaille im Doppel.

Aufhorchen ließ auch eine kürzlich getätigte Aussage von Stefanos Tsitsipas, der weder bei Olympia noch bei einem Grand Slam ganz oben auf dem Podium stand. Der allerdings seit geraumer Zeit zu den besten seines Fachs zählt. "Ich gehe an das olympische Turnier heran, als wäre es ein Grand Slam", so der Grieche wenige Tage vor dem Start der Olympischen Spiele 2024.

Olympisches Gold: Ein Titel der anderen Sorte

Die verschiedenen Aussagen deuten jedenfalls eines an: eine einzige Meinung gibt es in dieser Angelegenheit nicht. Auch im Internet und auf Social Media wird seit Jahren kräftig diskutiert, ob das Olympische Gold denn nun mehr oder weniger wert ist als ein Grand Slam.

Für die Mehrheit der Spieler scheint Tennis bei Olympia, vor allem in den letzten Jahren, massiv an Bedeutung gewonnen zu haben. Gerade die Personalie Novak Djokovic macht dies deutlich. Ohne das Gold im Einzel, so scheint der 37-Jährige es zu sehen, ist seine Karriere nicht komplett.

Wenn man den Wettbewerb final einordnen müsste, könnte man sich wohl den Worten von Agassi anschließen. Oder denen von Andy Roddick, der es ähnlich verpackte: "Es ist größer als ein Grand-Slam-Sieg, weil jeder weiß, was olympisches Gold ist, aber nicht jeder weiß, was ein Grand Slam ist."

Am Ende des Tages ist und bleibt es wohl Ansichtssache. Dennoch: Die Wichtigkeit von Olympia als größtes Sportevent lässt sich nicht untergraben. Dass es nur einen Sieger alle vier Jahre gibt, macht die Goldmedaille nochmals ein Stück wertvoller und schwerer zu gewinnen. Für die meisten Sportler und Fans haben die Olympischen Spiele das gewisse Etwas, die Magie des wichtigsten Sportevents der Geschichte.

Kann man einen Sieg bei Olympia mit einem Grand Slam vergleichen oder gleichsetzen? Wahrscheinlich nicht. Es ist ein Titel der anderen, der besonderen Sorte. Ein Titel, der für den Rest der Tennissaison wenig Bedeutung hat. Aber gleichzeitig auch ein Titel, der für viele große Spieler in 2024 in der Tat das höchstmögliche Prestige bedeutet, dass man sich im Tennis verdienen kann.

Ein Kommentar von Heik Kölsch
Ein Kommentar von Heik KölschFlashscore