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Genie wider Willen: Halle-Sieger Alexander Bublik wollte nie Tennisspieler werden

Micha Pesseg
Aktualisiert
In seiner aktuellen Form gilt Alexander Bublik als Top-10 Rasen-Spieler
In seiner aktuellen Form gilt Alexander Bublik als Top-10 Rasen-SpielerProfimedia
Wäre der Münzwurf ein Tennis-Spieler, dann wäre es Alexander Bublik. Der Kasache zeigt in beinahe jeder Partie ein anderes Gesicht und spielt nach Lust und Laune. Nicht selten sieht man ihn dadurch ungewöhnliche Dinge machen, seine Utensilien zerstören oder mit dem Schiedsrichter streiten. Wo der 26-Jährige hinkommt, wird es definitiv spannend. Zuletzt konnte er durch einen Sieg gegen Andrey Rublev das Finale vom ATP Turnier in Halle gewinnen – und brachte sich pünktlich vor Wimbledon ins Gespräch.

Alexander Zverev traf den Nagel nach einer klaren Niederlage im Halbfinale von Halle auf den Kopf. “Es ist ein bisschen wie ein Münzwurf bei ihm, mit welchem Fuß er aufsteht. Der kann morgen aufstehen und über 30 Asse servieren. Aber er kann genauso 20 Doppelfehler servieren", versuchte der Hamburger die unberechenbare Spielweise von Alexander Bublik zu beschreiben. 

Zweifelsohne ist der Kasache einer der ungewöhnlichsten Profis auf der ATP-Tour. Mit seinen Extravaganzen und markigen Sprüchen bewegt sich sein Image irgendwo zwischen Zlatan Ibrahimvoic und Nick Kyrgios. 

Gegen Alexander Zverev in Halle hatte Bublik einen Sahne-Tag und gewann glatt
Gegen Alexander Zverev in Halle hatte Bublik einen Sahne-Tag und gewann glattAFP

Im Finale des ATP-250-Turniers in Metz 2022 sorgte er für Schlagzeilen, als er den Return mit dem Griff seines Schlägers spielte. Eine Lässigkeit, die sich rächen sollte: Lorenzo Sonego sicherte kurz darauf ein wichtiges Break und gewann das Endspiel schließlich 7:6, 6:2. 

Im Februar dieses Jahres erlitt er beim Turnier in Montpellier einen Wutanfall. Im entscheidenden Tiebreak gegen Lokalmatador Gregoire Barrere war er in Rückstand geraten: und zertrümmerte daraufhin – unter den Buhrufen des Publikums – drei verschiedene Rackets.

Die Ursache des lustlosen Verhaltens

Was viele Medien als Reaktion auf eine Niederlagenserie deuteten, könnte seinen Ursprung auch in einem tiefsitzenden Verdruss haben. Denn Tennisprofi wollte Bublik eigentlich nie werden.

"Ich hatte nie die Chance, kein Tennisspieler zu sein. Letztendlich ist Tennis mein Job und ich weiß, dass ich ihn bestens erledigen muss”, erzählte der 26-Jährige vergangenen Herbst.

Zverev verzweifelt nach Alexander Bubliks Gala-Vorstellung
Zverev verzweifelt nach Alexander Bubliks Gala-VorstellungAFP

Er präzisierte: “Mein Vater sagte, ich müsse spielen, und meine Mutter unterstützte ihn. Also spielte ich. Ich war erst zwei Jahre alt. Die Frage, ob ich Tennisspieler werden wollte oder nicht, stellte sich nicht. Deshalb will ich auch nicht, dass mein Sohn Tennis spielt.” 

Bublik wurde im vergangenen Herbst erstmals selbst Vater. Sein alter Herr Stanislaw war selbst lange auf der Tour unterwegs und erreichte gar Platz 19 in der Weltrangliste. Bubliks bestes Ranking bislang führte ihn “nur” auf Platz 30. Dieses wird er durch den Triumph in Halle nun übertreffen.

Rekorde sind aber ohnehin nicht Bubliks großes Ziel. Seine Vorsätze sind ausschließlich materialistischer Natur, wie er 2020 der französischen Zeitung L’Èquipe erklärte: "Wenn es fürs Spielen kein Geld gäbe, würde ich sofort mit dem Tennis aufhören. Ich habe nicht genug Geld verdient, sonst hätte ich mich schon längst zurückgezogen.”

Alexander Bublik nach dem Finale von Halle im Interview
Flashscore
Highlights Rublev vs. Bublik
Flashscore

Starker Aufschlag als Grundlage für den Sieg

Dass er für den Turniersieg in Westfalen ein Preisgeld von 410.515 Euro kassiert, sollte den Weg zum baldigen Karriereende erleichtern. Es wäre ihm zu vergönnen – wenngleich der Tennisszene einer ihrer talentiertesten Spieler abhanden kommen würde.

Schokoladenseite in Halle

Obwohl Alexander Bublik größere Freude daran hat, die vehement auf ihre Konventionen pochende Tenniswelt zu beunruhigen, als auf dem Trainingsplatz zu stehen: Immer wieder durchlebt er Phasen des Erfolgs, in denen er sein riesiges Potenzial auf den Court bringt.

Dann sorgt sein kraftvoller Aufschlag für Verzweiflung bei den Gegnern und auch Weltklasse-Spieler lassen sich von seiner unorthodoxen Spielweise aus dem Konzept bringen. Wie zuletzt Andrey Rublev. 

In Halle/Westfalen präsentiert sich Bublik bislang höchst professionell. Jan-Lennard Struff bekam das im Viertelfinale zu spüren, Alexander Zverev im Halbfinale. Schon einmal wurde Deutschlands Tennisstar Opfer einer fokussierten Leistung des gebürtigen Russen. Als er auf der ATP-Tour erstmals ein Turnier gewann, 2022 in Montpellier, war Zverev sein Gegner im Endspiel.

Dass der 26-Jährige seine große Gabe immer regelmäßiger abrufen kann, ist auch Artem Suprunov zu verdanken. Seit Saisonbeginn ist der Russe Bubliks Cheftrainer. Und Suprunov scheint den richtigen Zugang zum Enfant terrible gefunden zu haben.

Im ATP-Liveranking hat er sich bereits auf Platz 29 raufkatapultiert. In Hinblick auf Wimbledon gilt Bublik plötzlich als echter Geheimtipp.

Zum Match-Center: Rublev vs. Bublik