Zverev entreißt Sandplatzkönig Nadal das Zepter - Ende einer Ära?
Alexander Zverev winkte nach seinem spektakulären Auftaktsieg fast entschuldigend ins Publikum und überließ dann dem entthronten Sandplatzkönig Rafael Nadal die große Bühne: Der Olympiasieger hat in einem außergewöhnlichen Erstrundenmatch mit großer Wahrscheinlichkeit die unvergleichliche Ära des der 14-maligen Turniersiegers in Paris beendet. Nadal wurde mit Standing Ovations gefeiert und sprach hochemotionale Worte.
"Vielen Dank Rafa, von der ganzen Tenniswelt", sagte Zverev nach dem 6:3, 7:6 (7:5), 6:3-Erfolg: "Ich habe ihn in meiner Kindheit im Fernsehen gesehen und hatte das große Glück, gegen ihn spielen zu dürfen. Heute ist es nicht mein Moment, es ist Rafas Moment." Anschließend übernahm der 37 Jahre alte Spanier das Mikrofon und war sichtbar bewegt.
Abschied noch keine beschlossene Sache
"Es ist schwierig für mich, zu reden. Wenn es das letzte Mal war, hab ich es genossen", sagte Nadal: "Es ist so besonders, die Liebe der Menschen an dem Ort zu spüren, der mir selbst am meisten bedeutet."
Seinen definitiven Abschied von Roland Garros wollte er noch nicht verkünden, aber vieles deutet darauf hin: "Vielleicht sage ich in zwei Monaten, dass es das war. Ich hoffe, dass ich bei Olympia auf den Platz hier zurückkehre."
Nadal, der über mehr als ein Jahrzehnt an der Seine dominierte und nach seinem schleppenden Comeback in diesem Jahr sein Lieblingsturnier als klaren Höhepunkt benannt hatte, kassierte erst seine vierte Niederlage auf dem Sand von Paris bei 112 Siegen.
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Guter Tag für deutsche Tennis-Profis
Während sich der Spanier unter dem großen Jubel seiner vielen Fans verabschiedete, wächst Zverevs Brust nach dem prestigereichen Erfolg und dem Triumph beim Masters in Rom weiter an.
Der Weltranglistenvierte, der in den vergangenen drei Jahren jeweils das Halbfinale in Paris erreichte, trifft in der zweiten Runde auf David Goffin oder Giovanni Mpetshi Perricard und wird dann wieder klarer Favorit sein.
Am Montag sorgte Qualifikant Henri Squire mit einem 6:2, 6:2, 3:6, 4:6, 7:6 (12:10)-Erfolg gegen den Australier Max Purcell für einen weiteren Hingucker. Am Dienstag steigen die frühere Weltranglistenerste Angelique Kerber und die deutsche Nummer zwei Jan-Lennard Struff ins Turnier ein.
Nadal gegen Zverev - es war das Duell, dass die Tennisfans in aller Welt nach der aufsehenerregenden Auslosung vom Donnerstag elektrisierte. Für den Auftakt seines wahrscheinlichen Abschiedsbesuchs in seinem "Wohnzimmer" Court Philippe Chatrier hatte sich der ungesetzte Spanier eine leichtere Aufgabe gewünscht als den formstarken Hamburger, der sich 2022 im Halbfinalduell beider Spieler so schwer verletzt hatte.
Prominente Zuschauer an einem "magischen Ort"
Die Atmosphäre, die Spannung fühlten sich eher nach einem Finale an als nach einem Erstrundenduell. Die versammelte Tennisprominenz um Novak Djokovic, Carlos Alcaraz und Iga Swiatek zog es in die Arena.
"Dieser Ort ist magisch für mich", hatte Nadal vor seinem 19. Start bei seinem Lieblingsturnier gesagt und für Zverev bedrohliche Sätze hinzugefügt: "Ich habe eine gute Trainingswoche hinter mir." Entsprechend rechnete der einstige Weltranglistenzweite aus Deutschland mit einem Kontrahenten in Topverfassung. "Er wird hier auf den Platz kommen und zum alten Rafael Nadal werden", sagte Zverev bei Eurosport.
Doch der Aufschlaghüne schaffte zu Beginn etwas, was nur wenige Spieler bisher in Paris schafften: Er dominierte den 22-maligen Grand-Slam-Champion mit effizientem Service und druckvollem Grundlinienspiel. Zverev schaffte ein frühes Break, geriet nur selten in Nadals berühmte Vorhand-Mühle und machte nach 50 Minuten den ersten Satz zu.
Im zweiten Durchgang fand Nadal dann immer mehr seinen Rhythmus und nahm Zverev erstmals das Service ab. Der Arm des 37-Jährigen wurde immer lockerer und das Publikum reagierte entzückt. Doch sein deutscher Kontrahent blieb mental beeindruckend bei sich und kam zurück. Das galt auch für den dritten Satz, in dem Nadal ebenfalls vorne lag. Aber der Ausnahmespieler, der Paris so lange so sehr dominiert hat, musste seine Unterlegenheit letztlich anerkennen.