Strohfeuer oder Sommermärchen - Ungarn der Wegweiser für die DFB-Elf
Deutschland träumt von der nächsten Gala, doch Julian Nagelsmann ist plötzlich ins Grübeln geraten. Droht der jähe Absturz? Der Angstgegner Ungarn jedenfalls, sagt der Bundestrainer, ist "unangenehm, schwer vorzubereiten" und irgendwie "schwer zu packen".
Damit seine Zauberfüße nicht ihr blaues Wunder erleben, redet er ihnen ins Gewissen - wie bei der auffällig langen Ansprache beim Abschlusstraining am Dienstag. "Das ist ein sehr eingespielter Haufen, der es sehr gut und geschlossen macht", warnte Nagelsmann vor dem kommenden Gegner. Er betont: "Ich habe einige Spieler aus Ungarn trainiert, ich weiß, was die können!"
Auch Kroos tritt als Mahner auf
Die deutschen Stars verlassen sich aber nicht ausschließlich auf Nagelsmanns Eindrücke. Die ungarische 1:3-Niederlage gegen die Schweiz wurde zusammen vor dem TV mitverfolgt, man wollte sich selbst ein Bild machen.
Toni Kroos möchte "gar nicht auf die Euphoriebremse treten", denn nach einer positiven Stimmung habe sich "Fußball-Deutschland so lange gesehnt", aber laut dem DFB-Spielmacher habe man "ein deutlich schwereres Spiel vor unserer Brust" als beim mitreißenden 5:1 zum Auftakt gegen Schottland.
Nach dem Auftaktsieg hat Nagelsmann seinen Spielern auch einen gewissen Genuss erlaubt. Sie aßen Eis beim Familienbesuch, radelten durch die fränkischen Blumenfelder, kickten am Pool, feierten eine Party beim Partner adidas, spielten Poker oder pflegten kleinere Wehwehchen wie Kroos seine Nackenbeschwerden. Es herrsche "ein cooles Miteinander, ein gutes Gefühl", sagte Kroos und betonte: "Jetzt müssen wir nur noch weit kommen."
Ein Sieg über Ungarn am Mittwoch (18 Uhr/LIVE in der Flashscore Audioreportage) in Stuttgart - und das Achtelfinalticket könnte schon vor dem abschließenden Duell mit der Schweiz gebucht sein.
Zum Match-Center: Deutschland vs. Ungarn
Szoboszlai hat genug vom "Kinderfußball"
Nagelsmann bremst jedoch die Erwartungen. Bei Ungarn seien "viele Freigeister unterwegs." Besonders angetan hat es ihm der frühere Leipziger Dominik Szoboszlai. Er sei nahezu "überall" unterwegs: "Mal Innenverteidiger, mal Zehner, mal Spitze. Er ist sehr schwer zu greifen, der Schlüsselspieler."
Der perfekte Fall für "Zerstörer" Robert Andrich? Grundsätzlich ja, allerdings geht der Leverkusener mit der Hypothek einer Gelben Karte ins Spiel.
Feststeht: Ungarn will für Gastgeber Deutschland zum Schreckgespenst werden. Doch das Team steht unter gehörigem Druck. Bei einer Niederlage könnten alle Träume vom Achtelfinale schon beendet sein.
Die Niederlage gegen die Schweiz hat ihre Spuren hinterlassen. Szoboszlai bezeichnete die ungarische Spielweise als "Kinderfußball." Der Liverpool-Profi schäumte vor Wut. "Wir wollen wirklich weiterkommen, aber dafür müssen wir arbeiten. Wir müssen mit uns selbst klarkommen, was wir von diesem Turnier wollen, was wir erreichen wollen", sagte der ungarische Kapitän.
Torhüter Peter Gulacsi bemühte sich unterdessen darum, Optimismus zu versprühen. Zwar sei das DFB-Team für den 34-Jährigen ein "absoluter Titelfavorit" - doch auch Ungarn müsse sich nicht verstecken. "Dicht stehen, solide verteidigen, mit Leidenschaft kämpfen, schnell umschalten. Wir glauben an unsere Stärke", sagte Gulacsi: "Underdogs sind wir keine. Favoriten aber auch nicht".
Teamnews: Nagelsmann setzte auf seine gewohnte Startelf
Julian Nagelsmann kann im zweiten EM-Gruppenspiel gegen Ungarn voraussichtlich aus dem Vollen schöpfen. Beim Abschlusstraining für die Begegnung am Mittwoch begrüßte der Bundestrainer im Teamquartier in Herzogenaurach alle 26 Spieler seines Turnierkaders.
Nagelsmann sprach zu Beginn der Einheit im Spielerkreis auffällig lange mit seinen Stars. Der Bundestrainer hatte vor dem Gegner auch öffentlich gewarnt. "Das ist ein sehr eingespielter Haufen, der es sehr gut und geschlossen macht", sagte er. Wechsel in der Startelf sind keine geplant. Als Joker stehen unter anderem Niclas Füllkrug, Leroy Sane und Pascal Groß bereit.
Ungarn muss unterdessen zwei kurzfristige Ausfälle beklagen. Loic Nego und Botond Balogh konnten nicht am Abschlusstraining teilnehmen, das Duo steht in Stuttgart nicht zur Verfügung. Für Nationaltrainer Marco Rossi ist das aber kein großes Problem, beide Spieler wären ohnehin kein Thema für die Startelf gewesen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Rossi nach dem schwachen Auftritt gegen die Schweiz zu taktischen Änderungen veranlasst sieht. Adam Lang und Adam Nagy könnten ihren Stammplatz vorerst verloren haben.
Voraussichtliche Aufstellungen
Deutschland: Neuer/Bayern München (38 Jahre/120 Länderspiele) - Kimmich/Bayern München (29/87), Tah/Bayer Leverkusen (28/26), Rüdiger/Real Madrid (31/70), Mittelstädt/VfB Stuttgart (27/5) - Andrich/Bayer Leverkusen (29/6), Kroos/Real Madrid (34/110) - Musiala/Bayern München (21/30), Gündogan/FC Barcelona (33/78), Wirtz/Bayer Leverkusen (21/19) - Havertz/FC Arsenal (25/47). - Trainer: Nagelsmann
Ungarn: Gulacsi/RB Leipzig (34/55) - Bolla/Servette Genf (24/17), Orban/RB Leipzig (31/46), Szalai/SC Freiburg (26/45) - Fiola/Fehervar FC (34/58), Kleinheisler/Hajduk Split (30/51) - Schäfer/Union Berlin (25/26), Kerkez/Bournemouth (20/17) - Sallai/SC Freiburg (27/50), Szoboszlai/Liverpool (23/43) - Varga/Ferencvaros (29/12) - Trainer: Rossi
Schiedsrichter: Danny Makkelie (Niederlande)
Flashscore-Prognose: Leichtes Stottern im Getriebe
Das zweite Spiel bei einem großen Turnier kann oft die größte Herausforderung sein. Nach dem 5:1-Sieg gegen Schottland ist die Euphorie riesengroß - berechtigterweise. Auch gegen Ungarn sollte die DFB-Elf die Nase vorn haben.
Allerdings wird die ungarische Mannschaft ihre Lehren aus der Niederlage gegen die Schweiz gezogen haben. Mit einer kompakten Defensive könnte man die Elf von Bundestrainer Nagelsmann vor einige Probleme stellen. - Unser Tipp: Ein hart erkämpftes 2:1 für Deutschland.