Tour im Sinn, Pogacar im Kopf: Rekonvaleszent Roglic kommt aus der Deckung
Das TV-Studium zeigte Roglic eindrücklich, wie derzeit das Maß aller Dinge aussieht. Er selbst muss nun ab Sonntag beim Criterium du Dauphine, wo er knapp zwei Monate nach seinem Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt sein Comeback feiert, einen Leistungsnachweis erbringen. Vier Wochen vor der Tour (ab 29. Juni) könnte dies Aufschluss darüber geben, ob der doppelte Traum vom ersten Toursieg - der von Roglic, der von Bora - ein halbwegs realistischer ist.
"Es sieht sehr gut aus", sagte Roglics Sportdirektor Rolf Aldag während des Giro: "Natürlich hat er Zeit verloren, aber jetzt produziert er im Training wirklich gute Werte. Ich denke, es geht ihm gut." Wie Roglic darüber denkt, lässt sich nur vermuten - er hält sich seit dem Crash am 4. April einigermaßen bedeckt.
Der Massensturz im Baskenland hatte die Saisonplanung der Top-Rundfahrer über den Haufen geworfen. Anders als der Belgier Remco Evenepoel und Tour-Titelverteidiger Jonas Vingegaard kam Roglic an jenem April-Nachmittag zwar ohne Knochenbrüche davon, sein geschundener Körper benötigte jedoch eine wochenlange Pause.
Ausgedünnte Generalprobe
Bei der Dauphine sollten Evenepoel (24), Vingegaard (27) und Roglic (34) eigentlich zum großen Favoriten-Check aufeinandertreffen - nur Pogacar (25) hatte mit dem Giro/Tour-Doppelpack einen anderen Ansatz gewählt. Nun wird Vingegaard, den es am schlimmsten erwischt hatte, erst bei der Großen Schleife wieder erscheinen. Bleibt ab Sonntag der durchaus interessante Vergleich zwischen dem dreimaligen Vuelta-Sieger Roglic und Tour-Debütant Evenepoel.
Der belgische Hoffnungsträger zeigte sich im Höhentrainingslager zuletzt betont bestgelaunt, er sei dort "higher than Snoop Dogg" unterwegs gewesen, scherzte er mit Verweis auf den notorisch verrauchten US-Rapper. Für Roglic hat sich indes nichts an der ursprünglichen Zielsetzung geändert: "Alles dreht sich darum, bei der Tour in Bestform zu sein." Und da ist die Dauphine eine entscheidende Zwischenstation.
Das anspruchsvolle Acht-Etappen-Rennen mit fünf Bergankünften und einem Zeitfahren ist traditionell die Tour-Generalprobe. In den vergangenen zwölf Jahren gewann der Dauphine-Sieger sechsmal auch die folgende Tour de France: Bradley Wiggins (2012), gleich dreimal Chris Froome (2013, 2015, 2016), Geraint Thomas (2018) und zuletzt im vergangenen Jahr Vingegaard.
Roglic holte sich die Dauphine 2022 vor dem Dänen, doch bei der Tour crashte der Slowene und gab später auf, Vingegaard triumphierte. Und deshalb predigt Roglics Teamchef Ralph Denk: "Primoz soll und darf nicht stürzen." Das gilt für die Tour - und natürlich schon jetzt für die Dauphine. Das Baskenland lässt schön grüßen.