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Tour-Frühcheck: Vingegaard & Pogacar bereits außerirdisch – Bauhaus und Kämna glänzen

Flashscore/SID
Tadej Pogacar hat in Italien zuletzt die Muskeln spielen lassen.
Tadej Pogacar hat in Italien zuletzt die Muskeln spielen lassen.AFP
Die Tour de France beginnt 2024 wie meist in Olympia-Jahren früh - am 29. Juni fällt in Florenz der Startschuss zum größten Radsport-Spektakel der Welt. Die Favoriten haben mittlerweile ihren Saisoneinstieg hinter sich und wir haben einen genauen Blick auf ihre Form sowie mögliche Herausforderer geworfen.

Jonas Vingegaard (27/Dänemark/Team Visma-Lease a Bike)

Nachdem das Gelächter über Vingegaards grotesken neuen Zeitfahrhelm abgeklungen war, gab es für die Konkurrenz bei der Fernfahrt Tirreno-Adriatico nur noch wenig Grund zur Heiterkeit. Zwei Tagesabschnitte reichten dem Tour-Sieger von 2022 und 2023, um seine Ansprüche auf das Triple zu untermauern: Die erste Bergetappe gewann Vingegaard mit 1:12 Minuten Vorsprung, die nächste mit 26 Sekunden, dazu wurde er Gesamtsieger - der bleiche Radsport-König war schon wieder beängstigend gut.

Schon jetzt hat für Vingegaard die Vorbereitung auf die Tour begonnen, nur noch zweimal unterbricht er das Training für Renneinsätze. Man muss lange suchen, um Argumente zu finden, warum Vingegaard nicht der Topfavorit bei der Frankreich-Rundfahrt sein sollte. Man findet höchstens dies: Lediglich zwei Profis gewannen jemals Tirreno und Tour in einem Jahr - Cadel Evans 2011 und Tadej Pogacar 2021.

Vor-Tour-Programm: Baskenland-Rundfahrt (ab 1.4.), Dauphine (ab 2.6.)

Tadej Pogacar (25/Slowenien/UAE Team Emirates)

Es gibt zum Glück nur noch wenige Leistungen im Radsport die sprachlos machen. Jene Tadej Pogacars bei Strade Bianche gehört dazu. Mit 2:44 Minuten Vorsprung gewann er das Schotter-Kräftemesse in Italien, der klarste Sieg bei einem WorldTour-Rennen der vergangenen 15 Jahre. Pogacar, der die harten Eintagesrennen liebt, mag der vielseitigere Radfahrer im Vergleich mit Vingegaard sein. Dies wird aber für den Tour-Sieger von 2020 und 2021 im Gigantenduell mit dem Dänen bei der Großen Schleife, wo es vor allem auf die Berghärte ankommen wird, weniger helfen.

Im Gegensatz zu Vingegaard genehmigt sich Pogacar bis Tour-Beginn einen strammen Mix aus Monumenten und Rundfahrten. Das ist nicht unriskant: Im Vorjahr stürzte er bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, kam nur mit Mühe in Tour-Form - es fehlten aber die entscheidenden Prozente gegenüber Vingegaard. Ein Schlüsselfaktor wird die Doppelbelastung Giro/Tour - nicht ohne Grund hat seit Miguel Indurain 1993 kein Rennfahrer beide Rennen im gleichen Jahr gewonnen.

Vor-Tour-Programm: Mailand-Sanremo (17.3.), Katalonien-Rundfahrt (ab 18.3.), Lüttich-Bastogne-Lüttich (21.4.), Giro d'Italia (ab 4.5.)

Primoz Roglic (34/Slowenien/Bora-hansgrohe)

Mit einiger Milde lässt sich das Debüt der schwerteuren Starverpflichtung des deutschen Teams Bora-hansgrohe als halbwegs solide bezeichnen. Bei Paris-Nizza wurde Roglic Gesamtzehnter, auf den Bergetappen fehlte einiges zu den Allerbesten - Tagessieger für Bora war Alexander Vlasov.

Schon jetzt scheint klar: Den Traum vom Tour-Sieg kann Roglic sich und seinem Team nur dann erfüllen, wenn Vingegaard und Pogacars großes Ungemach widerfährt. Das Podium erscheint als Optimum. Und auch wenn der Ex-Skispringer ein Spätstarter ist, läuft die Zeit gegen ihn: Nur ein Tour-Sieger war jemals älter als es Roglic wäre - der Belgier Firmin Labot (36) im Jahr 1922.

Vor-Tour-Programm: Baskenland-Rundfahrt (ab 1.4.), Dauphine (ab 2.6.)

Remco Evenepoel (24/Belgien/Soudal-Quick Step)

Selten wurde ein Tour-Debüt mit solcher Spannung erwartet wie jenes des belgischen Ausnahmefahrers. Und der Vuelta-Sieger von 2022, den wohl nur eine Corona-Infektion den Giro-Sieg 2023 kostete, schürte die Erwartungen noch: Platz zwei bei Paris-Nizza, Gewinn des Bergtrikots, Gewinn des Punktetrikots.

Kann Evenepoel im Tour-Vergleich mit Vingegaard und Pogacar bestehen? Dazu sind es diesmal wohl zu harte Berge und zu wenige Zeitfahr-Kilometer. Ein klarer Podestkandidat ist der Zeitfahr-Weltmeister dennoch.

Vor-Tour-Programm: Baskenland-Rundfahrt (ab 1.4.), Amstel Gold Race (14.4.), Fleche Wallonne (17.4), Lüttich-Bastogne-Lüttich (21.4.), Dauphine (ab 2.6.)

Egan Bernal (27/Kolumbien/Ineos Grenadiers)

Vielleicht die schönste Erkenntnis der ersten Saisonwochen: Der Tour-Sieger von 2019 ist zwei Jahre nach seinem fürchterlichen Trainingsunfall wieder konkurrenzfähig, fuhr bei Paris-Nizza auf Roglic-Niveau. Noch ist nicht klar, ob Bernal die Tour bestreitet oder sich bei der Vuelta (ab 24. August) weiter alter Form nähern will.

Bernal muss nichts überstürzen, ist mit 27 Jahren immer noch jung. In der Verfassung seines Tour-Erfolgs könnte er, dem einst die Rolle des unumschränkten Rundfahr-Herrschers auf Jahre zugetraut wurde, ab 2025 wieder ein Kontrahent auf Augenhöhe für Vingegaard und Pogacar werden.

Vor-Tour-Programm: Katalonien-Rundfahrt (ab 18.3.), Baskenland-Rundfahrt (ab 1.4.), Tour de Romandie (ab 23.4.)

Wer machte sonst auf sich aufmerksam?

Vor allem die (potenziellen) Helfer der Tour-Favoriten: Matteo Jorgenson (Vingegaard) gewann Paris-Nizza, das spanische Supertalent Juan Ayuso wurde Zweiter bei Tirreno-Adriatico, der US-Amerikaner Brandon McNulty (beide Pogacar) Dritter bei Paris-Nizza. Insgesamt macht Pogacars UAE Team Emirates derzeit den stärkeren Eindruck.

Und die Deutschen?

Sind recht vielversprechend in die Saison gestartet. Sprinter Phil Bauhaus (Bahrain-Victorious) gewann eine Etappe bei Tirreno-Adriatico, Lennard Kämna (Bora-hansgrohe) wurde Gesamtachter bei Paris-Nizza. Nils Politt (UAE Team Emirates), der bei der Tour Pogacar unterstützen soll, leistete bei Paris-Nizza gute Helferdienste. Die Bora-Promis Emanuel Buchmann (fuhr zuletzt im Februar) und Maximilian Schachmann (nach zwei Seuchenjahren auf Formsuche) sind kaum einzuschätzen.