Alberto Contador EXKLUSIV: "Ein Sportler wird mit seinem letzten Auftritt verbunden"
F: Alberto, wie sieht Ihr Leben aus und was machen Sie jetzt?
A: Ich bin immer noch im Radsport tätig, da er meine absolute Leidenschaft ist. Ich führe eine Stiftung mit zwei unterschiedlichen Zweigen: einer widmet sich der Vorbeugung von Schlaganfällen. 2004 hatte ich einen solchen erlitten. Der zweite Aspekt ist natürlich der Radsport, in dem wir mit allen Altersgruppen arbeiten. Von Kindern über Schulen bis hin zu einem Profiteam, dem Eolo Kometa, das an der letzten Ausgabe des Giro d'Italia teilgenommen und eine Etappe gewonnen hat. Wir haben zudem eine U23-Mannschaft und eine Jugendmannschaft. Darüber hinaus widmen wir dem Programm "Bikes for life" besondere Aufmerksamkeit. Dabei werden Fahrräder, die nicht mehr benutzt werden, repariert und an Personen weitergegeben, die sie brauchen oder sich dafür interessieren.
Es hört nicht auf...
Zum Glück nicht. Es gibt ein weiteres großes Projekt, auf das ich sehr gespannt bin. Ich habe eine Fahrradmarke namens Aurum gegründet. Wir haben sie von Grund auf mit Ivan Basso und mir zusammen aufgebaut. Das ist eine Herausforderung und eine große Motivation für mich. Wir beide legen unsere ganze Erfahrung in die Hände der Designer und Ingenieure, um ein Qualitätsprodukt zu schaffen.
Sie arbeiten zudem als TV-Kommentator.
Ja. Ich kommentiere die großen Rundfahrten für Eurosport. Darüber hinaus habe ich Konferenzen, Veranstaltungen und Sponsorenverpflichtungen. Ich reise noch mehr als zu meiner Zeit als aktiver Fahrer.
Wir befinden uns kurz vor der Vuelta 2023. Was ist Ihre beste Erinnerung an das wichtigste Radrennen Ihres Landes?
Zweifellos der Anstieg und der Sieg auf dem Angliru im Jahr 2017. Diesen mythischen Pass hatte ich zwar bereits 2008 erklommen und gewonnen, aber das zweite Mal war es anders. Es war kurz vor meinem Rücktritt die letzte Chance, auf einem solch legendären Gipfel zu gewinnen. In meinem Land und am Tag vor der letzten Ankunft in Madrid. Dieser Sieg ist zusammen mit der Tour Down Under in Australien, als ich nach meinem Schlaganfall zurückkam, einer der größten Momente meines Lebens. Noch heute hilft er mir, mich entspannt und gelassen zu fühlen. Denn ein Sportler wird stets mit seinem letzten Auftritt verbunden. Und dieser Anstieg, der für mich auf unschlagbare Art und Weise endete, war etwas Gigantisches für mich. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.
P. Können wir Sie nach Definitionen von vier aktuellen Radsportphänomenen bitten? Beginnend mit Tadej Pogacar, mit welchem Fahrer würden Sie ihn vergleichen?
Er ist reine Qualität. Ich würde ihn mit Eddy Merckx vergleichen, auch wenn das für manche vielleicht ein bisschen unverschämt klingen mag.
Er ist auch ein Fahrer der Spitzenklasse. Er bereitet sich sehr akribisch auf seine Rennen vor. Er hat die letzten beiden Touren gewonnen, das ist kein Zufall. Er bereitet die Rennen mit Sorgfalt und Hingabe vor. Er ist höchst professionell.
Er ist ein Talent. Er bricht Rekorde in Rekordgschwindigkeit: Weltmeister auf der Straße, im Zeitfahren, Sieger der Vuelta, bei mehreren Klassikern. Er hat bereits ein hohes Level und wir wissen nicht, wo seine Grenze liegt.
Was können Sie uns über Primoz Roglic erzählen?
Er ist erst spät zu den Profis gestoßen, aber er ist enorm stark. Er kann die dreiwöchigen Rennen gut fahren, er ist phänomenal gegen die Uhr und hat ein gutes Tempo.
P. Ist Pogacar der Radrennfahrer, der Alberto Contador am ähnlichsten ist, was seine Fahrweise, seine Attacken und seine Show angeht?
Was den "Wahn" nach Siegen und dergleichen angeht, vielleicht ja. Aber was die Besessenheit von der Tour de France angeht, ist Vingegaard mir vielleicht ein bisschen ähnlicher. Wie auch immer, ich möchte nicht zu viel vergleichen. Sie sind beide für sich genommen großartig.
Wer ist Ihr Favorit bei der Vuelta?
Ich möchte mich nicht auf einen Fahrer festlegen, sondern eher auf ein Team. Jumbo ist das Team, das es zu schlagen gilt. Evenepoel ist zudem einer der Kandidaten und wir werden sehen, wie Ayuso oder Mas sich schlagen. Aber ich denke, dass am ende alles über Jumbo laufen wird. Nicht nur wegen Roglic oder Vingegaard, sondern wegen der kompakten Gruppe, die sie haben. Sie zu schlagen, wird die große Herausforderung für die übrigen Teilnehmer sein.
Wer ist der beste Fahrer, den Sie je auf einem Fahrrad gesehen haben?
Von dem, was ich als Fahrer und Kommentator gesehen habe, würde ich sagen: Pogacar. Seine Qualität ist einzigartig. Er ist der einzige Fahrer, der in der Lage ist, jedes Rennen des Jahres zu gewinnen, einschließlich Paris-Roubaix.
Vielen Dank für Ihre Zeit. Es war mir ein Vergnügen.
Das Vergnügen war ganz meins.