Abschlusszeugnis für deutsche Tour-Fahrer: Bemüht – aber glücklos
Die sieben deutschen Profis haben der 110. der Tour de France zumindest vereinzelt für Höhepunkte gesorgt, die Zukunftssorgen im deutschen Radsport aber nicht zerstreuen können.
"Bei jeder Option, die die Jungs sehen, kämpfen sie und versuchen alles. Man kann ihnen keinen Vorwurf machen" sagte Rolf Aldag dem SID. Der Sportliche Leiter des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe bezog sich damit zwar nur auf die Fahrer seines eigenes Teams, brachte damit aber auch die Tour aller deutschen Fahrer gut auf den Punkt. Der SID zieht Bilanz:
Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe):
Der Tour-Vierte von 2019 überzeugte vor allem in der ersten Tour-Woche, als er sich immer wieder in der Spitze präsentierte und Bora-Kapitän Jai Hindley ein starker Helfer in den Bergen war. Seine eigenen Ambitionen ordnete der deutsche Meister dem Teamerfolg unter, was nicht zum erwünschten Erfolg führte. Nach einem Sturz brach Hindley ein und verpasste den angestrebten und zuvor durchaus realistisch erscheinenden Podestplatz deutlich. Buchmann selbst wurde am Ende 21. im Gesamtklassement, und damit bester Deutscher.
Phil Bauhaus (Bahrain Victorious):
Die große deutsche Entdeckung der Tour ist in den vergangenen Wochen eindrucksvoll in die Weltspitze der schnellen Männer gesprintet. Bauhaus, der in den Massenspurts zu Beginn der Rundfahrt immer wieder perfekt positioniert war, krallte sich drei Top-3-Platzierungen. Der Lebenstraum vom ersten Etappensieg bleibt vorerst unerfüllt - und auch die Triumphfahrt nach Paris war Bauhaus bei seiner Premierentour nicht vergönnt. Auf der 17. Etappe stieg er entkräftet vom Rad.
Simon Geschke (Cofidis):
Der beliebte Routinier mit dem markanten Bart schaffte es wie Bauhaus ebenfalls nicht bis nach Paris - zum ersten Mal bei seiner elften Tourteilnahme. Nach hartem Kampf konnte der völlig entkräftete Geschke das Aus auf der 17. Etappe noch gerade so abwenden, einen Tag später aber war Schluss. Magenprobleme machten ihm zu schaffen. Ein trauriger Abschied bei seiner vielleicht letzten Tour, bei der der 37-Jährige auch zuvor nicht an seinen spektakulären Kampf ums Bergtrikot im Vorjahr hatte anknüpfen können.
Georg Zimmermann (Intermarche-Circus-Wanty):
Der kletterstarke Allrounder war einer der deutschen Lichtblicke und schrammte wie Bauhaus knapp an einem Etappensieg vorbei. Auf dem zehnten Teilstück beeindruckte Zimmermann als Teil einer Ausreißergruppe und musste sich im Endspurt nur dem Spanier Pello Bilbao geschlagen geben. Das Ziel Etappensieg zu erreichen, ist durchaus realistisch. Zimmermann bringt alles mit, was einen schlagkräftigen Etappenjäger ausmacht.
Nils Politt (Bora-hansgrohe):
Der deutsche Zeitfahrmeister wurde auf der 19. Etappe zum großen Pechvogel. In einer Ausreißergruppe bestens positioniert und offensichtlich mit richtig guten Beinen gesegnet riss Politt erst die Kette und dann der Geduldsfaden. Verständlicherweise, denn der Mechaniker des neutralen Materialwagens erwischte bei drei Versuchen kein passendes Rad für den Hünen. Politt, der sich zuvor wie Buchmann voll in den Dienst von Kapitän Hindley gestellt hatte, verlor bei einer seiner wenigen eigenen Chancen fast zwei Minuten und muss weiter auf den zweiten Tour-Etappensieg nach 2021 warten.
Nikias Arndt (Bahrain Victorious):
Bauhaus' Zimmerkollege war ein wichtiger Helfer im Team Bahrain Victorious. Arndt unterstütze sowohl Kumpel Bauhaus in den Sprints als auch die restlichen Teamkollegen um Matej Mohoric, Wout Poels und Bilbao, die drei Etappensiege für die Mannschaft einfuhren. Seine angekündigten Ambitionen, auch mal auf eigenen Rechnung zu fahren, konnte er aber nicht in die Tat umsetzen - von Arndt war bei der Tour nicht viel zu sehen, was in seiner Rolle aber nichts Negatives ist.
John Degenkolb (Team dsm-firmenich):
Der Road-Captain des DSM-Teams verlebte eine weitgehend unspektakuläre Tour. Der Routinier (34) ist für seine Mannschaft unverzichtbar - die Jahre, in denen ein angriffslustiger Degenkolb um Etappensiege kämpfte, sind aber vorbei.