Real Madrid und der Ballon d'Or: Eine Frage des Respekts
Noch in der Nacht der persönlichen Demütigung ließ Vinicius Junior die Welt wissen: Ich würde es wieder tun! Wieder würde er eine Wahl boykottieren, bei der er "nur" der zweite Sieger sein sollte.
So wie am Montagabend im Pariser Theatre du Chatelet, wo der Ballon d'Or 2024 an den spanischen Europameister Rodri verliehen wurde. Und nicht an ihn, Vinicius Junior. Weshalb der schwer Gekränkte auf X in trotzigen Zeilen schrieb: "Ich mache es zehnmal, falls nötig. Sie sind nicht vorbereitet."
Preisverleihung laut Real "völlig wertlos"
Die Champions League hatte Vinicius im Mai mit Real Madrid gewonnen, im Finale gegen Borussia Dortmund getroffen und in Wembley als Topscorer der Königsklasse den Henkelpott in die Höhe gehalten. Den goldenen Ball aber bekommt ein anderer? Was für eine Beleidigung, dachte sich Vinicius, dachte sich ein ganzer Verein.
Und so strich Real kurzerhand den Sonderflug nach Paris, als der Name des Siegers durchsickerte, laut der spanischen Zeitung AS soll Vinicius die Absage selbst angeregt haben. Die 50-köpfige Delegation blieb in Spanien.
Der Preis nämlich, so hieß es in spanischen Medien, sei aus Sicht des so stolzen Klubs nun "völlig wertlos." In einem Statement, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, machte der Verein deutlich: "Es ist klar, dass beim Ballon d'Or Real Madrid nicht respektiert wird. Und Real Madrid wird nirgendwo hingehen, wo es nicht respektiert wird."
Das Fehlen der Madrilenen wurde dann auch bei der Gala schnell offensichtlich. Bei der Ehrung zur besten Mannschaft musste ein Videoclip herhalten. Coach Carlo Ancelotti wurde als bester Trainer ausgezeichnet, doch anders als von der Titelträgerin Emma Hayes gab es von ihm keine Grußbotschaft per Video.
Gab mangelnder Sportsgeist den Ausschlag?
Wie ein beleidigtes Kind trollte sich der spanische Rekordmeister - und erhielt dennoch Zuspruch. Der ehemalige Nationalspieler Toni Kroos, bis zur vergangenen Saison Mittelfeldlenker bei Real, postete auf Instagram zwei Fotos mit Vinicius Junior und schrieb dazu: "Der Beste."
Ex-DFB-Kapitän Ilkay Gündogan hingegen sah in Rodri, mit dem er gemeinsam für Manchester City aufläuft, einen "verdienten" Sieger, der "ab heute endlich nicht mehr 'unterschätzt' ist". Rodri selbst sagte über die Abwesenheit Reals: "Sie haben ihre Entscheidung getroffen, sie wollten daher nicht hier sein. Ich konzentriere mich nur auf meinen Klub und meine Teamkollegen."
Vielleicht gewann der Spanier auch deshalb die Wahl um den goldenen Ball. Jeweils ein Journalist aus den Top-100-Ländern der FIFA-Weltrangliste durfte abstimmen, zu den Bewertungskriterien gehören bei der Wahl zusätzlich zu den sportlichen Leistungen auch der Sportsgeist. Rodri gilt als Teamplayer ohne Allüren.
Ganz anders Vinicius Junior, der ebenso brillant Fußball spielt, aber auch immer wieder durch Schwalben, Meckern und Provokationen auffällt. Und der nun zeigt, dass er mit einem guten Benehmen im Moment der Niederlage große Probleme hat.
Ganz schön viele Baustellen für jemanden, der sich selbst längst als Weltfußballer sieht.