RC Lens: Zum Glück gibt es noch solche Mannschaften
Silvester fand in Lens und im Stade Bollaert ausnahmsweise nicht am 31. Dezember statt. Große Feierlichkeiten wurden 2023 auf den 1. Januar verlegt. Der Grund? Ein überfüllter Spielplan 2022/23. Der Kalender erlaubte keinen anderen Termin, also fand der 17. Spieltag der Ligue 1 am Neujahrstag statt. Paris Saint-Germain war weit in den Norden gereist. Ein festlicher Abend für eine Stadt, die den Fußball lebt. Die Menschen in Lens denken schon beim Aufwachen an ihren Verein, beim Essen, beim Atmen - immer wird an RC Lens gedacht, dem 1906 gegründeten Verein, der 1998 zum bislang einzigen Mal die Meisterschaft gewinnen konnte.
Ein Stadion mit 40.000 Plätzen, das Woche für Woche ausverkauft ist - in einer Stadt mit 30.000 Einwohnern. Wo sonst gibt es das noch? Vor dem Anpfiff füllten sich ein paar hundert Meter vom Stadion entfernt die Lokale und Cafés. Die Fans strömten in die Cafeteria des Hotels Bollaert, tranken dort ein Bier, stimmten die ersten Gesänge an. In der Arena gingen die Feierlichkeiten weiter. Beim Aufwärmen sang das Publikum "Sang et Or". Zu Deutsch: "Blut und Gold" - eine Anspielung auf die Vereinsfarben, Rot und Gelb.
Die Zuseher bedankten sich bei Kylian Mbappé für dessen Leistungen bei der Weltmeisterschaft. Momente, in denen Feindseligkeiten vergessen werden. Momente, die das Stadion Bollaert auszeichnen, ihm seinen einzigartigen Zauber verleihen.
RC Lens ist ein enorm gut strukturierter Verein, der hervorragende Arbeit leistet. 2020 stieg man in die erste Liga auf. Im Vorjahr belegte man in der Schlussabrechnung Platz sieben, trotz geringen Budgets hielt man sich im Oktober kurzfristig auf dem zweiten Platz auf, knapp hinter PSG. Mitten in dieser Erfolgsphase bot die Vereinsführung Erfolgstrainer Franck Haise erweiterte Kompetenzen an. Der letzte Baustein in einem jahrelang geduldig errichteten Gebäude.
Haise trainierte zwischen 2017 und 2020 noch die Reservemannschaft. Dann erfolgte die Beförderung zu den Profis. Seitdem setzte es keine Enttäuschungen. Dem familiär geführten Verein gelang es, großartige Spieler zu verpflichten. Seko Fofana wurde davon überzeugt, in Nordfrankreich zu bleiben - obwohl das große PSG ihn nur zu gerne im Sommer in die eigene Mannschaft geholt hätte.
In Lens entwickelte sich Fofana beinahe zu einem Weltklasse-Spieler. Er ist Kapitän, Anführer, in der Vorsaison erzielte er acht Ligatreffer. Der 27-jährige Ivorer würde wohl auch bei einem englischen oder spanischen Spitzenverein seinen Platz finden. Seine Leistungen und seine positive Entwicklung sind der Beweis für eine hervorragende Vereinsarbeit.
Zwischen der Mannschaft und den Fans herrscht Einklang. Nach jedem Spiel wird das Team besungen, unabhängig vom Spielausgang. Seit über zehn Jahren ist PSG der große Dominator. Die Ligue 1 leidet unter ähnlichen Schwierigkeiten wie die Bundesliga: Jegliche Spannung ist verloren gegangen. Am 1. Januar fehlten PSG die Superstars Lionel Messi und Neymar an. Dennoch waren die Pariser der klare Favorit. Dank kluger Taktik, einer positiven Stimmung und viel Aufopferungsbereitschaft gelang das kleine Wunder, Lens gewann 3:1. Eine Erinnerung: zum Glück gibt es noch solche Mannschaften, solche Vereine.