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Der Überflieger: Formel-1-Fahrer Max Verstappen im Portrait

Michel Egenolf / Roman Bartz
Aktualisiert
Max Verstappen: Der zweifacher Weltmeister im Porträt.
Max Verstappen: Der zweifacher Weltmeister im Porträt.AFP
"No Michael, no, that was so not right!", polterte Toto Wolff in sein Headset, bevor er es sich wieder vom Kopf riss und durch die Garage tigerte. Max Verstappen hatte Lewis Hamilton gerade nach einer umstrittenen wie folgenschweren Entscheidung von Rennleiter Michael Masi überholt und fuhr nun seinem ersten Weltmeistertitel entgegen. Wenige Minuten später krönte sich Max Verstappen in Abu Dhabi zum Formel 1-Weltmeister. Seitdem ist er zu einem der erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten geworden.

Der Weg für Max Emilian Verstappen war schon vorgezeichnet, als er am 30.09.1997 in Belgien geboren wurde. Der Sohn von Formel 1-Fahrer Jos Verstappen und Kartsportlerin Sophie Kumpen konnte quasi nur Motorsportler werden. 

Bereits in jungen Jahren wurde Max von seinem Vater ins Kart gesetzt. Schon vor seinem fünften Geburtstag sammelte Verstappen erste Erfahrungen im Kartsport. Des Weiteren war er bei den Rennen seines Vaters an der Rennstrecke schon mitten im Geschehen dabei. Dabei lernte Verstappen auch die deutsche Sprache: „Mein Vater hat schon ganz früh mit mir angefangen, deutsch zu sprechen. Er wollte das so, um einen Ausgleich zu den Gesprächen zu Hause zu haben.“

Einen Vorteil hatte das obendrein: Jos Verstappen fuhr für zehn Rennen im selben Rennstall wie Michael Schumacher. Beide waren eng befreundet und so lernte auch Max die deutsche Motorsportikone kennen. Beide Familien fuhren sogar zusammen in den Urlaub. 

Schon mit 5 Jahren war Max Verstappen schneller als der Vater

Verstappen wuchs an der Rennstrecke auf und hatte den Motorsport so schon früh im Blut. Er begleitete Vater Jos neben dessen Rennen auch auf Termine mit Sponsoren. Der damalige Minardi-Teamchef Paul Stoddart erinnert sich in einem Interview mit "Sportsmail" an ein solches Treffen: "Einer unserer Sponsoren brachte einen dieser ganz frühen Formel-1-Simulatoren mit. Max war dort mit seinem Vater und wollte das ausprobieren. Jos wird sich besser daran erinnern als ich, aber Max hat ihn in dem Formel-1-Simulator geschlagen! Man konnte nicht anders als daran zu denken, was aus ihm mal werden wird. Das Rennfahren liegt in der Familie im Blut."

Verstappens Vater erzog seinen Sohn mit eiserner Disziplin, das Leben seines Sohnes drehte sich nur um den Motorsport. Die Wochenenden des jungen Max sahen wie folgt aus: Am Freitag nach der Schule stieg er mit seinem Vater in den Bus und fuhr nach Italien. Dort wurden zwei Trainings absolviert und am Sonntag das Rennen gefahren. Am Sonntagabend ging es zurück in die Niederlande, montags morgens drückte der junge Max wieder die Schulbank. 

Max Verstappen im Kart mit seinem Vater Jos
Max Verstappen im Kart mit seinem Vater JosProfimedia

Sein Vater erkannte laut eigener Aussage spätestens, als Max sieben Jahre alt war, dass er ein außergewöhnliches Talent ist. Mit teils fragwürdigen Methoden trieb Vater Jos, der selbst 107-mal in der Formel 1 an den Start ging und zweimal aufs Podium fuhr, seinen Sohn zu Höchstleistungen. Als Max 15 war, schmiss ihn sein Vater nach einem schlechten Kartrennen an einer Tankstelle aus dem Auto und fuhr ohne ihn weiter. Der junge Max musste warten, bis seine Mutter ihn abholte. Der junge Verstappen war auch der Einzige, der im Regen trainierte, während die anderen Talente sich in die Cafeteria setzten, erinnert sich Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko.

Die Erziehung des Vaters schien jedoch zu fruchten, zumindest passten die Ergebnisse beim jungen Max. Wie viel das mit der Erziehung zu tun hatte, darüber lässt sich freilich streiten. 

Das Wunderkind aus den Niederlanden

Verstappen setzte sich jedoch in fast jeder Kartserie, die er in seiner Jugend fuhr, am Ende als Sieger durch. Im Jahr 2013 wurde er dann Kartweltmeister und durfte erste Testfahrten in der Formel 3 machen. Im Team Van Amersfort startete er dann ab 2014, dem Jahr, ab dem er das Alterslimit von 16 Jahren erreicht hatte, in der Formel 3-EM und wurde nach mehreren Rennsiegen in der Gesamtwertung Dritter. Die Rennställe der Formel 1 beobachteten da schon das Wunderkind aus den Niederlanden.

Max Verstappen in seinem Toro Rosso
Max Verstappen in seinem Toro RossoProfimedia

Red Bull zögerte nicht lange und verpflichtete Verstappen für das eigene Team, mit dem Versprechen ihn für die Saison 2015 in den Boliden des Schwesterteams Toro Rosso (heute AlphaTauri) zu setzen. Gesagt, getan. Verstappen trat im Folgejahr mit 17 Jahren und 166 Tagen als jüngster Formel 1-Pilot aller Zeiten zum Saisonauftakt in Melbourne an. Verstappen hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal einen Führerschein. 

In seiner Rookie-Sasion fuhr er 49 Punkte für die "roten Bullen" ein. Das reichte in der Gesamtwertung zu einem beachtlichen 12. Rang. Damit stand er drei Plätze und 31 Zähler vor Carlos Sainz, seinem damaligen Teamkollegen. Verstappen musste Rennen jedoch teilweise vorzeitig beenden, fünf DNFs standen am Ende zu Buche. Geschuldet war dies seinem aggressiven und risikofreudigen Fahrstil.

In Monaco schlug er heftig in die Streckenbegrenzung ein, erste Kritik an seiner fehlenden Reife kam auf. In Belgien räumte er beide Ferraris ab und fuhr später Schlangenlinien auf der Geraden, um den heranrasenden Kimi Räikkönen nicht vorbeizulassen. In dieser Zeit verdiente sich Verstappen den Spitznamen Mad Max. Sein Talent war unverkennbar, seine Siegeswille unbändig, aber überholen lassen wollte Max Verstappen eigentlich niemanden. So kam es zu rigorosen und überharten Zweikämpfen und Manövern mit dem Niederländer. 

Erster Sieg im ersten Rennen für Red Bull

Wenn Verstappen ein Rennen jedoch beendete, dann war er richtig stark. So schaffte er es, gegen Saisonende sechs Rennen in den Punkterängen zu beenden. Zwei Mal wurde er Vierter. Dr. Helmut Marko veranlasste diesin der Saison 2016 zu einem frühen Fahrerwechsel. Daniil Kvyat rief im Red Bull seine Leistungen nicht ab. Verstappen drängte im Toro Rosso immer wieder in die Punkteränge. Zum sechsten Rennen der Saison saß Verstappen im Red Bull, Kvyat musste mit dem Toro Rosso Vorlieb nehmen. 

Verstappen war beflügelt von seinem Debüt im Red Bull und holte im ersten Rennen für sein neues Team mit nur 18 Jahren und 228 Tagen (!) sofort den Rennsieg: Eine sensationelle Leistung, auch wenn er von einem Ausfall der beiden Mercedes profitierte, die miteinander kollidierten. Am Ende der Saison wurde Verstappen in der Gesamtwertung starker Fünfter.

Verstappen in Barcelona im Jahr 2015
Verstappen in Barcelona im Jahr 2015Profimedia

2017 unterlag er im teaminternen Duell mit Daniel Ricciardo zwar knapp, holte aber mehr Rennsiege als der Australier. Der Red Bull war fehleranfälliger und nicht ganz so stark wie in der Vorsaison, die Probleme bekam man erst in der zweiten Saisonhälfte in den Griff. Verstappen gelangen dadurch in Malaysia und Mexiko zwei Siege, mit der Weltmeisterschaft, die Hamilton vor Sebastian Vettel gewann, hatte er jedoch als Gesamtsechster nichts zu tun. 

Dennoch: Der Aufstieg des jungen Niederländers setzte sich unaufhaltsam fort. 2018 schlug er seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo deutlich und verpasste nur um zwei Punkte den dritten Platz in der Gesamtwertung. Ihm gelangen elf Podiumsplatzierungen, bei zweien davon stand er sogar ganz oben auf dem Siegerpodest. Der Saisonstart war jedoch alles andere als nach Plan gelaufen. Verstappen unterliefen aufgrund seiner waghalsigen Manöver immer noch zu viele Unfälle und Kollisionen mit anderen Fahrern. Auch deshalb machte er sich teils nicht besonders beliebt. 

Von Mad Max zu Super Max

Verstappen besserte sich im Verlaufe der Saison in dieser Hinsicht deutlich und schoss nicht mehr in großer Regelmäßigkeit über das Ziel hinaus. Er fuhr immer noch am maximalen Limit mit einer großen Härte gegen seine Gegner, konnte nun aber besser einschätzen, wann er zurückziehen sollte. 

2019 stand dann ein Umbruch an. Red Bull ging mit Honda-Motoren in der Formel 1 an den Start und Verstappen erhielt in Alexander Albon einen neuen Teamkollegen. Verstappen fand sich jedoch gut zurecht und konnte drei Rennen gewinnen, unter anderem das Heimrennen für Red Bull in Österreich. Er wurde starker Gesamtdritter und verwies Charles Leclerc und Seabstian Vettel auf die Plätze vier und fünf. Auf Strecke konnte er jedoch nicht mit dem dominanten Mercedes konkurrieren. Apropos Dominanz: Sein Teamkollege Alexander Albon sah kein Land gegen den starken Verstappen.

2020 wurde Verstappen erneut Gesamtdritter, dieses Mal nur knapp hinter Valtteri Bottas im Mercedes. Erneut gelangen dem Niederländer zwei Rennsiege: Er gewann zum Saisonabschluss in Abu Dhabi und konnte bei Hamiltons Heim Grand Prix in Silverstone triumphieren. Ansonsten war in dieser Saison wenig gegen den Briten zu holen. Beeindruckend liest sich die Saison des damalig 23-Jährigen trotzdem: Mit Ausnahme des Rennens in der Türkei stand Verstappen bei jedem Rennen, das er beendete, am Ende auf dem Podium. Es war klar: Sobald Verstappen ein Gesamtpaket haben würde, das sich mit dem Mercedes auf Augenhöhe befand, würde er ein Kandidat für den Weltmeistertitel sein. Von seinen Fans wurde er schon als Super Max besungen.

Die Krönung des Max Verstappen

Die Serie mit Podiumsplätzen setzte sich 2021 fort. Verstappen saß nun endlich in einem weltmeisterlichen Gesamtpaket. Ein solches konnte auch Lewis Hamilton vorweisen. In einem knallharten Duell lieferten sich beide Fahrer einen extrem spannenden Kampf um den WM-Titel, in dem das Momentum von einer Seite auf die andere schwappte. Beide Piloten fuhren die Ellenbogen aus und kollidierten gleich mehrere Male im Verlauf der Saison. Es flogen Giftpfeile von beiden Seiten.

Hamilton und Verstappen kollidierten 2021 gleich mehrere Male
Hamilton und Verstappen kollidierten 2021 gleich mehrere MaleProfimedia

Hamilton steiß in Silverstone mit Verstappen zusammen und schleuderte den Red Bull-Piloten mit 51 G in die Streckenbegrenzung. Verstappen musste daraufhin ins Krankenhaus, Hamilton stand strahlend auf dem Siegerpodest. In Monza musste Hamilton erfahren, dass ein Verstappen nicht zurückzieht. Nach der Berührung zwischen beiden landete Verstappen auf dem Boliden von Hamilton, der sich bei seinem Halo bedanken konnte, dass er sich nicht verletzte. In Brasilien drängte Verstappen Hamilton bei dessen Überholversuch von der Strecke ab, es half ihm am Ende aber nicht, denn Hamilton fuhr doch noch den Sieg ein.

Der Mercedes stellte sich als das schnellere Auto in diesem Saisonfinale heraus, und Verstappens Führung in der Gesamtwerung, die er sich über die Saison erarbeitet hatte, schmolz in sich zusammen. Es passte dem Niederländer nicht, dass Hamilton das schnellere Auto hatte. In Saudi-Arabien duellierten sich beide Fahrer hart, Verstappen sollte Hamilton nach einem unfairen Manöver auf der Strecke passieren lassen. Um eine Chance zu haben, den Briten wieder zu überholen, bremste der Niederländer kurz vor einer DRS-Zone noch einmal abrupt ab, damit der siebenfache Weltmeister passierte. Dieser krachte daraufhin von hinten in den Red Bull hinein und beschädigte sich den Frontflügel. Hamilton gewann dieses Rennen aller Widerstände zum Trotz erneut.

So gingen beide Fahrer punktgleich in das letzte Rennen. Derjenige, der vor dem anderen den Zielstrich überqueren würde, wäre der neue Weltmeister. Hamilton führte das Rennen früh an und fuhr von vorne seinem achten Weltmeistertitel entgegen. Das Rennen schien schon gelaufen zu sein, sein Vorsprung auf Verstappen vergrößerte sich von Runde zu Runde. Kurz vor Ende des Rennens passierte dann doch noch etwas, was wieder Musik in das Saisonfinale hineinbrachte. Nicolas Latifi schlug in die Bande ein, das Safety-Car kam auf die Strecke. Verstappen wechselte auf die weichsten Reifen, Hamilton war gezwungen auf der Strecke zu bleiben. In einer sehr umstrittenen Entscheidung von Rennleiter Michael Masi wurden die überrundeten Autos zwischen Hamilton und Verstappen dazu aufgefordert, sich zurückzurunden. Hamiltons Puffer auf seinen Widersacher war verschwunden. Mit den frischeren Reifen zog Verstappen nach Ende des Safety-Cars am Briten vorbei und verteidigte seine Führung bis ins Ziel. Max Verstappen war zum ersten Mal Formel 1-Weltmeister!

Verstappen in seinem Weltmeisterauto in Abu Dhabi
Verstappen in seinem Weltmeisterauto in Abu DhabiProfimedia

Eine neue Ära der Dominanz?

2022 brachte viele Reglementänderungen und damit auch Veränderungen an den Boliden mit sich. Mercedes fiel drastisch zurück und hatte mit großen Problemen zu kämpfen. Ferrari und Charles Leclerc erwiesen sich so als schärfste Konkurrenz für Red Bull im Kampf um die Weltmeisterschaft. Nach einem ausgeglichenen Saisonstart ließ die Scuderia jedoch merklich nach und Verstappen kontrollierte das Feld nach Belieben. 15 Rennsiege bei 22 Grand Prix markierten eine neue Bestmarke, Verstappen krönte sich schon in Japan, fünf Rennen vor Saisonende zum Weltmeister.

Diese Bestmarke von 15 Siegen wackelt auch jetzt schon wieder gewaltig. In dieser Saison hat Verstappen schon wieder zehn Siege geholt. Setzt sich seine Dominanz weiter fort, wird er auch diesen Rekord pulverisieren.

Verstappen rast auch 2023 seinem nächsten Titel entgegen
Verstappen rast auch 2023 seinem nächsten Titel entgegenAFP

Max Verstappen ist schon jetzt drauf und dran einer der besten Fahrer der Formel 1-Geschichte zu werden und dabei ist er gerade einmal 25 Jahre alt. In der ewigen Bestenliste der Fahrer mit den meisten Rennsiegen steht er schon jetzt auf dem fünften Platz. Vor ihm liegen mit Lewis Hamilton, Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Alain Prost vier absoluten Motorsportlegenden. Sollte Verstappen seine Dominanz aus der ersten Saisonhälfte halten können, ist es sogar durchaus möglich, dass er bis auf den dritten Platz vorrückt. Bis zur Marke von Sebastian Vettel (53 Rennsiege) fehlen Verstappen noch 8 Triumphe bei einem Grand Prix. Bei noch zehn ausstehenden Rennen in diesem Jahr kein Ding der Unmöglichkeit für den Mann, der kontinuierlich Geschichte schreibt.