F1-Grand Prix Kanada 2023: Formel1-Fahrer Lance Stroll vor seinem Heimrennen im Portrait
Es hätte der Tiefpunkt sein können, vielleicht sein müssen. In einem aufregendem Team, das große Veränderungen sowohl auf Fahrer- als auch auf Bolidenseite vorgenommen hatte, fieberte man dem Saisonstart schon entgegen. So auch bei Lance Stroll. Und dann war da diese Fahrradtour. Stroll stürzte von seinem Rad und brach sich einen Zeh - und für das Fahren noch viel ungünstiger - das Handgelenk. Für sämtliche Ärzte stand fest: Stroll wird einige Rennen verpassen, frühestens zum dritten Rennen in Australien knapp einen Monat nach Saisonbeginn wieder im Cockpit sitzen.
Stroll gab nicht auf. Der Kanadier hatte sich in den Kopf gesetzt, in Bahrain an den Start zu gehen. Er startete ein sagenhaftes Comeback. Nur vier Tage nach seiner OP, wurde sein Gips entfernt. Letztendlich verpasste er nur die Testfahrten in Bahrain und war zum Saisonauftakt aber verfügbar. Eine Willensleistung die DEM "Paydriver" des Fahrerfeldes nicht zugetraut worden war.
"Sogar mit dem ganzen Adrenalin — gebrochene Knochen tun einfach weh", ließ er nach seinem ungaublichen Comeback nach Rennende in Bahrain verlauten. Nicht immer erwischte er die Kurven perfekt, das Lenkrad wollte Strolls lädierten Handgelenken manchmal nicht gehorchen. Dennoch: Der Kanadier fuhr als Sechster über den Zielstrich und sicherte sich und Aston Martin acht Zähler. Ein seltener Moment, der die Kritiker auch mal verstummen und ihre Häme - zumindest bei manchen - in Bewunderung umschlagen ließ. Vom Tief- zum Höhepunkt, im Sport kann es eben sehr schnell gehen. Vor seinem Heimrennen in Kanada schauen wir uns die Karriere Strolls genauer an. Wer mehr zur Rennstrecke in Strolls Geburstort Montreal erfahren möchte, kann sich in unserer Streckenanalyse zum Circuit Gilles-Villeneuve informieren.
Die Anfänge des Lance Stroll
Ende Oktober des Jahres 1998 wurde Lance Stroll, bürgerlich Lance Strulovitch, in Montreal geboren. Bereits mit vier Jahren begann er mit dem Gokartfahren. Eingefädelt wurde dies damals schon von seinem Vater Lawrence Stroll, der einen genauen Plan für die Karriere seines Sohnes hatte. Über seinen Vater, der großer Fan der Motorsporteliteklasse war, kam der junge Lance mit dem Sport in Berührung, der zu dieser Zeit von Michael Schumacher geprägt wurde. So entstand beim jungen Lance früh der Traum von einer Karriere als eben so großer Formel 1-Fahrer wie sein Vorbild Michael Schumacher. Schon damals muss sich Lawrence Stroll die Hände gerieben haben.
Lawrence Stroll hatte in seiner Berufslaufbahn in der Modebranche durch Investitionen in und Positionen bei Tommy Hilfiger, RalphLauren, Michael Kors und einigen weiteren Luxusmarken ein beträchtliches Vermögen aufgebaut. Nun war er bereit ein hübsches Sümmchen in den Traum zu stecken, seinen Sohn in die Motorsportweltklasse zu geleiten.
Mit zehn Jahren startete Stroll dann so richtig durch. Und man kann es ihm nicht absprechen, ein gewisses Talent hatte der Junge aus Montreal. Kartrennen endeten mit Stroll auf dem ersten oder zweiten Platz, schlechter war er eigentlich nie. 2013 wurde er bester Newcomer der Kartweltmeisterschaft. Neben dem solventen Vater bekam er auch wegen seiner Leistungen einen Platz in einem Ferrari-Trainingscamp. Anschließend wagte der junge Lance 2014 den weiten Sprung über den Teich nach Europa. Dort ging er in der italienischen Formel 4 an den Start. Für das Team Prema ergatterte er in seiner Premierensaison durch sieben Rennsiege und 13 Podestplätze den Titel. Das alles hatte aber natürlich auch seinen Preis. Vater Lawrence hatte Anteile am Rennstall erworben, um die Verpflichtung seines Sohnes voranzutreiben.
Strippenzieher Lawrence hat die Fäden in der Hand
Nachdem er in der Formel 4 gezeigt hatte, dass neben Geld eben auch Talent vorhanden war, ging es eine Sprosse der Karriereleiter weiter nach oben. In der Formel 3 fuhr Stroll immerhin einen Sieg und sechs Podien ein. Das reichte immerhin zu Rang fünf in der Fahrerwertung. Massive Investitionen seines Vaters sorgten dafür, dass Prema und damit auch Stroll das beste Auto des Feldes zur Verfügung hatten.
Sein Teamkollge Felix Rosenqvist nutzte das jedoch deutlich besser als Stroll und sammelte mehr als doppelt so viele Punkte wie der Kanadier. Andere aktuelle Formel 1-Fahrer wie Charles Leclerc, Alex Albon und George Russell fuhren ebenfalls in diesem Jahr in der dritten Formelklasse. Das Ferrari-Förderprogramm verließ Stroll nach seinem fünften Rang und schloss sich der Williams-Akademie an, ein wohlüberlegter Schritt, wie sich später herausstellen sollte.
2016 brachte Stroll dann den souveränen Gesamtsieg im überlegenen Prema-Boliden ein. Insgesamt 14 Siege und sechs weitere Podestplätze sprangen dabei für Stroll heraus. Für Williams bestritt er auch seiner ersten Kilometer als Testfahrer in einem Formel 1-Boliden. Grundlage dafür war wie so oft zuvor schon eine finanzielle Zuwendung seines Vaters an das Williams-Team. 2017 wurde dann zum Debütjahr in der Formel 1 für Lance Stroll. Die Formel 2 hatte er übersprungen, er durfte sich dank seines Vaters direkt in der Königsklasse beweisen.
Das grelle Rampenlicht tat Stroll junior aber nicht besonders gut. Er hatte vor der Saison zwar über 8000 Kilometer im Boliden von Williams absolviert, ersichtlich wurde das an den Rennwochenenden jedoch nicht. Stroll flog gleich mehrfach ab und schaffte es erst im vierten Rennen überhaupt ins Ziel zu kommen. Die öffentliche Kritik am Kanadier wuchs immer weiter, beim Heim-GP in Kanda gelang ihm dann im siebten Saisonrennen mit dem neunten Platz die erste Platzierung in den Punkten. Die Schlagzeilen um seiner Person wurden freundlicher, als er im folgenden Chaosrennen in Baku einen respektablen dritten Platz holte. In Monza fuhr er nach einem starken Qualifying im Regen einen siebten Platz ein. Letztendlich fehlte Stroll aber die Konstanz in seiner Premierensaison, sodass er trotz vieler Punkte aus Aserbaidschan vom Teamkollegen Felipe Massa um drei Zähler geschlagen wurde.
Die Folgesaison war eine rabenschwarze für Stroll und Williams. Der Bolide war schwächer als erhofft, Stroll gelangen magere sechs Pünktchen und obendrein verlor er das Qualifying-Duell gegen seinen Rookie-Teamkollegen Sergey Sirotkin.
Racing Point als Neustart
Das Kapitel Williams wurde damit für die Familie Stroll zugeschlagen. Lawrence Stroll befand den Williams für zu schwach. Ein neues Team musste her. Da bot es sich an, dass Force India gerade gegen den Bankrott kämpfte. Lawrence Stroll nutzte die Gunst der Stunde und stieg als Federführer eines Konsortiums in den Rennstall ein. Das Konsortium übernahm die Geschicke des Teams und benannte es in Racing Point um. Erste Amtshandlung Lawrence Strolls: Die Verpflichtung seines Sohnes als Fahrer. Ihm zur Seite stand in Sergio Perez ein erfahrener Fahrer, der sich auf einem anderen Niveau als Strolls bisherige Teamkollegen befand.
Der Mexikaner stellte dies 2019 auch sofort unter Beweis. Mit deutlich konstanteren Leistungen als Stroll sammelte er auf der Strecke 52 Zähler, Stroll kam nur auf 21. Immerhin konnte der Kanadier mit einem vierten Rang im chaotischen Rennen in Hockenheim das beste Ergebnis für Racing Point erringen. Neben seiner Stärke im Regen gehört sicherlich auch zu Strolls Stärken, dass er es zu nutzen weiß, wenn sich ihm eine Gelegenheit auf ein gutes Ergebnis bietet.
2020 ging Racing Point mit einem stark verbesserten Boliden an den Start. Stroll gelangen dadurch sogar zwei Podiumsplatzierungen. In Italien und Bahrain fuhr er jeweils als Drittplatzierter über den Zielstrich. Im regnerischen Qualifying des Türkei-GPs gelang ihm sogar seine erste und bislang auch einzige Pole Position.
Im Rennen wusste er diese nicht zu nutzen, er schloss mit dem neunten Rang ab. Was nach einer soliden Saison klingt, wurde von Sergio Perez jedoch wieder deutlich getoppt. Der Mexikaner sammelte ganze 50 Punkte mehr und konnte in Bahrain sogar ein Saisonrennen gewinnen. In der Türkei wurde Perez Zweiter und zeigte, was mit dem Racing Point möglich war. Perez wurde in der Fahrer-WM am Ende starker Vierter, Stroll kam nicht über einen elften Platz hinaus - und das in einem Auto das an den Podestplätzen kratzte. Die logische Konsequenz? Richtig, Sergio Perez musste gehen.
Als Ersatz wurde in Sebastian Vettel ein vierfacher Weltmeister an Land gezogen. Das gesamte Team erhielt dadurch einen neuen Anstrich, um genau zu sein, einen grün-schwarzen. Aston Martin stieg wieder in die Formel 1 ein und wurde Partner des Stroll-Teams. Die ersten zwei Jahre mit Aston Martin und Vettel verliefen allerdings alles andere als optimal. Vettel schlug seinen Teamkollegen zweimal relativ deutlich, das Auto war aber weit von den Podestplätzen entfernt.
Vettels starken individuellen Leistungen war es zu verdanken, dass Aston Martin mit einem fünften Platz in Monaco und Rang zwei in Baku respektable Ergebnisse erzielten. Stroll zeigte sich oft zu fehleranfällig, oftmals warf er das Auto mit schwachen Manövern weg. Stroll war immer wieder für gelbe und rote Flaggen gut. Eine Tatsache, die sich jedoch durch seine gesamte Karriere zieht. Selbst sein Teamkollege Vettel musste auch einmal dran glauben, als Stroll ein wildes Manöver auspackte und seinen Teamkollegen von der Strecke kegelte.
Was nach diesen zwei erfolglosen Jahren blieb: Ein Team mit Lance Stroll. Vettel entschied sich seine Karriere - auch wegen des schwachen Aston Martins - zu beenden.
Die Wiedergeburt des Aston Martins
Auf Vettel folgte ein weiterer Altmeister - Fernando Alonso. Mehr zu Fernando Alonso lest ihr in unserem Porträt zu spanischen Weltmeister. Und damit sind wir in der aktuellen Saison angekommen. Aston Martin fand dank einiger Verpflichtungen auf mechanischer Seite und einem erschreckend ähnlichen Konzept zum RedBull seine Stärke zurück. Einiges von dieser Stärke ging auch auf Alonso zurück, der sich schnell ins Team einfügte und Podestplatz nach Podestplatz einfuhr. Und auch die Zusammenarbeit im Team funktioniert. Beide Fahrer helfen sich gegenseitig wie Baku zeigte. Stroll erklärte am Funk, dass er Alonso nicht attackieren würde. Dieser revanchierte sich und gab die Einstellungen seiner Bremsbalance an Stroll weiter, der zuvor Probleme beim Anbremsen gehabt hatte. Das Team bei Aston Martin funktioniert. Auch wenn Stroll bereits nach acht Saisonrennen mehr als 60 Punkte weniger als Alonso hat, der bis auf den Heim-GP in Spanien immer unter den Top 4 landete.
In Australien gelang Stroll immerhin einmal ein solches Ergebnis. Ein sehr respektabler vierter Platz sprang für ihn heraus und auch ansonsten ist er inzwischen regelmäßig unter den besten acht zu finden. Gegen Alonso hat er im direkten Duell allerdings keine Chance.
Strolls gute Ergebnisse in dieser Saison lassen sich auf eine Leistungssteigerung, aber eben auch zu großen Teilen auf einen deutlich verbesserten Aston Martin zurückführen. Im Duell mit den drei anderen großen Teams und ihren Fahrern zieht Stroll dagegen zumeist den Kürzeren. Zu einem Weltmeister wird er, obwohl er Talent hat, eben nicht mehr. Und so wird ihm wohl bis an sein Karriereende das Label eines Paydrivers anheften. Dieses Image lässt sich eben nicht mit Geld aus dem Weg räumen.
Trotzdem: Der Kanadier wird in dieser Saison sein bestes Gesamtergebnis in der Formel 1 einfahren. Zumindest, wenn er unverletzt bleibt...