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Formel 1 GP Brasilien: Interlagos - Das Autodromo Jose Carlos Pace in der Streckenanalyse

Roman Bartz / Michel Egenolf
Formel 1 Brasilien GP: Interlagos – Das Autodromo Jose Carlos Pace im Porträt.
Formel 1 Brasilien GP: Interlagos – Das Autodromo Jose Carlos Pace im Porträt.AFP
Die Formel 1 sorgt jedes Jahr für Aufregung und Faszination bei Rennsportfans auf der ganzen Welt. Der Formel-1-Kalender 2023 enthält eine rekordverdächtige Anzahl an Rennen – mit 23 geplanten Stopps weltweit. Mit dem Großen Preis von Bahrain am 5. März wurde die Saison eröffnet. Sie endet mit dem Grand Prix von Abu Dhabi am 26. November. Der Kalender umfasst dabei insgesamt 20 Länder auf fünf Kontinenten, darunter klassische Strecken wie Silverstone und Suzuka, aber auch neuere Strecken wie Jeddah und Miami – eine Auswahl, die Fahrern und Fans im Laufe der Saison viel Abwechslung bietet. Der Formel-1-Tross macht zum 19. Rennen der Formel-1-Saison 2023 Halt in Südamerika, um den Großen Preis von Brasilien auszutragen. Wir haben uns die Strecke in São Paulo – das Autodromo Jose Carlos Pace, besser bekannt als Interlagos – für Euch genauer angesehen.

Buckelpiste, dünne Luft, Wetterkapriolen und das berühmte Senna-S. Das kann nur bedeuten: Der Große Preis von Brasilien steht an. Gefahren wird auf dem Autodromo Jose Carlos Pace, auch bekannt als Interlagos. Eine legendäre Rennstrecke der alten Schule in São Paulo, Brasilien. Mit einer reichen Geschichte, atemberaubender Landschaft und einem anspruchsvollen Layout hat sich diese Strecke einen festen Platz im Herzen der Motorsportfans auf der ganzen Welt verdient. Dieses Porträt widmet sich dem Autodromo Jose Carlos Pace und den einzigartigen Merkmalen, die es zu einer der weltweit faszinierendsten Rennstrecken machen. Auch was es braucht, um auf dieser Strecke schnell zu sein, wird wie immer nicht zu kurz kommen. 

Luftaufnahme des Autodromo Jose Carlos Pace
Luftaufnahme des Autodromo Jose Carlos PaceBeto Issa/Fórmula 1 - CC BY 2.0

Geschichte des Autodromo Jose Carlos Pace

Die Geschichte von Interlagos reicht zurück bis in die 1930er Jahre. Ursprünglich als Austragungsort für lokale Autorennen genutzt, entwickelte sich die Strecke im Laufe der Jahre zu einer der renommiertesten Rennstrecken Südamerikas. Der Name "Interlagos" bezieht sich auf die Lage der Strecke zwischen zwei Seen, dem Guarapiranga und dem Billings-Stausee, und spiegelt die beeindruckende Umgebung wider, die die Rennstrecke umgibt.

Der Meilenstein in der Geschichte von Interlagos kam jedoch in den 1970er Jahren, als die Formel 1 die Strecke für den Großen Preis von Brasilien auswählte. Im Jahr 1972 fand erstmals ein Formel-1-Rennen auf dem Interlagos-Rundkurs statt. Emerson Fittipaldi, stolzer Vertreter seiner Heimatstadt São Paulo, sicherte sich die Pole-Position im Lotus. Doch der Sieg ging an den argentinischen Brabham-Fahrer Carlos Reutemann.

Emerson Fittipaldi 1972 in São Paulo
Emerson Fittipaldi 1972 in São PauloAFP

Bereits ein Jahr später wurde der Grand Prix von Brasilien offiziell Teil der Formel-1-Weltmeisterschaft. In diesem denkwürdigen Rennen triumphierte Emerson Fittipaldi, was zu grenzenlosem Jubel seiner brasilianischen Landsleute führte. Fittipaldi setzte seine Erfolgsserie auf dieser anspruchsvollen Rennstrecke auch 1974 fort. Im Jahr darauf eroberte der brasilianische Rennfahrer José Carlos Pace den Sieg. Bei einem Flugzeugabsturz 1975 kam Pace ums Leben, posthum wurde die Strecke nach ihm benannt. Es sollte bis 1991 dauern, dass erneut ein brasilianischer Fahrer beim Heim-Grand-Prix den Sieg errang – Ayrton Senna setzte sich durch. Senna wiederholte seinen Triumph im Jahr 1993.

Architektur und Layout des Autodromo in Interlagos

Die Strecke selbst hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und wurde mehrmals renoviert, um den höchsten Sicherheitsstandards der Formel 1 zu entsprechen. Sie erstreckt sich über 4,309 Kilometer und besteht aus 15 Kurven, darunter einige der anspruchsvollsten und aufregendsten der Formel 1. Die wellige Topografie der Strecke und die enge Abfolge von Kurven machen Interlagos zu einer wahren Herausforderung für Fahrer und Ingenieure gleichermaßen. Eine der ikonischen Eigenschaften von Interlagos ist die legendäre Start-Ziel-Gerade, die leicht ansteigt und den Fahrern eine einzigartige Möglichkeit bietet, Höchstgeschwindigkeiten zu erreichen, bevor sie sich in die erste Kurve stürzen. Diese Kurve, bekannt als "S do Senna" bzw. Senna-S, ist eine Hommage an den brasilianischen dreifachen Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna, der in den 1980er und 1990er Jahren die Formel 1 dominierte. Senna war einer der erfolgreichsten Rennfahrer in der Geschichte des Sports und ist bis heute eine Legende in Brasilien.

Streckenlayout Autodromo Jose Carlos Pace
Streckenlayout Autodromo Jose Carlos PaceRoman Bartz / Flashscore

Eine Runde auf dem Autodromo Jose Carlos Pace

Bei Interlagos handelt es sich um eine Strecke mit einigen sehr schnellen, weitläufigen Kurven, einigen Geraden und einem sehr technischen, kurvigen Up-and-Down-Infield-Abschnitt; es wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren. Die Strecke befindet sich in einer natürlichen Mulde und bietet den Zuschauern einige großartige Aussichtspunkte. Stürzen wir uns ohne Umschweife in eine stürmische Runde auf dem Autodromo Jose Carlos Pace.

Die beengte Start-Ziel-Gerade auf dem Autodromo Jose Carlos Pace
Die beengte Start-Ziel-Gerade auf dem Autodromo Jose Carlos PaceMorio - CC BY-SA 3.0

Los gehts auf der Start-Ziel-Gerade, die fast ein wenig beengend wirkt, mit der Boxenmauer auf der linken Seite und den imposanten Tribünen auf der rechten Seite. Zur Kurve hin hart bremsen und der Versuchung widerstehen, das Auto nach links in die erste (blinde) Kurve zu lenken. Bis zum letzten Moment auf der Breitseite bleiben und mit knapp über 100 km/h im dritten Gang durch Kurve 1. Das Auto ruhig halten und nach rechts ziehen, um den Scheitelpunkt von Kurve 2 zu treffen, wo wir bereits auf über 160 km/h beschleunigen. Es geht steil bergab und der Sturz ändert sich am Hang, sodass man unbedingt die richtige Linie finden muss, um nicht ins Schleudern zu geraten. Diese Sequenz wird nach dem legendären Ayrton Senna "Senn-S" genannt. Am Ausgang von Kurve 2 kann man viel Zeit gewinnen oder verlieren, wenn man die Gänge hochschaltet und den F1-Boliden durch die schnelle, geschwungene Linkskurve in Kurve 3 "Curva do Sol" schiebt. Es ist eine Mut-Kurve mit nur einer Linie, die das Fahren mit Vollgas erlaubt. Dass die DRS-Aktivierungszone direkt am Eingang der Curva do Sol beginnt, macht sie unter Rennbedingungen noch kniffliger. Man muss die äußeren Randsteine mitnehmen, wenn man mit Vollgas die Gegengerade, die "Reta Oposta", hinunter in den zweiten Sektor fährt.

Das berühmte Senna-S auf dem Autodromo Jose Carlos Pace
Das berühmte Senna-S auf dem Autodromo Jose Carlos PaceAFP

Über welligem Untergrund geht es mit über 325 km/h im höchsten Gang durch die Reta Oposta, bevor man sich der bergab führenden Linkskurve – Kurve 4 "Curva do Lago" nährt. Einer schnellen 90-Grad-Kurve am Fuße des Hügels, die mit etwa 150 km/h im dritten Gang genommen wird. Am Scheitelpunkt rauf aufs Gas und durch den Linksknick von Kurve 5 im 5. Gang mit gut und gern 250 km/h fahren. Es geht Bergauf blind in die Doppelscheitel-Rechtskurve in Kurve 6,7. Kurz anbremsen, in den 5. Gang, für die Kurve 6. Es geht weiter hoch, etwas Gas geben, um den Schwung über den Scheitelpunkt des Hügels zu halten – in der Kurve 7 "Curva do Laranjinha".

Die G-Kräfte sind gewaltig, bis zum fünffachen des Körpergewichts. Ist der Scheitelpunkt erreicht: Schwung bergab mitnehmen, dann stark bremsen, um das Auto rechtzeitig für die sehr enge Rechtskurve im zweiten Gang in Kurve 8 zu verlangsamen – mit unter 80 km/h wird die genommen. Auf den Scheitelpunkt zufahren, die gesamte Strecke nutzen und dem Motor das letzte Drehmoment und den Hinterreifen den letzten Rest Grip abringen, während es bergab in die offenere 180-Grad-Kurve – Kurve 9 "Pinheirinho" geht. Die Ausfahrt wieder bergauf, bei Bedarf etwas KERS nutzen. In den Rechtsknick beschleunigen, bevor für die Kurve 10 "Bico de Pato", die sehr enge Rechtskurve oben auf dem Hügel, richtig hart gebremst werden muss. Die Straße öffnet sich im Scheitelpunkt dramatisch und fällt ohne Vorwarnung bergab. Hoch im 5. Gang durch die Linkskurve 11 "Mergulho" und in den letzten Sektor hinein.

Die weite Linie aus Mergulho heraus nehmen, während man für die Linkskurve im 3. Gang in Kurve 12 "Juncao" kurz bremsen muss. Es ist sehr wichtig, so viel Geschwindigkeit wie möglich durch Juncao mitzunehmen, denn der Rest der Runde ist absolut flach. Ab jetzt eins mit dem Auto sein: Mit Vollgas durch den Linksknick in Kurve 13 hoch, dann nähert man sich dem Wahrzeichen von Interlagos, der Kurve 14 "Subida dos Boxes". G-Kräfte wirken nun auf den Körper ein. Den F1-Boliden leicht nach links lenken, weiter am Gas bleiben, um auf den breitesten Teil der Strecke zu gelangen. An der Boxengasse vorbei durch Kurve 15 und zurück auf die Start-Ziel-Gerade fliegen. Geschafft!

Valtteri Bottas hält den Streckenrekord in Interlagos

Den Streckenrekord mit 1:10,540 min. hält Valtteri Bottas, aufgestellt im AMG Mercedes, 2018. In der 65 von 71 Runden mit leerem Tank und frischen Softs. Aber seht selbst:

 Atmosphäre und Besonderheiten beim Großen Preis von Brasilien

Interlagos ist auch für sein unberechenbares Wetter bekannt. Regenschauer können jederzeit auftreten und das Rennen in ein chaotisches Spektakel verwandeln. Diese Wetterbedingungen haben in der Vergangenheit zu einigen der denkwürdigsten Momente in der Formel-1-Geschichte geführt, in denen Fahrer und Teams gezwungen waren, auf die sich ändernden Bedingungen zu reagieren und strategische Entscheidungen zu treffen.

Ayrton Senna mit seinem legendären Helm in den brasilianischen Landesfarben.
Ayrton Senna mit seinem legendären Helm in den brasilianischen Landesfarben.AFP

Die Atmosphäre in Interlagos ist einzigartig. Die brasilianischen Fans sind leidenschaftlich und feurig. Sie kommen jedes Jahr in Scharen, um ihre Lieblingsfahrer anzufeuern. Der Lärm und die Energie, die während des Rennwochenendes in der Luft liegen, sind elektrisierend. Die brasilianische Nationalhymne wird von den Zuschauern mit Begeisterung gesungen, und die Unterstützung für brasilianische Fahrer ist unglaublich stark. Den Abschluss macht Ayrton Senna: "Ich bin ein Profi und habe eine Verantwortung. Aber ich bin auch ein Mensch. Und die Werte, die ich in meinem Leben habe, sind stärker als der Wunsch vieler anderer Leute, diese Werte zu beeinflussen und zu zerstören."