KI in der Dopingbekämpfung: Durchbruch oder verpasste Chance für die WADA?
Es ist eines der ältesten Duelle der Sportgeschichte. Eines, das meist im Hintergrund ausgetragen wird, im Schatten der Glitzerwelt von Medaillen und Triumphen - und das nie endet: Das Duell zwischen Betrügern und Verfolgern, zwischen Dopingsündern und Kontrolleuren. Der Kampf gegen unerlaubte Leistungsoptimierung und für einen sauberen Sport blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück - und er war fast immer ein ungleicher. Bis jetzt?
Wolfgang Maaß jedenfalls will daran etwas ändern. Der Wissenschaftler ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL an der Uni Saarland, doch Hoffnungen schürt Maaß' Arbeit vor allem im Sport-Bereich. Denn er ist Experte für Künstliche Intelligenz. Und die hat das Potenzial, den Anti-Doping-Kampf zu revolutionieren.
"Wir sollten Anti-Doping generell und Künstliche Intelligenz als Mittel in der gesellschaftlichen Debatte des Sports sehr viel wichtiger nehmen", sagt Maaß dem SID, "um nicht weiter die Gesundheit unserer Kinder zu gefährden". Deshalb arbeitet er mit seinem Team seit einigen Jahren mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zusammen. Der rasante Fortschritt im KI-Bereich soll auch den Anti-Doping-Kampf effizienter gestalten.
KI soll Doping erkennen
Und das funktioniert so: Unter anderem von der Universität Kopenhagen erhält Maaß' Forschungsgruppe Daten aus Abertausenden von Dopingproben. Die KI-Modelle, die er mit seinen Kollegen entwickelt hat, werden mit diesen Daten gefüttert. So lernt das System, charakteristische Doping-Merkmale wie Abweichungen und Unregelmäßigkeiten bei gewissen Biomarkern in Blut- oder Urinproben zu identifizieren.
"Ein Themengebiet betrifft EPO-Analysen", erklärt Maaß. Das Hormon Erythropoetin (kurz EPO), vor allem bekannt durch die Dopingeskapaden im Radsport der 1990er- und 2000er-Jahre, hilft Sportlern, die Zahl der roten Blutkörperchen zu erhöhen.
Anders als beispielsweise durch ein Höhentraining werden bei EPO-Nutzung "biologische Zwischenschritte umgangen", sagt Maaß, "es wird lediglich das EPO-Hormon als Endergebnis eines komplexen biologischen Prozesses direkt in den Körper injiziert". Und genau darauf können die KI-Modelle, die auch bei der Analyse von Urinproben heute bereits beachtliche Erfolge aufweisen, Hinweise geben.
Auch die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) hält KI-Nutzung in Zukunft für "richtungsweisend". Man wolle die "Forschung ausbauen und intensivieren", teilte die NADA auf SID-Anfrage mit, und halte nach Arbeiten unter anderem mit der Uni Saarland die "Nutzung von KI für sehr zukunftsrelevant". Mit Maaß hat sich laut dem Wissenschaftler aber bisher niemand ausgetauscht.
Auch KI wird den Sport nicht komplett bereinigen
Der KI-Forscher ist ein Mann mit einer klaren Vision vom sauberen Sport - aber er ist auch Realist. "Natürlich", sagt er, reiche der Einsatz von KI nicht aus, um Doping zu verhindern. Zumal auch die Gegenseite vom technologischen Fortschritt profitieren kann.
"Ich vermute, dass kriminelle Personen im Sportbereich sich unsere Methoden genau anschauen werden, da wir diese publizieren", sagt Maaß: "Und wir stehen kriminellen Personen gegenüber, die vermutlich Millionen Euro zur Verfügung haben."
Die Rahmenbedingungen müssten sich ändern, fordert der Wissenschaftler, der vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) enttäuscht ist. Präsident Thomas Bach habe kürzlich gesagt, wie wichtig Künstliche Intelligenz für das IOC sei, sagt Maaß, "doch davon ist zu wenig zu spüren." Der Druck auf das IOC müsse dahingehend wachsen, "Anti-Doping nicht mehr nur stiefmütterlich zu behandeln".
Die geringen finanziellen Mittel, die der zum Teil vom IOC finanzierten WADA und somit den saarländischen Forschern zur Verfügung stehen, gefährden den Fortschritt massiv, wie Maaß kritisiert: "Meine Forschungsgruppe ist meines Wissens das einzige Team weltweit, welches für die WADA KI-basierte Analysen durchführt. Dennoch muss ich jedes Projekt aus Lehrstuhlmitteln zusätzlich querfinanzieren."
Ob dieser Gemengelage sei man trotz "hervorragender Ergebnisse" mittel- und langfristig einfach "nicht wettbewerbsfähig", so der Wissenschaftler: "Olympia-Sportarten sind hochgezüchtete Formel-1-Teams und wir halten mit familienfinanzierten Go-Kart-Teams dagegen."