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Japan in der Analyse: Viel Potenzial, aber reicht es für die "Todesgruppe"?

Micha Pesseg
Japan in der Analyse: Viel Potenzial, aber reicht es für die "Todesgruppe"?
Japan in der Analyse: Viel Potenzial, aber reicht es für die "Todesgruppe"?Profimedia
Japans Ziel bei der WM in Katar ist klar formuliert: Viertelfinale. Die 26 von Trainer Hajime Moriyasu nominierten Spieler wollen sich in der nationalen Fußballhistorie verewigen - denn obwohl die Japaner seit 1998 immer bei den Weltmeisterschaften dabei waren, unter die letzten Acht kamen die blauen Samurai noch nie.

Beim letzten Versuch in Russland schied man gegen übermächtige Belgier im Achtelfinale aus. 3:2 hieß das enttäuschende Ergebnis, zum dritten Mal scheiterte man in der Runde der letzten 16. Dass die Mannschaft rund um Frankfurt-Star Daichi Kamada gegen Deutschland spielt, passt ins Bild: Immerhin acht Profis aus dem japanischen Kader verdienen ihre Brötchen im Land des vierfachen Weltmeisters.

Mit dem Düsseldorfer Ao Tanaka schaffte es auch ein Zweitligaspieler ins Aufgebot. Das mag seine Gründe haben, fast 38.000 japanische Staatsbürger leben auf deutschem Boden, der Großteil davon in Düsseldorf. Dort absolvierte der asiatische Rekordmeister (vier Titel) auch sein bislang letztes Vorbereitungsspiel - ein fades 0:0 gegen Ecuador.

Die Gruppe E ist aus japanischer Sicht sehr schwierig. Spanien und Deutschland sind zwei internationale Top-Nationen, Costa Rica schaffte 2014 immerhin das, wovon Japan seit langer Zeit träumt, nämlich den Einzug ins Viertelfinale. Wie Coach Moriyasu da nachziehen will, erklären wir euch in unserer folgenden Analyse.

Schwächen

Das Toreschießen geht der JFA-Auswahl nicht immer leicht von der Hand. Grund: Die kreativen Spieler im Mittelfeld kreieren zwar regelmäßig gefährliche Torchancen, doch der klar als Zielspieler definierte Mittelstürmer konnte sie nur selten verwerten. Egal, ob Bochums Takuma Asano oder Celtics Daizen Maeda an vorderer Front spielte. Eine Torgarantie gab bislang niemand ab.

Nach Katar mitgenommen hat der Coach zwei klassische Neuner. Zum Einen Ayase Ueda (24) von Cercle Brügge. In den letzten Jahren galt Ueda als zuverlässiger Scorer in der heimischen Liga, in Belgien erarbeitete er sich denselben Ruf. Ueda ist verhältnismäßig kopfballstark und positioniert sich gerne am zweiten Pfosten. Seine Stärken vor dem Tor konnte er im Nationalteam trotzdem noch nicht unter Beweis stellen - zehn Einsätze, kein Treffer.

Der zweite Stürmer heißt Shuto Machino, ist 23 Jahre alt und spielt aktuell für den japanischen Erstligisten Shonan Bellmare. 2022 sorgte er in der Heimat für viel Furore. Dass er 13 Saisontreffer erzielte, kam für Außenstehende etwas überraschend. Machino ist ein sehr geradliniger Spieler, der auf dem Platz gerne nach individuellen Fehlern im gegnerischen Spielaufbau Ausschau hält - um dann mit Tempo aufs Tor zu ziehen.

Angesichts des kaum vorhandenen Konkurrenzkampfes ganz vorne hatte das Trainerteam gar keine andere Wahl, als dem Druck der Öffentlichkeit nachzukommen. Dass Machino bei seinem Debüt gegen Honkong gleich zwei der sechs japanischen Treffer erzielte, schien dem japanischen Boulevard recht zu geben. Ob er seine Qualitäten auch gegen Spanien oder Deutschland ausspielen kann - schwer zu sagen.

Stärken

Besonders gut besetzt ist Japan auf den offensiven Außenpositionen. Takefusa Kubo hatte zu Beginn seiner Karriere mit unnötigen Messi-Vergleichen zu kämpfen und blieb lange hinter den hohen Erwartungen zurück. Kubo war 2011 mit gigantischen Vorschusslorbeeren in die Jugend des FC Barcelona gewechselt. In der abgelaufenen Spielzeit etablierte er sich bei RCD Mallorca endlich im Erwachsenenfußball, letzten Sommer wechselte er für 6,5 Millionen Euro zu Real Sociedad. Dort gilt er als gut zu verwendender Rotationsspieler, ähnlich im Nationalteam.

Hervorzuheben ist ein den Topligen lange fern gebliebener Spieler: Junya Ito erwarb bei KRC Genk einen ausgezeichneten Ruf, im Sommer zog es ihn in die Ligue 1 zu Stade Reims. Ito ist ein in vielerlei Hinsicht kompletter Spieler. Er besitzt die Fähigkeit, sowohl selbst den Abschluss zu suchen, als auch seine Mitspieler ideal in Szene zu setzen. Für einen Offensivspieler ist Ito außergewöhnlich fleißig und taktisch diszipliniert. 

Berüchtigt ist er für seine intelligenten Laufwege genau wie für sein sehr gutes Spielverständnis. In Frankreich machte er dort weiter, wo er in Belgien aufgehört hat. Viele progressive Pässe, gute Ballbehandlung, die nötigen Demut, um die eigenen Bedürfnisse jenen der Mannschaft unterzuordnen. 

Weitere bekannte Namen sind Brightons Kaoru Mitoma, Ex-Liverpool-Spieler Takumi Minamino oder Freiburgs Ritsu Doan. Auf den offensiven Außenbahnen hat Japan ein echtes Überangebot. Mit 17 Treffern ist passenderweise auch kein Mittelstürmer, sondern ein Flügelstürmer - nämlich der bei Monaco unter Vertrag stehende Minamino - bester Länderspiel-Torschütze im aktuellen Kader.

Die bevorzugte Startelf

Gonda - Tomiyasu, Yoshida, Ito, Nagatomo - Endo, Morita - Ito, Kamada, Minamino - Ueda

Japan tritt vorzugsweise in einem eher konservativ interpretierten 4-2-3-1 auf. Die Sturmspitze sucht gerne den Weg in die Tiefe und soll auch beim Spiel gegen den Ball als erster Druck machen. Dahinter formieren sich zwei Flügelstürmer und voraussichtlich Frankfurts Daichi Kamada als zentraler Ballverteiler. Weitere Bundesliga-Legionäre mit Führungsrolle sind der nach Gehirnerschütterung wieder genesene Stuttgart-Kapitän Wataru Endo und Schalke-Abwehrchef Maya Yoshida. Wenngleich Yoshida in Japan mitdemselben Vorwurf zu kämpfen hat, wie in Gelsenkirchen: zu alt, zu langsam, zu inkonstant. 

Doch Yoshida ist Moriyasus Kapitän und hat dank seiner Erfahrung mannschaftsintern ein ungebrochen hohes Standing. Takehiro Tomiyasu ist neben Daichi Kamada der größte Star im Team. Tomiyasu ist bei Premier League Tabellenführer Arsenal wichtiger Rotationsspieler. Tomiyasu ist zwar als Innenverteidiger ausgebildet worden, dank seiner Beidfüßigkeit und seinem guten Grundtempo kann er aber auf Vereinsebene und international als Rechtsverteidiger besser in Szene gesetzt werden.

Da die Außenverteidiger im japanischen System keinen überdurchschnittlich hohen Offensivdrang aufweisen, sondern viele Defensivaufgaben übernehmen müssen, ist der 24-jährige England-Legionär mit seinen Qualitäten als Abfangjäger und Zweikämpfer hier gut aufgehoben. Links hinten könnte mit Yuto Nagatomo ein langjähriger Serie A-Spieler (AC Cesena, Inter Mailand) sein Pendant geben.

Heißer Konkurrenzkampf

Der japanische Trainerstab beschloss, drei Schlussmänner nach Katar mitzunehmen. Eiji Kawashima gab 2008 sein Länderspieldebüt, genießt beinahe Legendenstatus und stand immerhin in 95 Partien zwischen den Pfosten. Für die Startelf ist er aber weder bei seinem Verein in Straßburg noch im Nationalteam ein Kandidat. Ein wichtiger Baustein für das Mannschaftsgenüge, auf dem grünen Rasen ist der 39-Jährige altersbedingt zu behäbig, um auf Spitzenniveau mitzuhalten.

Die Alternative könnte Daniel Schmidt heißen. Er ist mit 30 Jahren immerhin der jüngste Spieler innerhalb des nominierten Torhüter-Trios. Dass Schmidt einen überaus deutschen Namen hat, ist eher Zufall. Sein Vater wurde in Illinois geboren, vor etlichen Generationen war dessen Familie aus Deutschland in die USA ausgewandert. So viel dazu.

Schon am Wochenende absolvierte Teile der japanischen Elf das erste Training in Doha
Schon am Wochenende absolvierte Teile der japanischen Elf das erste Training in DohaProfimedia

In der belgischen Jupiler Pro League hat er sich einen guten Ruf erarbeitet, sein Verein VV St. Truiden vertraut ihm vollkommen zurecht. In der Vorsaison absolvierte er 31 Ligaspiele, in denen er dank guten Paraden 11-mal ohne Gegentor blieb. Schmidt weiß, wann er auf der Linie bleiben muss und wann er den ballführenden Gegenspieler attackieren muss. Allerdings verfügt er über eine geringe Fangsicherheit, was bei guter gegnerischer Strafraumbesetzung schnell zu einem Gegentor führen könnte.

Dritter Mann im Bunde ist Shuichi Gonda. Von kurzen Engagements in Österreich und Portugal abgesehen war Gonda immer in der J1 League aktiv. Ausgebildet wurde er beim FC Tokyo, aktuell steht er bei Shimizu S-Pulse unter Vertrag. Seine Stärke liegt in den Eins-gegen-Eins-Duellen. In der WM-Qualifikation war er für Hajime Moriyasu der bevorzugte Rückhalt. Trotz Schwächen am Fuß wird der Trainer in Katar voraussichtlich ihm den Vorzug geben.

Aussichten

Bevor Japan es im ersten Vorrundenspiel mit der DFB-Elf zu tun bekommt, absolvieren die Samurai am Donnerstag ein letztes Testspiel in Dubai. Der Gegner aus Kanada ist weniger hochkarätig und befindet sich bei der WM in Gruppe F in einer ähnlichen Ausgangsposition wie Japan in Gruppe E. Man ist Außenseiter, aber keineswegs chancenlos im Aufstiegskampf.

Die blauen Samurai wollen dieses Mal unbedingt ins Viertelfinale einziehen. Die Mannschaft steht für klassische Tugenden: Kämpfen bis zum Umfallen, individuelle Eitelkeiten dem Kollektiv unterordnen. Trotzdem ist zu befürchten, dass sich Gruppe E als zu schwierig herausstellen wird. Unsere Prognose: Japan wird eine gute Figur machen - aber keinesfalls zum Spielverderber werden. Das Aus in der Gruppenphase erscheint nicht unwahrscheinlich.

Der komplette japanische Kader

Tor: Shuichi Gonda (Shimizu S-Pulse), Eiji Kawashima (Racing Straßburg), Daniel Schmidt (VV St. Truiden)

Abwehr: Yuto Nagatomo (FC Tokio), Maya Yoshida (Schalke 04), Takehiro Tomiyasu (FC Arsenal), Hiroki Sakai (Urawa Red Diamonds), Shogo Taniguchi (Kawasaki Frontale), Ko Itakura (Borussia Mönchengladbach), Miki Yamane (Kawasaki Frontale), Hiroki Ito (VfB Stuttgart)

Mittelfeld: Wataru Endo (VfB Stuttgart), Hidemasa Morita (Sporting Lissabon), Ao Tanaka (Fortuna Düsseldorf), Daichi Kamada (Eintracht Frankfurt), Junya Ito (Stade Reims), Kaoru Mitoma (Brighton & Hove Albion), Takumi Minamino (AS Monaco), Yuki Soma (Nagoya Grampus), Gaku Shibasaki (CD Leganes), Takefusa Kubo (Real Sociedad), Ritsu Doan (SC Freiburg)

Angriff: Daizen Maeda (Celtic Glasgow), Takuma Asano (VfL Bochum), Ayase Ueda (Cercle Brügge), Shuto Machino (Shonan Bellmare)