"Jeder Sieg hilft!": Nagelsmann erklärt WM-Titel 2026 zum großen Ziel
Julian Nagelsmann hasst Niederlagen, sei es im EM-Viertelfinale oder daheim beim Kinder-Brettspiel. "Ich will auch beim 'Mensch ärgere Dich nicht' gewinnen", sagte der Bundestrainer vor dem Neustart seiner Nationalmannschaft im Umbruch, "sonst kann ich gleich auf meiner Couch fernsehen."
Lasches Daherzocken in der unpopulären Nations League wäre ihm ein Graus, mit einem Alpha-Mindset für den WM-Titel 2026 will er alle mitreißen: "Jeder Sieg hilft!"
Zwei Monate nach dem dramatischen Last-Minute-Aus erhebt Nagelsmann den damaligen Gegner Spanien zum Vorbild. "Sie haben zuerst die Nations League gewonnen und wurden dann Europameister", betonte der Bundestrainer inmitten eines längeren Statistik-Vortrags.
Sie haben sich wie Weltmeister Argentinien durch stetes Siegen in ein Gefühl der Unschlagbarkeit gespielt - und vielleicht gerade damit Deutschland den donnernden K.-o.-Schlag gesetzt.
WM-Titel 2026 das erklärte Ziel
Nagelsmann hat auch deshalb in seinem Zweijahresplan die erprobte starre Rollenverteilung aufgelöst. Konkurrenzdenken und Kampfgeist sollen geschürt werden, jeder hat sich schon gegen Ungarn am Samstag (20:45 Uhr/ZDF) in Düsseldorf zu fügen: Ob er Stammspieler ist, Ersatzmann oder Trainingsheißmacher.
"Ich will Enthusiasmus sehen", forderte der Bundestrainer - und keine "langen Gesichter". Nagelsmann hat offensiv gesagt, er wolle Weltmeister werden: "Wenn man mich dafür kritisiert, ist das verrückt."
Schließlich geht es um das Ausformen einer Titel-Gesinnung, um Habitus und Attitüde - während erzwungener Umbauarbeiten. Nach der Rücktrittswelle mit den Abschieden von Toni Kroos, Ilkay Gündogan, Thomas Müller und Manuel Neuer ist Joshua Kimmich der Kapitän.
Marc-Andre ter Stegen, den Nagelsmann vor dem Training am Freitag persönlich warm schoss, wird nach mehr als einem Jahrzehnt des Wartens die neue Nummer 1 eines "krass veränderten" Teams, wie das Mannschaftsratsmitglied Niclas Füllkrug richtig anmerkte.
Match-Center: Deutschland vs. Ungarn
Stolz und Leidenschaft
Das ist allerdings nur der personelle Wandel. Zugleich ist die Hierarchie flacher geworden, Sprachrohre fallen weg, andere werden nachrücken müssen. Der diesmal geschonte Antonio Rüdiger und Kai Havertz zum Beispiel, die das Kapitäns-Trio komplettieren. Eine neue Achse wird sich ebenfalls erst mit der Zeit einfinden - aber die hat Nagelsmann nach sehr hektischen ersten elf Monaten im Amt ja jetzt.
Der Tanz auf der Rasierklinge wird sein, dabei nicht das EM-Feuer erlischen zu lassen. "Es war wichtig, dass wir es geschafft haben, die Leute wieder zu bewegen und zu begeistern", sagte Kimmich, er sprach eindringlich von Stolz und Leidenschaft: "Das wollen wir weiter tun. Jeder hat Bock darauf. Diese Mannschaft kann schnell wachsen."
Wahrscheinlich muss sie es. "Gerade meine Generation hat nichts mehr zu verschenken", sagte Kimmich (29), die Jahrgänge 1995/96 haben schließlich noch keinen großen Titel gewonnen. Ter Stegen wäre auf der Bank beinahe grau geworden, er übernimmt von Neuer im Alter von 32 Jahren. "Es kam auch Frustration auf, wenn du immer wieder anläufst", verriet der Kapitän des FC Barcelona, "aber ich bin mir treu geblieben."
Das tut auch Nagelsmann, er wird an System und Personal zunächst nicht groß rütteln - warum auch? Es ist ohnehin eine Zeitenwende. "Das reicht vorerst mit den Veränderungen", sagte er, "wir werden jetzt nicht jedes Mal zehn neue Spieler einladen. Die Gruppe kennt sich, alles ist sehr vertraut." Einziger Neuling im 23er-Kader ist Angelo Stiller.
Suche nach dem Kroos-Nachfolger
Den EM-Teilnehmern gewährt Nagelsmann einen Bonus, der Stuttgarter Stiller ist wie Aleksandar Pavlovic (Bayern München) ein möglicher Kroos-Ersatz für die Zukunft. Kurzfristig aber werden Pascal Groß (33) und Robert Andrich (29) versuchen, die Lücke zu schließen. Im Sturm beginnt Füllkrug, Havertz wird etwas zurückgezogen.
"Wir wollen einen gewissen Stamm behalten Richtung WM, wir wollen nicht den ganzen Kader austauschen", sagte der Bundestrainer. Es gehe "ums Festigen". Personell, sportlich, taktisch - und für einen Geist des Gewinnens. Es muss ja nicht gleich beim Brettspiel gegen die eigenen Kinder sein.