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FlashFocus: Ukraine im Gefühlschaos - Geht bei der Goldenen Generation noch mehr?

Martin Jedlička / Eurofotbal
Die ukrainische Nationalmannschaft besteht zu großen Teilen aus Spielern der besten Ligen Europas.
Die ukrainische Nationalmannschaft besteht zu großen Teilen aus Spielern der besten Ligen Europas.ČTK / imago sportfotodienst / IMAGO
Die Ukraine macht schwierige Zeiten durch, und die Leistungen ihrer Sportstars sind für das kriegsgebeutelte Land ein Moralbooster. Während die ukrainischen Athleten bei den kürzlich beendeten Olympischen Spielen ihre Mitbürger stolz machten, blieb die Fußballmannschaft der Männer bei der EURO 2024 hinter den Erwartungen zurück. Obwohl die Osteuropäer über eine der stärksten Generationen aller Zeiten verfügt, kann sie ihr ganzes Potenzial bislang noch nicht ausschöpfen.

Das Ausscheiden in der Gruppenphase der diesjährigen Europameisterschaft war für die Ukraine enttäuschend. Das mit jungen Stars gespickte Team, das durch erfahrene Führungsspieler ergänzt wurde, konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Obwohl sie in einer Gruppe mit Rumänien, Belgien und der Slowakei vier Punkte holte, belegte sie den letzten Platz und war damit die wohl unglücklichste Mannschaft, die es nicht in die K.O.-Runde schaffte.

Das letzte Mal, dass die Nationalmannschaft die Fans stolz gemacht hat, ist drei Jahre her. Unter der Führung der größten Legende des ukrainischen Fußballs, Andriy Shevchenko, erreichte die Mannschaft bei der Europameisterschaft das Viertelfinale, doch seitdem ging es mit den Ergebnissen der Ukraine bergab. Die Legende trat nach einer erfolgreichen Europameisterschaft als Trainer zurück, und eine andere Legende der vorherigen Generation - Sergiy Rebrov - übernahm nach der gescheiterten Amtszeit von Oleksandr Petrakov die Geschicke.

Nach einem Jahr auf der Bank und einer glanzlosen Europameisterschaft genießt er immer noch das Vertrauen des Verbands und wird die Nationalmannschaft in die laufende Nations League führen. Das Vertrauen von Rebrov wurde vom Komitee des ukrainischen Fußballverbands ausgesprochen, dem seit Anfang des Jahres der langjährige Teamkollege und Freund des Trainers, nämlich genau dieser Shevchenko, vorsteht. Die Bewährungszeit dürfte jedoch nicht endlos sein. Die Ukraine ist der Favorit in ihrer Gruppe in der Nations League, und es werden von Beginn an Ergebnisse erwartet.

Die UEFA Nations League B-Gruppe der Ukraine
Die UEFA Nations League B-Gruppe der UkraineFlashscore

Ein Kader voller Talente

Rebrov hat bei seinem Amtsantritt keinen völligen Umbruch moderieren müssen. Eine Reihe von jungen Spielern wurde bereits in die Nationalmannschaft integriert, sodass nur eine Handvoll ehemaliger Stammspieler seine Ankunft nicht überlebt hat. Die auffälligsten Namen, die nicht mehr im Kader stehen, sind die ukrainischen Nationalspieler Oleksandr Karavaev von Dynamo Kiew und Oleksandr Zubkov von Shakhtar Donetsk.

Spieler aus der heimischen Liga sind im Allgemeinen seltener im Kader der Nationalmannschaft vertreten. Ein Grund dafür ist zweifellos der bewaffnete Konflikt in der Ukraine, der dazu führt, dass Stars, die sich in der heimischen Liga bisher wohl fühlten, ins Ausland abwandern. Der andere ist der Korruptionsfall des ehemaligen Verbandsvorsitzenden Andriy Pavelko, seines Zeichens Vorgänger von Shevchenko im Verband.

Spieler aus den größten europäischen Ligen sind das Rückgrat von Rebrovs Team. Angefangen im Tor: Dort kämpfen zwei junge, talentierte Schlussleute um die Position der Nummer eins. Bis vor kurzem hatte Andriy Lunin, der die Torwartkrise bei Real Madrid ausnutzte und einen großen Teil der letzten Saison spielte, den Vorteil. Doch genau wie bei den Königlichen ist er nun auch in der Nationalmannschaft wieder ins zweite Glied gerückt.

Bei der Europameisterschaft wurde Lunin nach dem ersten schlechten Spiel gegen Rumänien durch Benfica-Torhüter Anatolii Trubin ersetzt. Da Trubin im Gegensatz zu Lunin nun für seinen Verein regelmäßig spielt, ist davon auszugehen, dass er auch seinen Platz in der Nationalmannschaft behalten wird.

Der fünfundzwanzigjährige Lunin und der dreiundzwanzigjährige Trubin gehören zu einer starken ukrainischen Generation, die ebenso von Oleksandr Zinchenko geprägt wurde. Der 27-jährige linke Außenverteidiger (oder zentrale Mittelfeldspieler) spielte fünf Jahre lang bei Manchester City, mit dem er vier englische Titel gewann. Heute spielt er für Arsenal, wo er ein wichtiger Bestandteil des Kaders von Mikel Arteta ist.

Zinchenko ist ein fester Begriff im europäischen Fußball und in den letzten Jahren bekam er in der Kreativzentrale Zuwachs. Der Transfer von Mykhailo Mudryk von Shakhtar Donetsk zum FC Chelsea im vergangenen Januar sorgte für großes Aufsehen. Mudryk wurde zu einer der teuersten Neuverpflichtungen in der Geschichte des Londoner Klubs, und obwohl er bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, steht sein Talent außer Frage.

Komplettiert wird die Riege der größten und talentiertesten Stars durch das Duo Viktor Tsygankov und Artem Dovbyk, die beide einst bei Girona spielten. Während Ersterer nach einer erfolgreichen Saison für die Katalanen in der Champions League spielen wird, wurde Dovbyk, immerhin Torschützenkönig von La Liga, im Sommer zum AS Rom transferiert. Kurzum, die ukrainische Nationalmannschaft verfügt zweifellos über Qualität. Warum also stimmen die Ergebnisse nicht mit dieser Qualität überein?

Eine Liga, die (verständlicherweise) leidet

Der bereits erwähnte anhaltende Krieg auf ukrainischem Gebiet erschwert das tägliche Leben der ukrainischen Bürger, sodass es nicht verwunderlich ist, dass er sich auch auf die Qualität der nationalen Fußballwettbewerbe auswirkt.

Traditionell hat die Ukraine vom Zusammenspiel der Spieler von Shakhtar Donetsk und Dynamo Kiew in der Nationalmannschaft profitiert, doch in der aktuellen Situation sind die Spieler dieser Mannschaften eher eine Ergänzung zu den bekannteren Namen. Der einzige junge Spieler aus der Liga, der regelmäßig in der Startformation der Nationalmannschaft steht, ist Heorhii Sudakov.

Ansonsten ist die Liga im Kader der Nationalmannschaft hauptsächlich durch erfahrene Profis vertreten, allen voran Taras Stepanenko und Andriy Yarmolenko. In der Innenverteidigung ist noch Mykola Matvienko von Shakhtar Donetsk zu nennen. Die großen Ligen haben sich für ihn interessiert, aber der 28-jährige Verteidiger bleibt dem Verein treu, der ihn in den Profifußball gebracht hat.

Im Aufgebot für die kommenden Spiele der Nations League gegen Albanien und die Tschechische Republik stehen 14 Namen aus der ukrainischen Spitzenliga. Abgesehen von den erwähnten Fällen spielen sie jedoch meist die Rolle von Jokern, und das dürfte sich auch in den Spielen im September nicht ändern.

Die nächsten Spiele der Ukraine
Die nächsten Spiele der UkraineFlashscore

Rebrov vertraut weiterhin auf die Stammspieler

In gewisser Weise hatte die Ukraine bei der Europameisterschaft Pech. Mit vier Punkten nicht aus der Gruppe herauszukommen, ist im aktuellen Turnierformat eigentlich eine Garantie für das Weiterkommen. Doch die Leistungen legten nahe, dass diese vermeintlich Goldene Generation ihr Potenzial noch nicht ausschöpft.

Vor allem das erste Spiel gegen Rumänien, das mit 0:3 verloren ging, war eine Katastrophe. Gegen die Slowakei wurde die Ukraine ihrer Favoritenrolle gerecht, doch Roman Yaremchuk rettete seine Mannschaft erst zehn Minuten vor Ende zum 2:1-Sieg. Das anschließende torlose Unentschieden gegen Belgien zeigte, welches Potenzial in Rebrovs Team steckt. Dieses Potenzial wird jedoch zu selten in Qualität umgesetzt.

Es stimmt, dass Rebrov nicht aus einem riesigen Fundus schöpfen kann. Die Ukraine verfügt zwar über Starspieler, kann diese aber bei Abwesenheit oder nachlassender Form nicht vollständig ersetzen. Die Breite der Auswahl ist das größte Problem des Nationaltrainers, und so unterscheidet sich der Kader für die ersten Spiele der Nations League trotz des verpatzten Sommers nicht wesentlich von dem für die Euro. Aufgrund einer Verletzung wird nun auch noch kurzfristig Top-Torjäger Dovbyk fehlen.

Am Samstag, den 7. September, bestreitet die Ukraine ihr Heimspiel gegen Albanien in Prag, Tschechien. Nur drei Tage später spielt die Ukraine erneut in Prag gegen die Tschechische Republik. Diese beiden Spiele in derselben Stadt sind eine gute Gelegenheit für Rebrovs Ukraine, der Welt zu zeigen, wie gut sie sein kann.

Zum Match-Center: Ukraine vs. Albanien