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Spitzenteam statt graue Maus: Aston Villa auf dem Weg nach ganz oben

Micha Pesseg
Aston Villas Erfolgscoach Unai Emery.
Aston Villas Erfolgscoach Unai Emery.Profimedia
Innerhalb weniger Tage schlug Aston Villa sowohl Manchester City als auch den FC Arsenal mit 1:0. Die Mannschaft von Trainer Unai Emery ist die große Überraschung der laufenden Premier League Saison und hat realistische Chancen, im kommenden Jahr in der UEFA Champions League antreten zu dürfen.

Mit vier Titeln ist Unai Emery Rekordsieger der UEFA Europa League. In Frankreich trainierte der 52-Jährige das Starensemble von Paris SG und führte es 2017/18 erwartungsgemäß zur französischen Meisterschaft.

Als Emery im November 2022 das Traineramt bei Aston Villa von Steven Gerrard übernahm, herrschte in vielen englischen Medien dennoch eine gewisse Skepsis. Fans der Premier League war er aus seiner Zeit beim FC Arsenal in Erinnerung. Ein Titel blieb ihm mit den Gunners jedoch verwehrt. Der Punkteschnitt von 1,85 entsprach nicht den hohen Erwartungen, mitten in der Saison 2019/20 musste er das Emirates verlassen.

Dass der Spanier auf einen Dolmetscher verzichtete und Fragen trotz eines ausgeprägten Akzents vorzugsweise auf Englisch beantwortete, sorgte seltsamerweise nicht für Bewunderung, sondern für hämischen Spott. In England hatte man Emery fälschlicherweise nicht als taktisches Genie, sondern als Witzfigur in Erinnerung. Ein krasser Fehler.

Mit 35 Punkten aus den ersten 16 Spielen klopft der 1874 gegründete Traditionsverein aus Birmingham an der Tabellenspitze an. Auf Spitzenreiter Liverpool haben die Villans nur zwei Punkte Rückstand. 

Aston Villa spielt ganz oben mit.
Aston Villa spielt ganz oben mit.Flashscore

Zuerst City, dann Arsenal

Unter der Woche fügte man Manchester City eine 1:0-Niederlage zu. Das knappe Ergebnis spiegelt die eigentlichen Kräfteverhältnisse kaum wider. Die Citizens waren völlig chancenlos, brachten nur zwei Schüsse aufs gegnerische Tor und ließen ihrerseits 22 Torschüsse zu. Selten in seiner Trainerlaufbahn war das ausgetüftelte System Pep Guardiola derart krachend gescheitert wie am vergangenen Mittwoch.

Unumwunden gab Guardiola zu, dass Aston Villa “fantastisch” gespielt habe: “Wir hatten Probleme, unser Passspiel und in den richtigen Momenten aggressiv zu sein. Das bessere Team hat gewonnen.” Erstaunliche Worte, die Emery sehr gefreut haben dürften. Im Februar 2019 outete er sich als großer Bewunderer von Peps Arbeit: “Ich habe viele Mannschaften und Trainer analysiert und ich denke, es ist schwierig, einen Trainer zu finden, der besser ist als Guardiola.”

Wenn der Schüler den Meister besiegt...
Wenn der Schüler den Meister besiegt...Profimedia

Am Samstag sägte Aston Villa den nächsten Titelkandidaten ab, das Heimspiel gegen den FC Arsenal wurde ebenfalls mit 1:0 gewonnen. Bereits in der 7. Minute besorgte John McGinn den entscheidenden Treffer. Danach konzentrierten sich die Gastgeber vorrangig darauf, die Führung zu verwalten - mit Erfolg.

Unai Emery war danach voll des Lobes für seine Mannschaft: "Unser Torwart war fantastisch. (...) Wir haben sehr gut verteidigt und gekämpft. Das sind fantastische drei Punkte. Es war eine harte Woche. Über diese drei Punkte müssen wir glücklich sein, wir müssen versuchen, weiterhin die Balance zu halten.” Titelambitionen hat man trotz der überraschenden Ergebnisse keine. Stattdessen visiert man beim Drittplatzierten der englischen Premier League die Qualifikation für die UEFA Champions League an.

Wie jeder englische Erstligist verfügt Aston Villa über enorme finanzielle Mittel. Vergangenen Sommer zahlte man für den wieselflinken Flügelspieler Moussa Diaby 55 Millionen Euro an Bayer Leverkusen und 33 Millionen Euro an Villarreal, um Innenverteidiger Pau Torres auf die Insel zu lotsen. Zudem kam der belgische Mittelfeldstratege Youri Tielemans ablösefrei vom Absteiger Leicester City. Vor allem Torres und Tielemans sind aus der Mannschaft kaum wegzudenken.

Unai Emery und die Liebe zum Detail

Der Grundstein für die unerwarteten Erfolge wurde aber nicht am Transfermarkt gelegt, sondern auf dem Trainingsplatz. Ehemalige Wegbegleiter beschreiben Unai Emery häufig als “Perfektionisten”. Ein Eindruck, den auch Villas achtfacher Saisontorschütze Ollie Watkins unterschreiben würde: “Er sagt dir, wie du spielen sollst, wo du stehen musst und wie du das Beste aus deinem Spiel herausholen kannst. Das ist wirklich wichtig."

Aus Ollie Watkins hat Unai Emery viel verstecktes Potenzial herausgekitzelt.
Aus Ollie Watkins hat Unai Emery viel verstecktes Potenzial herausgekitzelt.AFP

Unai Emery hat eine große Liebe zum Detail, berüchtigt sind seine stundenlangen Video-Analysen. Als Formation bevorzugt der aus dem Baskenland stammende Coach ein  4-2-3-1 oder 4-4-1-1. Aggressives Forechecking spielt in seinem System eine große Rolle, aber Emerys Spielidee darauf zu reduzieren, wäre ein Fehler. Längst hat er seinen Pragmatismus unter Beweis gestellt. Gegen starke Teams - wie ManCity oder Arsenal - zieht sich Aston Villa etwas tiefer in die eigene Hälfte zurück und setzt vorzugsweise auf schnelle Konter.

Zudem installierte Unai Emery bei seinem Team die wohl effektivste Abseitsfalle der Welt. Laut “The Athletic” stellt Aston Villa den Gegner durchschnittlich fast fünfmal pro Spiel ins Abseits - ligaweit ein Spitzenwert. 

Ein weiteres Puzzlestück für den Erfolg ist Douglas Luiz. Der zentrale Mittelfeldspieler reifte in den vergangenen Wochen zu einem Spitzenspieler heran und kommt in der laufenden Saison auf eine Passquote von über 85 Prozent.

Douglas Luiz ist einer der zentralen Bausteine bei Aston Villa.
Douglas Luiz ist einer der zentralen Bausteine bei Aston Villa.AFP

Der Brasilianer ist sowohl defensiv wie offensiv gefordert. Im Abwehrverhalten entlastet er die beiden Innenverteidiger, bei eigenen Angriffen unterstützt er seine Mitspieler und stellt durch seine intelligenten Läufe häufig Überzahl in Ballnähe her.

Es ist kein Zufall, dass Aston Villa in der Premier League ganz oben anklopft. “Wir stehen dort, weil wir es verdienen”, erklärte auch Unai Emery. Dass sein Team immer mehr in den Fokus der Medien gerät, ist für den Mastermind des Erfolgs absolut verständlich: “Es wird mehr über uns gesprochen. Aber ich werde den Jungs, den Medien und den Fans weiterhin dieselbe Botschaft vermitteln. Wir müssen uns darüber freuen, wir müssen motiviert bleiben.”