Rechtsverteidiger Joshua Kimmich: Wie einst Weltmeister Lahm
Joshua Kimmich überließ nichts dem Zufall. Flankenläufe über die rechte Seite, Ballannahmen auf der neuen, alten Position - und das alles auf dem Fußball-Platz, wo einst schon der vielleicht beste deutsche Rechtsverteidiger überhaupt das Kicken lernte. Auf der Sportanlage des FT Gern, dem Heimatverein von Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm, holte sich der Bayern-Profi den Feinschliff für seine EM-Rolle. Und zwar in Eigeninitiative.
Kimmich engagierte für seine Einheiten laut Bild-Zeitung private Trainer von der "Münchner Fußballschule". Alles für das große Ziel, sich zum Start des EM-Jahres mit dem Länderspiel in Lyon gegen Frankreich (21 Uhr/LIVE in der Flashscore Audioreportage) bestmöglich vorbereitet zu präsentieren. Die ersten Früchte dieser Extraschichten waren zuletzt schon beim FC Bayern zu sehen.
Dort wurde der 29-Jährige - wie nun in der Nationalmannschaft - von Trainer Thomas Tuchel bereits Ende Februar nach hinten rechts gezogen und fremdelte zunächst mit der bekannten Rolle. Zuletzt aber zeigte Kimmich sich dort deutlich verbessert. "Joshua hat in seiner Karriere bewiesen, dass er ein herausragender Rechtsverteidiger sein kann", sagte Mitspieler Leon Goretzka: "Ich kenne keinen Rechtsverteidiger auf der Welt, der auf dieser Position so viel Einfluss auf das Spiel haben kann."
Vorschau Frankreich vs. Deutschland
Nagelsmann: Kein direkter Zusammenhang mit Kroos-Rückkehr
Das liegt auch daran, dass Kimmich, der ewige Ehrgeizling und Mann mit dem Helfersyndrom, über Jahre in der Mittelfeldzentrale zu Hause war. Doch zu Beginn seiner DFB-Karriere oder beim Münchner Champions-League-Triumph 2020 zeigte er seinen großen Wert auch hinten rechts als Lahm-Erbe. Im DFB-Team rückte er nach dem WM-Desaster 2018 und dem Abschied von Sami Khedira aber in die Mitte, wo er mit Ausnahme der EM 2021, für die Joachim Löw auf ein 3-5-2 mit Kimmich als Schienenspieler umstellte, über Jahre gesetzt war. Die Position rechts hinten blieb eine Baustelle.
Löws Nachfolger Hansi Flick konnte sie nicht schließen und entschied sich in einer Panikaktion vor dem Gruppenfinale bei der WM 2022, Kimmich doch wieder nach hinten zu ziehen - das peinliche Aus konnte er so nicht verhindern. Und auch seinen Job verlor Flick bald - nach einem blamablen 1:4 gegen Japan, in dem er Kimmich erstmals seit Katar wieder als Verteidiger aufgeboten hatte.
Als ihm Julian Nagelsmann als Bundestrainer folgte, schien Kimmich wieder als Mittelfeld-Dirigent gesetzt. Doch nach den Ohrfeigen im November plante Nagelsmann um: Er holte Toni Kroos fürs Zentrum zurück - und schob Kimmich erneut nach außen.
"Er hätte im Übrigen auch rechts hinten gespielt, wenn Kroos nicht zurückgekehrt wäre", sagte Nagelsmann und stellte klar: "Bei der Nationalmannschaft muss man sich unterordnen. Da ist man ein Diener für sein Land. Kimmich ist das."
In der Tat: "Ich habe noch nie gesagt, dass mir das keinen Spaß macht oder ich das nicht spielen möchte", sagte Kimmich im Januar und betonte: "Ich liebe es, auf dem Platz zu sein. Und dann ist es für mich zweitrangig, wo ich spiele."