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ÖFB-Team ist „wie eine Familie“: Michael Gregoritsch im Interview mit Jan Morávek

Interview von Jan Morávek / red. Arbeit von Claas Becker
Michael Gregoritsch im exklusiven Flashscore-Interview mit Jan Morávek.
Michael Gregoritsch im exklusiven Flashscore-Interview mit Jan Morávek.Profimedia/Flashscore
Michael Gregoritsch gab im September 2016 sein Debüt für die österreichische Nationalmannschaft und vertritt die ÖFB-Auswahl nun auch bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Die meisten Spiele seiner Karriere absolvierte der 30-Jährige für den FC Augsburg. Dort traf der gebürtige Grazer auch auf Jan Morávek, dreimaliger tschechischer Nationalspieler und Flashscore-Experte. Im Interview mit seinem Ex-Teamkollegen spricht Gregoritsch über die österreichische Nationalmannschaft, Rangnicks Bayern-Trubel und die besondere Rolle von David Alaba.

Jan Morávek: Die Bilanz ist beeindruckend: 25 Spiele, davon 15 Siege, vier Unentschieden und nur sechs Niederlagen - dazu ein Torverhältnis von 46:25. Du weißt wahrscheinlich schon, worüber ich spreche: Das ist Österreichs Bilanz unter Ralf Rangnick. Er hat mich auch einmal kurz trainiert, leider aber nur ein paar Monate, deshalb interessiert es mich: Was hat er verändert, im Vergleich zum vorherigen Trainer? Wo siehst du die Unterschiede? Wie ist dein Verhältnis zum Trainer?

Michael Gregoritsch: Er ist vor zwölf Jahren nach Salzburg gekommen und hat da den österreichischen Fußball komplett verändert. Mit dem Fußball, den er in Salzburg hat spielen lassen, hat er die Jugend so maßgeblich beeinflusst, dass viele Spieler, die zu den Profis aufgerückt sind, sein Spiel bereits verinnerlicht hatten. Wenn du aus 500 Spielern auswählen kannst und 15 davon dein Spiel schon von klein auf kennengelernt haben, dann hat man jetzt den großen Vorteil, dass jeder weiß, was er tun muss.

Er gibt total klare Anweisungen, er ist total freundlich mit allen Spielern und er gibt uns sehr viele Freiheiten außerhalb vom Platz, weil er sagt: ‚Ihr müsst auf dem Platz eigene Entscheidungen treffen, also könnt ihr auch außerhalb vom Platz eigene Entscheidungen treffen und machen was ihr wollt. Hauptsache ihr trainiert gut.‘ Deswegen habe ich auch ein super Verhältnis zu ihm, die ganze Mannschaft ist super glücklich und er hat einen Teamgeist geschaffen, den es zwar so in der Art schon gab, aber nicht so krass wie jetzt.

Früher war es in Österreich so: Wenn du zweimal gewonnen hast, warst du Weltmeister, und wenn du zweimal verloren hast, dann bist du die schlechteste Mannschaft in der Geschichte gewesen. Und er hat es hinbekommen, dass wir jetzt zweimal gewinnen und dann noch zweimal gewinnen wollen und dann nochmal. Er hat mit uns zusammen in ganz Österreich eine Euphorie aufgebaut, die es so noch nie gegeben hat.

Über Rangnick-Verbleib "sehr, sehr gefreut"

Wie hast du den Flirt zwischen Ralf Rangnick und den FC Bayern wahrgenommen? Was war dein Gefühl bei der Thematik?

Ich habe nie geglaubt, dass er das macht. Es hat mich immer überrascht, wenn nach zwei Wochen Verhandlungen eine neue Meldung gekommen ist: ‚Die sind sich einig.‘ Das dauerte mir zu lange. Mit Bayern München verhandelst du nicht so lange, wenn du die Möglichkeit hast, da hinzugehen.

So wie er mit uns spricht, so wie er sich bei uns wohlfühlt, so wie ich das erlebt habe, habe ich immer geglaubt, dass er gerne bei uns bleiben würde. Gott sei Dank hat sich das bestätigt. Als ich von der Nachricht gehört habe, habe ich ihm sofort geschrieben. Ich habe mich da sehr, sehr drüber gefreut.

Michael Gregoritsch kommt hervorragend mit Ralf Rangnick aus.
Michael Gregoritsch kommt hervorragend mit Ralf Rangnick aus.Profimedia

Du spielst schon lange in Deutschland: Wie speziell oder auch besonders ist es, jetzt hier ein großes Turnier wie die Europameisterschaft zu spielen?

Das ist unglaublich! Generell ein Turnier zu spielen, ist für mich sehr, sehr speziell. Dieses Mal ist es besonders speziell, weil wir hier sind. Jeder spricht die Sprache, ich lebe seit zwölf Jahren hier und meine ganze Familie und alle meine Freunde sind da.

Mein Vater (Werner Gregoritsch, Trainer der österreichischen U21, Anm. d. Red.) hat zum ersten Mal ein Länderspiel von mir von Anfang an gesehen. Ich habe zwar schon meine 55-60 Länderspiele, aber er hat meistens immer gleichzeitig gespielt und das ist für mich ganz besonders. Ich kann das sehr wertschätzen, denn wie viele Turniere kann man als Österreicher in seinem Leben spielen? Wenn es hoch kommt vielleicht vier? Meine Familie und Freunde waren jetzt fünf Tage für die ersten beiden Gruppenspiele komplett in Berlin. Das ist sehr, sehr schön.

Für dich ist es das zweite große Turnier, nachdem du bei der Europameisterschaft 2020 gegen Nordmazedonien sogar ein Tor geschossen hast. Wie sind die Unterschiede von damals zu heute?

Das ist kaum zu vergleichen, weil wir mit Corona kaum Fans da hatten. Wir haben damals ja noch gemeinsam in Augsburg gespielt, das war keine leichte Zeit für mich. Eigentlich war das etwas Glück, dass ich diese EM spielen durfte. War auch geil, war super, aber nun mal anders als jetzt.

Jetzt hat man ein bisschen mehr Euphorie. Du bekommst die Fanzonen und Fanmeilen mit, alle Leute schauen und diese Euphorie entsteht ja nur, wenn Fans da sind. Wenn keine Fans da sind, dann kann keine Euphorie entstehen. Vor dem Turnier dachte ich, dass es auch cool, aber ähnlich wird. Jetzt muss man aber schon sagen: Das ist sehr, sehr besonders.

Familiäre Beziehung für Spielstil entscheidend

Euer Kader ist eine sehr gute Mischung aus euch Älteren – Sabitzer, Arnautovic, Kainz, Trauner und auch dir – und vielen im Alter von 25 bis 27 Jahren. Wie funktioniert das Mannschaftsgefüge?

Dadurch, dass es nicht so einen großen Unterschied zwischen der einen Generation und der nächsten gibt, spielen wir alle schon fünf Jahre zusammen. Seit 2019/2020 sind diese ganzen Spieler wie Baumgartner, Laimer, Schlager, Danso, Wöber und auch Posch schon da. Da ist wirklich eine Familie entstanden. Als ich nach Augsburg gekommen bin – erinnerst du dich vielleicht auch noch dran – waren wir auch eng und haben viel gemeinsam gemacht, aber das ist nicht mal die Hälfte davon, was für eine Familie das hier ist. Es ist wirklich eine Gruppe von Freunden.

Und das ist am Ende auch wieder für unseren Spielstil entscheidend, weil jeder weiß, dass der Nebenmann alles für den anderen gibt. Es ist sehr wichtig, dass du dich auf deinen Nebenspieler verlassen kannst.

In der österreichischen Nationalmannschaft versteht man sich als Familie.
In der österreichischen Nationalmannschaft versteht man sich als Familie.AFP

Ralf Rangnick hat eine klare Spielidee, die ihr gut umzusetzen scheint und damit schließlich auch die schwierige Gruppe D gewonnen habt. Ist das 4-2-3-1 eine feste Formation oder variiert ihr auch mal?

Ganz zu Beginn haben wir mit einer Dreierkette gespielt, aber wir spielen auch manchmal mit zwei Stürmern. Das haben wir auch ein paar Mal in der Qualifikation zur Europameisterschaft mit Arnautovic und mir gespielt. Generell haben wir das häufiger mal gemacht.

Aber so wie das System jetzt ist, ist es total in Ordnung und das passt auch. Der Trainer passt das immer komplett auf den Gegner an.

Alaba auch als Betreuer essenziell

David Alaba kann euch dieses Mal nicht als Spieler, sondern nur als Betreuer unterstützen. Wie findest du seine Rolle? Wie wichtig ist er?

Ich glaube, dass das für die Mannschaft sehr, sehr wichtig ist. Und ich denke, dass wusste auch jeder, dass es wichtig ist, dass er dazu kommt. Er ist wirklich ein ganz, ganz toller Mensch und der beste Spieler, mit dem ich je gespielt habe. Aber er ist sicher auch der beste Anführer, mit dem ich je gespielt habe. Es ist unglaublich, was für eine Wirkung er auf die Mannschaft haben kann. Er will immer gewinnen.

Wenn er jetzt an der Seite steht, es spielt rot gegen blau und er pusht eine Mannschaft, dann kannst du dir sicher sein: Das Training geht in die Luft. Das wird so intensiv, so stark und so gut. Das kann er vermitteln und das ist sicher die beeindruckendste Eigenschaft, die ich bei einem Spieler je gesehen habe.

Er will immer gewinnen. Das heißt nicht, dass er nicht verlieren kann, aber wenn er gewinnen will, dann gewinnt er auch. Ich glaube er hat noch nie ein Trainingsspiel, das er gewinnen wollte – und er will eigentlich jedes Trainingsspiel gewinnen –, nicht gewonnen. Das ist unfassbar.

Das ist schon sehr spannend und deswegen ist es auch so wichtig, dass er dabei ist. Er hat jetzt nicht die große Aufgabe mit Taktik oder ähnlichem, aber er ist da und das gibt einigen ein sehr gutes Gefühl.

Euer nächster Gegner ist die Türkei. Schauen wir zurück zum 26. März nach Wien: 6:1 für Österreich, du schießt einen Hattrick und nun spielt man gut drei Monate später wieder gegen die Türkei. Probiert man den gleichen Spielplan nochmal oder wie geht ihr das Spiel an?

Für uns ist es auf jeden Fall besser, dass wir das Spiel 6:1 gewonnen und nicht 1:6 verloren haben. Aber das ist – das weißt du auch – häufig am Gefährlichsten. Man kann nicht sagen: ‚Das war nur ein Testspiel‘, denn Länderspiele sind immer hart und jeder will sie gewinnen.

Ich glaube, dass das gefährlich sein kann, aber ich glaube auch, dass unsere Mannschaft stabil genug im Kopf ist, damit es gut funktionieren kann. Wir haben eine gute Mannschaft, wir haben ein gutes Mindset: Wir können gut sein, wenn wir alles abrufen, was wir auf den Platz bringen müssen.

Ergebnis: Österreich vs. Türkei - 26. März 2024
Ergebnis: Österreich vs. Türkei - 26. März 2024Flashscore

Ihr hattet zwei kurze Anreisen zu den beiden Spielen in Berlin, nach Düsseldorf seid ihr geflogen und dann geht es für euch am Dienstag in Leipzig ran. Spürt man da als Spieler, dass sich der Verband bei der Wahl des EM-Quartiers (Schlosshotel Grunewald in Berlin, Anm. d. Red.) Gedanken gemacht hat?

Top, top, top. Hotel super, Stadt super. Du hast zwei Heimspiele und musst nicht reisen. Die Familien waren alle hier um die Ecke. Das war wirklich super.

Denkst du, dass der österreichische Höhenflug auch etwas mit der österreichischen Liga zu tun hat? Wie schätzt du die ein? Wie entwickelt sich in deinen Augen das Niveau? Was traust du Sturm Graz und Salzburg in der Champions League zu?

Unsere Liga ist klar besser geworden. Es sind viele bessere Spieler nach Österreich gekommen. Ich denke aber nicht, dass eine österreichische Mannschaft in Zukunft international eine gute Rolle spielen wird. Das ist mit dem neuen System einfach zu schwer.

Aber trotzdem: Die österreichische Liga ist super, wie haben einige Spieler dabei, die sind alle sehr gut. Da gibt es kaum Leistungsabfall zu den Spielern, die schon lange im Ausland sind. Die junge Generation ist vor allem auch fleißig, jeder einzelne von denen will besser werden und hört zu. Und das ist wichtig, dass sie es so machen wollen, um besser zu werden.

Mit Blick auf das gesamte Turnier: Welche drei Spieler haben dich am meisten beeindruckt?

Nico Williams zu 100 Prozent. Dann ist Nicolae Stanciu von Rumänien, der das Tor gegen die Ukraine geschossen hat, ein sehr guter Spieler. Aebischer von der Schweiz hat mir auch gut gefallen. Viele gute Spieler in diesem Jahr.