Mittelstädt und Kimmich: Bundestrainer hat "große Erwartungshaltung"
Ein Trainer, sagte Julian Nagelsmann, brauche Fantasie. Heißt: Wenn er auf einer Position Not hat, muss er um die Ecke denken - und auch mal einen Zehner zum Rechtsverteidiger oder einen Flügelstürmer zum Neuner umschulen. Zum Beispiel Kai Havertz.
Im November überraschte Nagelsmann die Fußball-Welt damit, den gelernten Offensivspieler nach hinten links zu verschieben. "Da war das Feedback der Journaille nicht so positiv", erinnerte sich der Bundestrainer jetzt. Er sei allerdings "nach wie vor der Meinung, dass der Spieler das sehr gut kann".
Havertz muss jedoch nicht fürchten, bei der EM noch einmal zurückgezogen zu werden. Der Bundestrainer verfolgt mit Maximilian Mittelstädt und Joshua Kimmich auf den defensiven Außen inzwischen einen etwas konservativeren Ansatz - und hat damit das langjährige Problem der Anfälligkeit auf den Flanken vorerst gelöst. Dabei sind Mittelstädt und Kimmich nicht aufs Verteidigen beschränkt, Nagelsmann hat ihre Rollen durchaus neu definiert.
Nagelsmann hat "große Erwartungshaltung"
Wie genau, das erläuterte der Bundestrainer in einem Fach-Referat über 2:26 Minuten vor dem Ungarn-Spiel (2:0). Als er noch Klubtrainer gewesen sei, hätten alle seine "Joker", wie er die Außenverteidiger oder Schienenspieler nennt, "sechs, sieben Tore gemacht pro Jahr, da habe ich schon eine große Erwartungshaltung".
Mittelstädt und Kimmich sind nicht ganz so torgefährlich wie Havertz, dennoch müssen sie laut Nagelsmann "den Raum auf den Flügeln" nach vorne nutzen. Schließlich sei es im modernen Fußball so: "Immer mehr Mannschaften verdichten extrem das Zentrum." Weil sie auf Sicherheit bedacht sind, lenken sie das Spiel nach außen, wo die Gefahr für Gegentore geringer ist.
Das schafft Platz für Nagelsmanns "Joker", die er aber nicht an der Linie kleben sehen will. Es ist ihm "wichtig", dass die Außenverteidiger "die Fähigkeit haben, ins Zentrum zu kommen und auf einer zentraleren Position spielen zu können". Das gilt besonders für Kimmich, den es immer schon in die Mitte zieht.
Kimmich hat Spaß mit seiner neuen Rolle
Rechts hinten, sagte Kimmich der SZ, sei "eine total spannende Position, du kannst sie von außen spielen, du kannst sie auch mal aus der Mitte spielen, du kannst Torchancen kreieren. Allerdings ist es auch oft so, dass du es mit den besten Leuten des Gegners zu tun bekommst." Dann ist Flexibilität gefragt - und ein gutes Miteinander. Kimmich muss sich an den Offensiven vor ihm orientieren. "Stehen sie breiter und besetzen den Raum bis zur Außenlinie, gehe ich mehr in die Mitte", sagte er.
Weil die DFB-Elf das Spiel mit einer Dreierkette bestehend aus Toni Kroos und den beiden Innenverteidigern aufbaut, sind Mittelstädt und Kimmich außerdem wichtige Anspielstationen für Sechser Robert Andrich. Mittelstädt kommt überdies die Rolle zu, Kroos bei Kontern abzusichern.
"Da muss man eine gute Balance finden", sagte er, "wenn wir den Ball in der Mitte verlieren und ich hoch stehe, ist der Weg nach hinten weit." Dann ist nicht nur Fantasie gefragt.
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