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Ideenlosigkeit und nur ein Sieg: Enttäuschende Gruppenphase der Engländer

Thomas Kreitinger / Opta Data Insights
Harry Kane kann mit der Leistung von sich und seiner Mannschaft noch nicht zufrieden sein.
Harry Kane kann mit der Leistung von sich und seiner Mannschaft noch nicht zufrieden sein.Profimedia
In der Gruppe C, in der fünf der sechs Partien unentschieden endeten, war England die einzige Mannschaft, die ein Spiel gewinnen konnte: 1:0 hieß es gleich am 1. Spieltag gegen Serbien. Es folgten zwei müde Remis gegen Dänemark (1:1) und Slowenien (0:0), die aber für den Gruppensieg reichten. Während alle anderen fünf Gruppensieger mindestens vier Tore schossen, waren es bei England am Ende gerade einmal zwei geschossene Tore in 270 Minuten. Entsprechend negativ fielen die Kritiken in der Heimat aus, die Mannschaft spiele viel zu verhalten und auf Sicherheit bedacht (immerhin gab es auch nur ein Gegentor) und die nominell hochkarätig besetzte Offensive würde ihre Fähigkeiten kaum auf den Platz bekommen.

Im Falle eines Sieges gegen die Slowakei winkt im Viertelfinale die Neuauflage des letzten EM-Endspiels, als die Engländer im Elfmeterschießen gegen die Italiener verloren – Italien muss vorher aber noch die Schweiz in ihrem Achtelfinale schlagen.

Zum Match-Center: England vs. Slowakei

Im Halbfinale würde es England mit einem Team aus dem Quartett Österreich/Türkei/Niederlande/Rumänien zu tun bekommen – der vermeintlich leichtere Weg ins Endspiel von Berlin. Auf Deutschland, Spanien, Frankreich, Belgien oder Portugal könnten die Engländer erst im Finale treffen.

Slowakei zum zweiten Mal in einem EM-Achtelfinale

In der denkbar engen Gruppe E, in der am Ende alle vier Teams vier Punkte aufwiesen (ein Novum bei einer EM-Endrunde), belegte die Slowakei mit 3:3 Toren Rang drei und zählte damit zu den vier besten Gruppendritten. Nach 2016 steht man zum zweiten Mal bei einer EM im Achtelfinale, damals waren die Slowaken in der ersten K.o.-Runde beim 0:3 gegen Deutschland chancenlos.

Zuvor kam es am letzten Spieltag der Gruppenphase schon einmal zu einem Aufeinandertreffen mit England, damals gab es ein 0:0 und beide Teams zogen gemeinsam ins Achtelfinale ein – allerdings nur als Zweiter und Dritter hinter Gruppensieger Wales.

Die Parallele zu 2016: Auch damals holte die Slowakei in der Gruppenphase vier Punkte bei 3:3 Toren – genau wie nun in Deutschland! Nur die Reihenfolge der Ergebnisse war damals eine andere, in Frankreich startete die Slowakei mit einer Niederlage (1:2 gegen Wales), nun mit einem Sieg (1:0 gegen Belgien).

Im Hinblick aufs Achtelfinale gibt die Opta-Statistik den Slowaken nur ein 18%-ige Chance gegen England, zusammen mit Georgien gegen Spanien ist das die niedrigste Quote in der ersten K.o.-Runde:

Opta hat England als Europameister analysiert.
Opta hat England als Europameister analysiert.Opta

Frühe Tore – und dann nichts mehr

Die Slowakei ging in allen drei Gruppenspielen mit 1:0 in Führung und erzielte dabei alle Treffer früh in der Partie: in der 7., 17. und 24 Minute. Gehalten wurde die Führung aber nur gegen Belgien (Endstand 1:0), gegen die Ukraine gab es anschließend noch eine 1:2-Niederlage und gegen Rumänien ein 1:1. Gerade bei der Niederlage gegen die Ukraine ist den Slowaken die Partie mit zunehmender Spielzeit entglitten – die eigene Schlussoffensive nach dem Rückstand brachte dann nichts mehr ein.

Erst nach dem Rückstand wurde die Slowakei wieder gefährlich.
Erst nach dem Rückstand wurde die Slowakei wieder gefährlich.Opta

Auch England erlebte bei dieser EM noch nicht das Gefühl, einem 0:1 hinterherlaufen zu müssen, und erzielte seine beiden Tore in der Anfangsphase und jeweils zur Führung: Gegen Serbien gelang das 1:0 in der 13. Minute, gegen Dänemark in der 18. (Endstand 1:1). Neben England und der Slowakei erzielte übrigens sonst nur Dänemark in der Gruppenphase kein Tor in der zweiten Hälfte – und die Engländer selbst blieben wie sonst nur Spanien und Belgien nach der Pause ohne Gegentor.

Beim 1:0 zum Start gegen Serbien war von England in der Offensive in den zweiten 45 Minuten nicht mehr viel zu sehen, es wurde fast nur die Führung verwaltet:

In der zweiten Hälfte stellte England das Fußballspielen ein.
In der zweiten Hälfte stellte England das Fußballspielen ein.Opta

Englands Offensive: Tabuzone Strafraum

Trotz nachweislicher Weltklassespieler in der Offensive um Harry Kane, Phil Foden und Bukayo Saka will den Engländern bei dieser Europameisterschaft im Angriffsspiel noch wenig gelingen. Liegt es nun an den Stürmern selbst, die keine Durchschlagskraft entwickeln? Oder werden sie einfach viel zu selten von den Mittelfeldspielern in Szene gesetzt? Dafür spricht deutlich mehr.

Der Expected-Goals-Wert in der Gruppenphase betrug kümmerliche 2,19, unterboten nur von den ausgeschiedenen Teams aus Serbien (2,11) und Schottland (0,95). Sieben Nationen kommen bei diesem Turnier bisher auf einen xg-Wert von mehr als fünf, darunter alle anderen Favoriten wie Deutschland, Spanien, Frankreich und Portugal.

Nur bei England läuft nach vorne wenig: 53 Ballaktionen hatten die Engländer in den drei Gruppenspielen im gegnerischen Strafraum – Schnitt aller Teams sind 64. Die Passquote von England ist mit 89.4% zwar die drittbeste aller Teams, allerdings zirkuliert der Ball viel zu oft in den hinteren Reihen:

England findet den Weg in den Strafraum nicht.
England findet den Weg in den Strafraum nicht.Opta

Dubravka spielt ein gutes Turnier

Mit Martin Dubravka steht im Tor der Slowakei ein Spieler, der die Stürmer der englischen Nationalelf besonders gut kennt, spielt er doch in der Premier League bei Newcastle United – und das bereits seit Anfang 2018 (unterbrochen von einer kurzen Leihe zu Manchester United).

Schon 2021 stand Dubravka bei der EM im Tor des Slowaken, kassierte dort in den drei Gruppenspiele sieben Gegentore und wehrte nur 61% der Schüsse auf sein Tor ab. Beim aktuellen Turnier sind es nur drei Gegentore in der Gruppenphase bei 79% abgewehrten Torschüssen – absolut gesehen wehrten bei der Europameisterschaft 2024 nur drei Keeper mehr Schüsse ab als Dubravka (12).

Dubravka hält was er kann.
Dubravka hält was er kann.Opta

England, die Elfmeter und die Erfahrungen mit Gelsenkirchen

Mit der K.o.-Runde beginnt auch die Zeit der möglichen Elfmeterschießen – ein Horror für England. Bei Weltmeisterschaften gingen drei von vier Elfmeterschießen verloren (75%), bei Europameisterschaften vier von fünf (80%) – zuletzt sogar vier in Folge, u.a. im Endspiel 2021 gegen Italien.

Eines dieser verlorenen Elfmeterschießen war in Gelsenkirchen bei der WM 2006, also dem Spielort des EM-Achtelfinals gegen die Slowakei. Im Viertelfinale ging es vor 18 Jahren gegen Portugal, nach torlosen 120 Minuten mussten die Elfmeter entscheiden und England zog mit 1:3 den Kürzeren. Von den vier englischen Schützen traf damals nur Owen Hargreaves; Lampard, Gerrard und Carragher vergaben alle.

Aber: Bei der EM 2024 gastierte England schon einmal in der Arena, in der sonst Zweitligist Schalke 04 spielt, und zwar am 1. Spieltag beim 1:0 gegen Serbien – Englands bisher einzigem Sieg bei diesem Turnier. Schlagzeilen machte die Partie mehr, weil es rund ums Stadion und die Innenstadt einige organisatorische Probleme gab. Im vierten und letzten Turnierspiel in Gelsenkirchen sollten diese mittlerweile aber behoben sein.

Slowakei mit der ältesten Mannschaft

Die drei ältesten Mannschaften im bisherigen Turnierverlauf der Europameisterschaft 2024 stellte die Slowakei: Gegen die Ukraine betrug das Durchschnittsalter der Startelf 30 Jahre und 233 Tage, gegen Belgien waren es 30 Jahre und 229 Tage und zuletzt gegen Rumänien 30 Jahre und 192 Tage. Dabei liefen gegen die Rumänen aber drei Spieler auf, die bereits mindestens 35 Jahre alt sind (Dubravka, Pekarik, Kucka).

Erfahren und abgezockt ist die Truppe in jedem Fall, dazu trägt auch die Erfahrung aus internationalen Top-Ligen bei, die fast alle Akteure vorweisen können. Entsprechend bunt gemischt war das Team im Spiel gegen Rumänien:

Die Slowakei könnte auch gegen England auf Erfahrung setzen.
Die Slowakei könnte auch gegen England auf Erfahrung setzen.Opta