Florian Wirtz und Jamal Musiala: Die Jungen sollen es richten
Die zwei Spieler, auf denen die Hoffnung der Nation ruht, sind ausgerechnet die beiden jüngsten Akteure im Kader: Jamal Musiala und Florian Wirtz, beide 2003er-Jahrgang und erst 21, überzeugen bei dieser Endrunde beide mit Spielwitz, Raffinesse und Torgefahr. Sie stellen mit ihren Zahlen eindrucksvoll unter Beweis, dass sie zurecht die Shootingstars sind, die ganz Europa verzücken.
Zwei Youngster in einem erfahrenen Team
Julian Nagelsmann setzte in den ersten beiden Partien dieser EM-Endrunde auf die gleiche Startformation und vorwiegend auf erfahrene Spieler. Zuletzt gegen Ungarn war die Startelf im Schnitt 29 Jahre und 27 Tage und damit so alt wie bei einer Europameisterschaft zuletzt vor 24 Jahren (2000 gegen Rumänien, 30 Jahre und 86 Tage).
Musiala und Wirtz, die beide sogar noch für die U21-Nationalmannschaft spielberechtigt wären, stechen aus diesem Kollektiv deutlich heraus -der nächstjüngste Spieler in der Startelf ist übrigens Kai Havertz, ebenfalls Teil der spielfreudigen deutschen Offensive, mit 25 Jahren. Ilkay Gündogan bringt da mit seinen 33 Jahren im offensiven Vierzack die nötige Erfahrung rein.
Im Auftaktspiel gegen Schottland hatte sich Nagelsmanns Mischung aus Alt und Jung früh gelohnt: Sowohl Wirtz als auch Musiala brachten den Ball im Netz unter und schrieben damit Geschichte: Erstmals trafen zwei 21-Jährige in einer EM-Partie für dieselbe Nation.
Zum Match-Center: Schweiz vs. Deutschland
Wirtz: Dreh- und Angelpunkt in Verein und Nationalmannschaft
Florian Wirtz kann in diesem jungen Alter bereits von sich behaupten, dass er auf Vereinsebene der Haupt-Garant für eine historische Saison war. Bayer 04 Leverkusen avancierte zum ersten Bundesligisten, der eine komplette Saison unbesiegt blieb, gewann zum zweiten Mal in der Vereinshistorie den DFB-Pokal (nach 1993) und erreichte ungeschlagen das Europa-League-Finale.
Mit 37 Torbeteiligungen in 49 Pflichtspielen (18 Tore, 19 Assists) war er dabei Leverkusens bester Scorer - seine 19 Torvorlagen waren sogar Bestwert aller Spieler aus Europas fünf großen Ligen. Kein anderer Akteur kam wie er auf 16+ Tore und 16+ Assists.
In der Nationalmannschaft debütierte Wirtz bereits im September 2021 unter Hansi Flick. Doch sein erster Treffer gelang ihm erst im März 2024 unter Julian Nagelsmann im Testspiel gegen Frankreich - nach nur 7 Sekunden war es das schnellste Tor der deutschen Länderspielhistorie.
Bei der laufenden Europameisterschaft erzielte er dann im Eröffnungsspiel das erste Turniertor und avancierte im Alter von 21 Jahren und 42 Tagen zum jüngsten deutschen Torschützen bei einer EM-Endrunde. Ein Mann für die Geschichtsbücher:
Musialas endgültiger Durchbruch im DFB-Dress
Während Wirtz die WM 2022 aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasst hatte, stand Musiala in Katar in allen drei Gruppenspielen in der Startelf und ließ dort bereits seine Genialität aufblitzen. Er blieb allerdings torlos und konnte das frühzeitige deutsche Ausscheiden nicht verhindern, auch wenn er zu den besten DFB-Akteuren zählte.
Bei der aktuellen Endrunde scheint seine Rolle im System Nagelsmann wie maßgeschneidert auf ihn zu passen, er traf in beiden Spielen und knackte als erster Spieler dieser EURO die Marke von zwei Toren. Zudem erzielte er dabei genauso viele Tore wie in seinen ersten 29 Einsätzen im Trikot mit dem Adler auf der Brust (je 2).
Musiala spielt sehr risikofreudig und ist für die Gegenspieler nur schwer zu berechnen - kommt er einmal in Fahrt, ist er mit seinem Tempo und seiner Stärke im Dribbling kaum zu stoppen. 14-mal ging er bei dieser Europameisterschaft ins Eins-gegen-Eins. Das ist klarer Höchstwert bei Deutschland und wird lediglich von Spaniens Nico Williams überboten (16).
Wirbelwinde in der Offensive
Wirft man einen Blick auf die Heatmaps von Wirtz und Musiala bei dieser Europameisterschaft, so wird deutlich, dass die beiden die Offensiv-Allrounder im Nagelsmannschen System darstellen. Der Aktionsradius beider Spieler befindet sich fast ausschließlich in der gegnerischen Hälfte und zeigt auf, wie frei sie sich in der Gefahrenzone rund um den Sechzehner bewegen und die Gegner somit durcheinanderwirbeln.
Wenig verwunderlich ist Musiala der Spieler bei dieser EURO, der anteilig die meisten seiner Pässe im Angriffsdrittel spielte (51 % - 39 von insgesamt 77 Pässen), Wirtz bewegt sich hier ebenfalls in den Top 10 des Turniers (45 % - 37 von 83). Ihr Aktionsradius und ihr Aufgabengebiet ist also klar definiert. Auch, wenn beide ihre Rolle mit dem Ball am Fuß sehr eigen und kreativ interpretieren.
Erfolgsgaranten nun auch für den DFB?
Wirtz führte Leverkusen als Offensiv-Stratege zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Musiala schoss den FC Bayern ein Jahr zuvor mit seinem Treffer gegen den 1. FC Köln zur Last-Minute-Meisterschaft.
Beide Spieler übernahmen also trotz ihres jungen Alters bereits große Verantwortung innerhalb ihres Teams und waren in Momenten, in denen es um viel ging, voll und ganz zur Stelle. Zudem sind beide auch schon einige Jahre im Profifußball dabei, zahlten bereits ihr Lehrgeld und ließen sich trotzdem nicht von ihrem Weg und ihrer Spielweise abbringen.
Schaffen es Wirtz und Musiala, ihre aktuelle Form zu konservieren und auch in der Nationalmannschaft dauerhaft eine Schlüsselrolle einzunehmen, hat das DFB-Team gute Chancen auf den ersten Titel im Heimatland seit 50 Jahren. Zuletzt gewann Deutschland 1974 im Münchner Olympiastadion gegen die Niederlande den WM-Titel.
Dieses Jahr findet das Endspiel im Berliner Olympiastadion statt. Derselbe Ort, an dem Wirtz am 25. Mai dieses Jahres mit Leverkusen nach dem Finalsieg gegen den 1. FC Kaiserslautern den DFB-Pokal in die Luft stemmte. Die deutschen Fans
hoffen, dass sich dieses Bild nun am Finaltag, den 14. Juli, mit dem Henri-Delaunay-Pokal wiederholt - doch bis dahin sind noch ein paar Hürden zu nehmen.