Die größten Finalhelden der EM-Geschichte: Bierhoff, Panenka und Co.
EM 1968 in Italien
Rom - Italien vs. Jugoslawien 2:0 - Luigi Riva
1968 fand in Italien die bereits dritte offizielle Europameisterschaft statt. Die Gastgeber hatten einiges wiedergutzumachen. Bei der Weltmeisterschaft zwei Jahre zuvor hatte man sich blamiert und war bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Gegen eine Amateurtruppe aus Nordkorea kassierte man eine 0:1-Niederlage. Bei der Ankunft in der Heimat wurde die Squadra Azzurra von hunderten Tomatenwerfern empfangen.
Angeführt vom legendären Torhüter Dino Zoff und von Stürmerstar Luigi Riva kam Italien tatsächlich bis ins Endspiel. Dieses endete mit einem 1:1-Unentschieden. Verlängerung gab es damals keine, also kam es zwei Tage später zur Neuaustragung.
In der zwölften Minute stand Riva goldrichtig. Ein abgefälschter Fernschuss landete direkt vor seinen Füßen. Noch ehe die jugoslawischen Abwehrspieler verstanden hatte, was passiert war, zappelte die Kugel im Netz. 20 Minuten später besorgte Pietro Anastasi den 2:0-Endstand.
EM 1976 in Jugoslawien
Belgrad - Tschechoslowakei vs. Deutschland 2:2 n.V./5:3 i. E. - Antonin Panenka
1976 wurde erstmals ein Endspiel im Elfmeterschießen entschieden. Die legendäre "Nacht von Belgrad" hat sich ins kollektive Fußball-Gedächtnis eingebrannt. Vor über 30.000 Zuschauern ging die Tschechoslowakei rasch 2:0 in Führung. Erst in der 90. Minute erzielte Bernd Hölzenbein den Ausgleich für die Bundesrepublik Deutschland - nach der anschließenden Verlängerung begann das große Drama.
Zunächst erwiesen sich die Schützen auf beiden Seiten als außerordentlich treffsicher. Erst Uli Hoeneß versagten die Nerven. Der heutige Ehrenpräsident vom FC Bayern München schoss den Ball in den serbischen Nachthimmel.
Wenige Momente später schlug die große Stunde von Antonin Panenka. Der technisch versierte Spielmacher ist wohl das größte Schlitzohr zur Fußballgeschichte. Anstatt den Ball präzise in eine Ecke zu wuchten, setzte er alles auf eine Karte - und knackte den großen Jackpot. Per Lupfer verwandelte er den entscheidenden Strafstoß - und sicherte sich einen Fixplatz im Fußball-Jargon. Noch heute wird ein gelupfter Elfmeter als "Panenka" bezeichnet.
EM 1980 in Italien
Rom - Deutschland vs. Belgien 2:1 - Horst Hrubesch
Nur zwei Länderspiele hatte Horst Hrubesch vor der Europameisterschaft 1980 hinter sich. Seine Nominierung für das große Turnier war keineswegs unumstritten. Lange Zeit war Hrubesch im Unterhaus aktiv gewesen und verdingte sich nebenbei als Dachdecker. Erst im Alter von 24 Jahren hatte er sein Debüt in der Bundesliga gegeben.
Dementsprechend waren die Fans und Medien in Deutschland wenig begeistert, als der Angreifer kurzfristig in den EM-Kader aufgenommen wurde. Hätte sich Klaus Fischer nicht knapp vor Turnierbeginn das Bein gebrochen, wäre Hrubesch im Sommer wohl vor dem Fernseher gesessen.
Früh im Finale erzielte Hrubesch mit einem Fernschuss den ersten Treffer. Belgien glich zwischenzeitlich aus. Anschließend dauerte es lange, bis sich ein Sieger abzeichnete: Zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit stieg der Stürmer vom Hamburger SV höher als alle anderen. Per Kopf - wie sonst? - erzielte er das Goldtor. Bei der Rückkehr nach Deutschland wurde der Doppelpacker völlig zurecht als Held gefeiert.
EM 1988 in Deutschland
München - Niederlande vs. Sowjetunion 2:0 - Marco van Basten
Es ist vielleicht eines der schönsten Tore aller Zeiten: Als Marco van Basten die Kugel aus spitzem Winkel per Direktabnahme direkt unter der Querlatte versenkte, schrieb der niederländische Stürmer ein Stück EM-Geschichte. Er erzielte das vorentscheidende 2:0 und schoss Oranje damit zum ersten großen Titel.
Zuvor war die goldene Generation um Johann Cruyff 1974 und 1978 jeweils im WM-Finale gescheitert - obwohl der von Bondscoach Rinus Michels initiierte "Totaal Voetbal" die gesamte Sportart weltweit geprägt hatte.
2020 ließ Van Basten im Gespräch mit uefa.com seinen sensationellen Treffer Revue passieren. "Es war in der zweiten Halbzeit und ich war ein bisschen müde. Der Ball kam von Arnold Mühren. Ich dachte mir: OK, ich kann ihn stoppen und mich mit all diesen Abwehrspielern anlegen. Oder ich könnte es auf die einfachere Art machen, ins Risiko gehen und direkt abschließen. Bei so einem Schuss braucht man auch etwas Glück. Alles ist gut gelaufen. Das ist so eine Sache, die manchmal einfach passiert."
EM 1996 in England
London - Deutschland vs. Tschechien 2:1 n. GG - Oliver Bierhoff
Die EM 1996 wurde auf einzigartige Weise zelebriert. "Football is coming home" war nicht nur das Motto der englischen Fans. Die Aussicht auf lange Nächte im Pub und ein Endspiel im legendären Wembley-Stadion ließ auch die Schlachtenbummler vom Festland nostalgisch werden.
Entsprechend gut bestückt war die Ehrentribüne, als sich Deutschland und das erst seit wenigen Jahren unabhängige Tschechien um die EM-Trophäe duellierten. Der tschechische Präsident Vaclav Havel hatte es sich im Stadion ebenso gemütlich gemacht, wie die Queen höchstpersönlich, der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl oder Tennis-Ikone Boris Becker. Letztgenannter war nur wenige Tage zuvor in der 3. Runde von Wimbledon ausgeschieden.
Sie alle durften eine ganz besondere Premiere miterleben: Oliver Bierhoff erzielte das erste Golden Goal der Fußball-Geschichte. Pünktlich zur Europameisterschaft war das neuartige Konzept eingeführt worden. Nach einer tollen Körpertäuschung schoss Bierhoff blind aufs tschechische Gehäuse. Torhüter Petr Kouba war die Sicht verstellt, die Kugel rutschte ihm unglücklich durch die Finger. Nur vier Monate vor Turnierbeginn hatte Bierhoff sein Debüt im DFB-Trikot gegeben. Nun kannte ihn die ganze Welt.
EM 2000 in Belgien/Niederlande
Rotterdam - Frankreich vs. Italien 2:1 n. GG - David Trezeguet
2000 erlebte David Trezeguet seinen großen Durchbruch. Der französische Stürmer war in Argentinien aufgewachsen und wechselte erst 1995 in die Heimat seines Ururgroßvaters. Als Frankreich 1998 Weltmeister wurde, spielte Trezeguet nur eine untergeordnete Rolle. Zwei Jahre später wurde er im Rotterdamer Stadion "De Kuip" zum Hauptdarsteller.
Eine Flanke von Robert Pires veredelte der damals 22-jährige Angreifer mit einem perfekten Abschluss: Scharf, präzise, genau unter die Querlatte. Sofort riss sich Trezeguet das Trikot vom Leib und feierte den zweiten EM-Titel für Frankreich.
Dass er nach dem Turnier zu Juventus Turin wechselte, brachte den Stürmerstar in Verlegenheit. "Man kennt ja die große Fußballbegeisterung der italienischen Fans. Sie und meine künftigen Teamkollegen haben es mir zunächst nicht leicht gemacht, schließlich spielte ja die halbe italienische Nationalelf bei Juve. Da war anfangs schon eine gewisse Distanz zu spüren", verriet Trezeguet im Gespräch mit uefa.com. Trotz der Startschwierigkeiten stand er ganze zehn Jahre in Turin unter Vertrag und verbrachte im Piemont die erfolgreichste Zeit seiner Karriere.
EM 2004 in Portugal
Lissabon - Griechenland vs. Portugal 1:0 - Angelos Charisteas
Griechenlands Titelgewinn ist einer der größten Sensationen in der Fußball-Geschichte. Ohne große Stars galt die von Otto Rehhagel gecoachte Truppe als klarer Außenseiter. Dass man die Gruppenphase überstand, galt bereits als Überraschung. Seiner Mannschaft hatte "Rehakles" ein ausgeklügeltes Defensivkonzept eingeimpft.
Diese brachte im Turnierverlauf einige Top-Nationen in Verlegenheit und trieb alle neutralen Fans an den Rand der Verzweiflung. Ein ästhetischer Hochgenuss war das griechische Catenaccio nicht - aber es war höchst erfolgreich. In der gesamten K.-o.-Runde blieb man ohne Gegentor. So schlug man neben Frankreich und Tschechien auch Gastgeber Portugal - letztgenannte sogar zweimal. Auf einen 2:1-Sieg in der Gruppenphase folgte ein 1:0-Erfolg im Finale.
Nach einem Eckball wurde Angelos Charisteas zum Mann der Stunde. Der kopfballstarke Stürmer krönte das erfolgreichste Jahr seiner gesamten Karriere. Vor Turnierbeginn hatte er mit Werder Bremen sensationell das deutsche Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal gefeiert.
EM 2008 in Österreich und der Schweiz
Wien - Spanien vs. Deutschland 1:0 - Fernando Torres
Die Europameisterschaft 2008 war die Geburtsstunde der stärksten Nationalmannschaft des 21. Jahrhunderts. Spanien galt zwar bei allen großen Turnieren als Titelanwärter und spielte wunderschönen, ansehnlichen Fußball - doch auf den Gewinn der EM 1964 folgte eine jahrzehntelange Erfolgsdürre.
In Österreich fühlten sich die Iberer sofort pudelwohl. Man perfektionierte einen Kurzpass-Stil, der später unter der etwas irreführenden Bezeichnung "Tiki-Taka" weltberühmt werden sollte. Spieler wie David Silva oder Andres Iniesta erlebten ihre erste große Sternstunde.
Und auch Fernando Torres wird sich an die damalige EM noch sehr lange erinnern. Spanien ging als Favorit ins Endspiel gegen Deutschland. Die DFB-Elf wehrte sich aber tapfer und zeigte in der Defensive eine äußerst couragierte Leistung. In der 32. Minute wurde der Bann jedoch gebrochen: Torres erzielte per Lupfer den entscheidenden Treffer.
EM 2016 in Frankreich
Paris - Portugal vs. Frankreich 1:0 n.V. - Eder
Ein unwahrscheinlicher Finalheld ist Ederzito Antonio Macedo Lopes - kurz: Eder. In der mit Stars wie Cristiano Ronaldo und Nani gespickten portugiesischen Nationalelf wirkte der damals für LOSC Lille unter Vertrag stehende Stürmer wie ein Außenseiter. Seine Bewegungen wirkten etwas hüftsteif, mit seinen technisch versierten Kollegen konnte der aus Guinea-Bissau stammende Mittelstürmer nicht mithalten.
Im Endspiel gegen Frankreich galt Portugal nur als Außenseiter. Dass CR7 mit einem geschwollenen Knie nur auf der Ersatzbank saß, schmälerte die Titelchancen der Iberer zusätzlich. Nach einer umkämpften regulären Spielzeit standen die Zeichen bereits auf Elfmeterschießen.
Als Eder in Minute 79 eingewechselt wurde, konnte man das als Verzweiflungstat interpretieren. Vor dem EM-Finale hatte er in 29 Einsätzen für Portugal nur zweimal getroffen. Aller Wahrscheinlichkeit zum trotz erzielte er in der Verlängerung den entscheidenden Treffer zum 1:0 - sein Fernschuss versetzte fast das gesamte Stade de France in Schockstarre.
EM 2021 quer durch Europa
London - Italien vs. England 1:1 n.V./3:2 i.E. - Gianluigi Donnarumma
Er ist die große Ausnahme in dieser Liste: Donnarumma ist beim EM-Finale 2021 nicht als Torschütze in Erscheinung getreten, sondern als gnadenloser Elferkiller. Für Italien hatte der Titel große Bedeutung, in den Jahren zuvor war das Land von der COVID-19-Pandemie getroffen worden.
Die Squadra Azzura hatte im Wembley-Stadion gegen England zunächst einen schweren Stand gehabt. Die "Three Lions" drehten in der Anfangsphase groß auf und gingen bereits in der zweiten Minute durch Luke Shaw in Führung. Danach schaltete das Team von Trainer Gareth Southgate rasch in den Verwaltungsmodus. Die risikoarme Spielweise sollte richtigerweise bestraft werden. Leonard Bonucci erzielte in der 69. Minute den Ausgleich für Italien.
Im Elfmeterschießen gelangen Donnarumma zwei herausragende Paraden. Als er den jungen Bukayo Saka und das gesamte Wembley in Tränen ausbrechen ließ, verzog der Torhüter keine Miene. Nicht einmal ein Lächeln entkam Donnarumma - er stand unter Schock und hatte laut eigener Aussage nicht begriffen, dass er mit seiner Parade die Europameisterschaft entschieden hatte.