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Coppa Italia Vorschau: Inter gegen Juve – fließt auch im Rückspiel böses Blut?

Micha Pesseg
Das Hinspiel vor zwei Wochen wurde von einer hitzigen Auseinandersetzung überschattet
Das Hinspiel vor zwei Wochen wurde von einer hitzigen Auseinandersetzung überschattetAFP
Sowohl Inter Mailand als auch Juventus Turin stecken mitten in einer ebenso denkwürdigen wie seltsamen Saison. Das Hinspiel in der Coppa Italia endete 1:1 und wurde heiß diskutiert. In der Schlussphase handelten sich gleich drei Spieler einen Ausschluss ein. Darunter Romelu Lukaku – dessen Sperre aber aus guten Gründen aufgehoben wurde. Im Derby d'Italia am Mittwoch (21 Uhr, live auf DAZN) gibt es keinen klaren Favoriten.

Was für ein Hinspiel! Beide Mannschaften bewiesen ihr strategisches Können, verschoben – typisch italienisch – perfekt gegen den Ball und schenkten einander auch wirklich gar nichts. In der 83. Minute wurde Juan Cuadrado aus den Augen verloren, Juve ging in Führung. Man befand sich schon in der Nachspielzeit, da griff Bremer im eigenen Strafraum unglücklich zum Ball – Romelu Lukaku versenkte den fälligen Elfmeter. Der späte Ausgleich für Inter.

Und dann? Chaos. Weil Romelu Lukaku die Turiner Fans provozierte. Das ganze Spiel über hatten sie ihn nachweislich rassistisch beschimpft. Lukaku führte den Zeigefinger zu seinen Lippen. Das wiederum stieß Juves Torschütze Cuadrado sauer auf. Ein Handgemenge später bekamen beide die Gelbe Karte zu sehen. Lukaku flog vom Platz, weil er bereits verwarnt worden war.  

Auch in der Liga gegen Empoli packte Lukaku sein neues Markenzeichen aus
Auch in der Liga gegen Empoli packte Lukaku sein neues Markenzeichen ausAFP

Nachträglich legte sich Cuadrado noch mit Inter-Kapitän Samir Handanovic an. Schiedsrichter Davide Massa machte keine Kompromisse, zeigte beiden die Rote Karte. Sie sind für das Rückspiel am Mittwoch gesperrt. Nicht Romelu Lukaku. Der italienische Fußballverband setzte – auch auf Intervention von FIFA-Präsident Gianni Infantino – dessen Sperre aus.

Denn die vorangegangenen Provokationen der Juve-Fans zielten weit unter die Gürtellinie. In der offiziellen Begründung hieß es: "Die Maßnahme unterstreicht, dass der Kampf gegen alle Formen von Rassismus eines der Grundprinzipien des Sportsystems ist." Inters Starstürmer begrüßte die Entscheidung naturgemäß: "Ich glaube, dass dank des Eingreifens der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Das ist eine großartige Botschaft an die ganze Welt des Sports und darüber hinaus."

Inzaghi auf dem Wackelstuhl 

Simone Inzaghi freut sich ebenfalls über die aufgehobene Strafe. Endlich ist der bullige Belgier wieder in Topform. Beim 3:0-Sieg am Wochenende gegen den FC Empoli war er mit zwei Treffern und einer Vorlage der große Unterschiedsspieler. Zum ersten Mal seit seiner leihweisen Rückkehr vom FC Chelsea machte Lukaku wieder den Eindruck, ganz der Alte zu sein. Jener Lukaku, der die Nerazzurri 2020/21 zum Meistertitel bombte. Auch das Zusammenspiel mit Sturmpartner Lautaro Martinez funktionierte wie einst.

Im Saisonendspurt ist Inter auf ihn angewiesen: Auf das Halbfinale in der Coppa Italia folgt die entscheidende Phase in der Serie A. Bis auf Weiteres wurde der Punkteabzug gegen Juventus Turin zurückgenommen. Mit 15 Zählern mehr auf dem Konto haben die Bianconeri den Kampf um die begehrten CL-Startplätze nochmals spannend gemacht. Inter liegt in der Serie A nur auf dem sechsten Platz.

Die dürftigen Ergebnisse in der Liga könnten Inzaghi zum Fall bringen
Die dürftigen Ergebnisse in der Liga könnten Inzaghi zum Fall bringenFlashscore

Was auch daran liegt, dass man vor dem 3:0 gegen Empoli fünf Ligaspiele hintereinander nicht gewinnen konnte. Fortlaufend sieht sich Simone Inzaghi mit Kritik konfrontiert. Viele Monate schon wird gemunkelt, dass er ein Trainer mit Ablaufdatum sei. Manche Experten überrascht es, dass Inzaghi Ende April überhaupt noch die Mannschaft führen darf. So auch den ehemaligen Vereinspräsidenten Massimo Moratti (1995 bis 2013): "Ich hätte der Versuchung nicht widerstehen können, Inzaghi zu feuern."

Beim Blick auf die Ergebnisse in der Champions League gibt diese Ansicht Anlass zur Verwunderung. In der Gruppenphase wurde der große FC Barcelona eliminiert. Im Achtel- und Viertelfinale hatte man mit den portugiesischen Spitzenvereinen Benfica und Porto keine großen Probleme. Als Dank winkt im CL-Halbfinale das Mailänder Derby. Eine Paarung, die landesweit schon jetzt – zwei Wochen vor Anpfiff des Hinspiels – großen Staub aufwirbelt. Zum ersten Mal seit dem Königsklassentriumph 2009/10 steht Inter unter den besten vier Teams Europas.

Am Stuhl von Simone Inzaghi wird angeblich fleißig gesägt
Am Stuhl von Simone Inzaghi wird angeblich fleißig gesägtAFP

Doch Inzaghi scheint – so die landläufige Meinung – zwei Gesichter zu haben. Es gibt Trainer, deren Ansätze und taktisches Kalkül für K.o.-Spiele wie geschaffen sind. Inzaghi ist so einer. Und es gibt Trainer, die einen Verein konstant Woche für Woche zum Sieg führen können. Pep Guardiola wäre so einer. Inzaghi ist es definitiv nicht.

Und weil sich Serienmeister Juve durch jahrelange Misswirtschaft selbst vom Thron stieß, hat das Titelrennen in Italien wieder drastisch an Bedeutung gewonnen. Nach Inter 2021 und Milan 2023 wird mit Napoli zum dritten Mal hintereinander der Scudetto nicht in den Piemont wandern. Ein Verein wie Juve kann das natürlich nicht auf sich sitzen lassen.

Märchenhaftes Ende einer Horrorsaison?

Es war ein großer Sieg. Sporting wurde in Hin- und Rückspiel aus der Europa League geworfen, nun trifft man Halbfinale auf den FC Sevilla. Nur wenige Stunden vor dem erfolgreichen Rückspiel in Lissabon feierten die Turiner aber einen weitaus größer dimensionierten Sieg: Italiens oberstes Sportgericht entschied zugunsten der Bianconeri, hob den drastischen Punkteabzug wegen eines Bilanzskandals auf und schickte Juve unverzüglich zurück ins Spitzenfeld der Serie A.

Ein definitives Aufatmen gibt es noch nicht, das Urteil könnte theoretisch gekippt werden. Die Stimmung beim kriselnden Rekordmeister hat sich dessen ungeachtet schlagartig verbessert. Aus der Kabine sickerte regelmäßig durch, dass die ständigen Negativschlagzeilen Unruhe bei der Mannschaft erzeugt haben. Inter musste bislang eine komplizierte, Juventus eine schreckliche Saison durchleben – welche aber mit einem Happy End ausklingen könnte. 

Bei Abwehrspieler Gatti und seinen Teamkollegen wurde neue Kräfte freigesetzt
Bei Abwehrspieler Gatti und seinen Teamkollegen wurde neue Kräfte freigesetztAFP

Die Wahrscheinlichkeit, dass man die Spielzeit mit einer Trophäe in der Hand beenden wird, ist gar nicht gering. Gelingt am Mittwoch das Weiterkommen, winkt die Teilnahme am Finale im Stadio Olimpico in Rom (24. Mai). Neben der Europa League ist es eine von zwei verbliebenen Titelchancen. Die Meisterschaft, das ist seit Sonntag endgültig klar, gehört der SSC Napoli. Zwischenzeitlich befand sich Juve vor dem kompletten Absturz.  

Immer wieder blieb Massimiliano Allegri das Verletzungspech treu. Federico Chiesa und Paul Pogba standen fast nie zur Verfügung. Auf weitere Schlüsselakteure wie Stoßstürmer Dusan Vlahovic, Kapitän Leonardo Bonucci oder Weltmeister Angel di Maria musste er ebenfalls in wichtigen Phasen der Saison verzichten. Gezwungenermaßen setzte Allegri also auf unverbrauchte Talente, die bis dahin fast ausschließlich in der Primavera oder als Leihspieler bei kleineren Vereinen zum Einsatz gekommen waren.

Fabio Miretti (19), Nicolo Fagioli (22) und Matias Soule (20) etwa. Sie bekamen Gelegenheit, die ersten Gehversuche auf der großen Bühne zu machen. Insbesondere Miretti und Fagioli überzeugten, etablierten sich längst als potenzielle Stammspieler und durften als Belohnung bereits in Italiens Nationalmannschaft debütieren.  

Nicolo Fagioli – ein künftiger Weltstar?
Nicolo Fagioli – ein künftiger Weltstar?Profimedia

Wichtigster Mann bei Juve ist jedoch Angel di Maria. Der 35-jährige Argentinier hat die nötige Klasse, um in engen Partien den Unterschied auszumachen. Seine Fähigkeit, das Spiel voranzutreiben, sich gegen den Ball nie falsch zu positionieren, aus vermeintlich harmlosen Spielsituationen Großchancen zu kreieren: machen ihn für Allegri einfach unverzichtbar. 

Zum Match-Center: Inter vs. Juve

Teamnews: Handanovic und Cuadrado gesperrt

Dass sich Samir Handanovic und Juan Cuadrado im Hinspiel jeweils eine Rote Karte eingehandelt haben, wurde bereits eingangs erwähnt. Inter-Coach Inzaghi wird zudem auf Milan Skriniar (Rückenprobleme) verzichten müssen. Bei Juve ist Moise Kean aufgrund muskulärer Probleme fraglich.

Mögliche Aufstellungen

Inter (3-1-4-2): Onana – De Vrij, Acerbi, Bastoni – Brozovic – Dumfries, Calhanoglu, Barella, Dimarco – Lukaku, Martinez

Juve (3-1-4-2): Perin – Gatti, Bremer, Danilo – Locatelli – De Sciglio, Miretti, Rabiot, Kostic – Di Maria, Vlahovic

Flashscore-Prognose: Ein enges Spiel

Einen perfekt auf den Gegner ausgerichteten Matchplan aushecken und sich nach 90 Minuten als Sieger feiern lassen? Simone Inzaghi kann das. Er ist der ideale Trainer für K.o.-Spiele wie dieses. Er kann auf einen Romelu Lukaku in Topform bauen, der nach dem Rassismuseklat im Hinspiel top motiviert sein wird. Juventus allerdings ist gut in Form, gilt nicht mehr als schwarzes Schaf der Liga und kann befreit aufspielen. Nach hitzigen 90 Minuten steht es 1:1 – nach 120 Minuten 2:1 für Inter.