Mailand oder Madrid, aber Hauptsache nicht mehr Deutschland: Tuchel am Scheideweg
Dass Thomas Tuchel in Deutschland fertig hat, ist nach seinem erfolglosen Bayern-Engagement nur die logische Konsequenz. Mit der Meisterschaft im vergangenen Jahr und dem DFB-Pokal 2017 mit Dortmund hat der gebürtige Schwabe nicht nur die wichtigsten Titel gewonnen, sondern auch die führenden Vereine des Landes trainiert. Ein Posten bei einem anderen deutschen Verein, auch wegen seiner anhaltenden Kritik an der deutschen Medienberichterstattung, scheint in mittelfristiger Zukunft genauso unwahrscheinlich wie eine Rückkehr zum BVB oder den Bayern.
Es stellt sich die Frage: Was bleibt für einen Trainer seines Kalibers in vergleichsweise jungem Alter noch übrig? Einem Trainer, der bereits die Champions League gewonnen hat, der das untrainierbare Paris St. Germain ins Finale der Königsklasse führte, der in drei der größten Ligen Europas tätig und erfolgreich war. Der allerdings auch immer wieder Erfahrungen mit dem Scheitern machte. Vereinsinterne Konflikte in Dortmund, auch aufgrund Tuchels als schwierig geltendem Charakter. Das Ausbleiben von Ergebnissen bei Chelsea und PSG, zumindest nach einer gewissen Zeit. Und nun das Aus beim FC Bayern, bei dem er die erhoffte Trainerwirkung nie entfachen konnte.
Die Personalie Tuchel ist in Deutschland und international nach wie vor mit großem Fußball-Know-how verbunden, allerdings auch mit potenzieller Problematik. Hinzu kommt, dass er gefühlt schon alles erlebt hat, und sich wohl eher nicht mit einem Team zufriedengeben wollen wird, das nicht die Aussicht auf große Titel verspricht.
Die Optionen: Rückkehr in die Premier League
Die Zeit in England war kurz und turbulent. Nach dem Triumph in der Königsklasse schlitterte der Klub in eine kleinere Krise, fuhr keine Ergebnisse mehr ein und entschied sich schließlich, Tuchel zu entlassen. Viele Fans des Vereins stimmten mit dieser Entscheidung nicht überein, der Trainer selbst war eigenen Worten zufolge "am Boden zerstört". Zur Premier League wird ihm nach wie vor eine Affinität nachgesagt. Der aktuelle Chelsea-Trainer Mauricio Pochettino steht in England in der Kritik, der Verein aktuell nur auf dem 11. Platz der Liga. Man könnte sich dazu entscheiden, ähnlich wie die Bayern einen Neuanfang zur neuen Saison zu wagen - mit Tuchel?
Eine weitere Option wäre der FC Liverpool, der zur Spielzeit 2024/25 einen neuen Trainer sucht. Denn der Erfolgscoach Jürgen Klopp wird die Reds nach neun Jahren verlassen. Es wäre nach Mainz und Dortmund die dritte Station, die Tuchel nach Klopp betreut, nach dem BVB die zweite direkte Nachfolge. Ob sein Charakter zu Liverpool passt, ist fraglich. Ex-Liverpool-Profi Danny Murphy ist sich sicher, dass er "zu sehr spaltet" und daher kein guter Nachfolger für "Kloppo" wäre. Auf der Insel könnte man das jedoch differenziert sehen, und sich nach der Erfolgsgeschichte Klopp nach einem direkten, deutschen Nachfolger mit Erfahrung in der englischen Liga sehnen.
Auch Manchester United ist laut dem Kicker ein möglicher Interessent. Der Verein läuft seit Jahren den eigenen Ansprüchen hinterher, Coach Erik ten Hag steht unter Dauerfeuer. Die internen Strukturen des Vereins weisen immer wieder Lücken auf. Mit Tuchel soll angeblich regelmäßiger Kontakt bestehen.
Der Verein hätte sicherlich das nötige Prestige. Ten Hag wird wohl allerdings nur entlassen, wenn er die Qualifikation zur Champions League verpasst. Genau da könnte es haken. Würde sich Tuchel dem Verein auch annehmen, wenn er nicht in der Champions League spielt? United wäre für ihn sicherlich eine grandiose Möglichkeit, sein Können abermals unter Beweis zu stellen. Führt er Old Trafford zu altem Ruhm und Glanz, würde dies als Meisterstück seiner Trainerkarriere gelten.
Wäre eine Nationalmannschaft eine Option?
Bereits im Jahr 2022 wurde Tuchel mit dem Posten als englischer Nationaltrainer in Verbindung gebracht. Sollten die "Three Lions", die bei der EM 2024 in Deutschland zum engeren Favoritenkreis zählen, nicht überzeugen, könnten die Tage von Gareth Southgate gezählt sein. Tuchel hatte einem Bericht des "Telegraph" aus dem Oktober 2022 zufolge bereits damals auf das Amt spekuliert und im Rahmen dessen mehrere Angebote ausgeschlagen.
Dass sich der scheidende Bayern-Trainer bis zum Sommer Zeit lässt, ist durchaus denkbar. Eine EM birgt stets das Potenzial zu Enttäuschungen für große Nationen. Nach dem Turnier in Deutschland könnte demnach nicht nur die Stelle als Coach der englischen Nationalmannschaft vakant sein. Sollte sich Tuchel für ein Engagement bei einer Nationalmannschaft interessieren, könnte dies eine ernsthafte Alternative darstellen.
Spanischer Reiz: Pulverfass Barcelona oder Star-Ensemble in Madrid
Dann wäre da noch der FC Barcelona, der zum Saisonende mit Vereinslegende Xavi Schluss macht. Ebenso wie Manchester United steht der spanische Klub vor den Scherben von jahrelangem Missmanagement. Es wäre eine Chance für Tuchel, ein eigenes Projekt mit einer Mannschaft aufzubauen, die im Umbruch steckt. Zudem eine Liga, die mit als die stärkste Europas und der Welt gilt. Nächstes Jahr würde es dann gegen das ebenfalls neu aufgestellte Real Madrid um Jude Bellingham und, so scheint es aktuell, Tuchels Ex-Schützling Kylian Mbappe um die Meisterschaft gehen.
Auch in der Champions League will der aktuelle Sportdirektor der Katalanen, Decor, endlich wieder eine Rolle spielen. Tuchel soll Berichten zufolge der Favorit des ehemaligen portugiesischen Fußball-Nationalspielers sein. Es könnte ein interessantes Match sein.
Apropos Madrid: Auch für Carlo Ancelotti könnte 2023/24 die letzte Saison bei den "Blancos" sein. Xabi Alonso galt bisher als Favorit auf die Nachfolge. Doch der ehemalige Spieler des Klubs könnte sich auch dazu entscheiden, ein weiteres Jahr bei Leverkusen zu bleiben, oder gar den Schritt zum FC Bayern München zu wagen.
In diesem Fall wäre auch eine Tuchel-Übernahme der Königlichen kein allzu unrealistisches Szenario. Zumindest aus Sicht des zweifachen französischen Meister-Trainers. Denn bei den Königlichen hätte er ein Team, das direkt um den Gewinn der Champions League spielen kann. Ob Real-Präsident Florentino Perez Tuchel als potenziellen Nachfolger sieht, ist nicht bekannt. Allerdings gab es 2023 Interessenbekundungen, bevor der 50-Jährige schließlich als Bayern-Coach präsentiert wurde.
Italien: Vakanter Posten in Mailand
Zu guter Letzt wäre da noch die italienische Liga, mit der Tuchel vor seinem Antritt als Bayern-Coach ebenfalls in Verbindung gebracht wurde. Die "Gazzetta dello Sport" sah ihn als möglichen Nachfolger für Simone Inzaghi bei Inter Mailand. Nach der erfolgreichen Saison 2023/23 und dem aktuellen Lauf der Mailänder, die Topfavorit auf die Meisterschaft in Italien sind, stellt Inter nicht wirklich eine realistische Option dar.
Juventus Turin hat mit Massimiliano Allegri ebenfalls eine angestammte Besetzung. Die einzige vakante Position könnte beim AC Mailand frei werden, wo Stefano Pioli immer wieder in die Kritik gerät. Tuchel könnte den Verein demnach im Sommer übernehmen.
Allerdings müsste er sich wohl gegen namhafte Konkurrenz durchsetzen: Antonio Conte, der auch als neuer Bayern-Coach gehandelt wird, könnte einer der Anwärter auf das Amt sein.
Thomas Tuchel: Nach wie vor ein hoch gehandelter Name
Wo auch immer der Krumbacher am Ende landen wird: Der Gerüchteküche nach scheint es so, als habe die gescheiterte Episode Bayern München dem Namen Thomas Tuchel nicht unbedingt nachhaltig geschadet zu haben - zumindest außerhalb Deutschlands.
Die realistischsten Optionen scheinen momentan der FC Barcelona oder eine Rückkehr nach England zu einem der Topklubs zu sein. Wir werden den Weg des Bundesliga-Meistertrainers der Vorsaison mit Spannung verfolgen - sei es Mailand oder Madrid.