Xabi Alonso: Deutscher Meister und Sterneprodukt aus dem Baskenland
Wer nach Perfektion strebt, wer den vollen Genuss erleben möchte, den führt die Suche womöglich auch ins Baskenland. Die meisten Sterneköche gebe es zwar in Tokio, New York, Paris, Lyon oder Kyoto, direkt danach komme jedoch die Region um San Sebastian oder Bilbao. So sieht es jedenfalls Reiner Calmund, einst Manager von Bayer Leverkusen und passionierter Feinschmecker, der sich ganz bewusst die Region im Norden Spaniens herausgepickt hat.
Schließlich stammt ein gewisser Xabier Alonso Olano, genannt "Xabi", aus Tolosa, einer kleinen Gemeinde in der baskischen Provinz Gipuzkoa. "Daher vergleiche ich ihn mit der Sterneküche", sagt Calmund, der keineswegs verwundert darüber ist, dass die Region fernab jeglicher Kulinarik auch sportlich ein weiteres "absolutes Sterneprodukt" hervorgebracht hat.
Und der Vergleich erscheint naheliegend. Ist das, was Bayer Leverkusen unter Alonso dieser Tage spielt, doch auch nahe der Perfektion, ein Genuss für (fast) jeden Fußballfan. Die Meisterschaft ist nicht nur die logische Konsequenz, sie ist auch Belohnung für den als Spieler bereits so erfolgreichen Alonso, der es auch dank eines wohldurchdachten Plans rasant in den Kreis der weltbesten Trainer geschafft hat.
Alonso, liiert mit seiner Jugendliebe Nagore, Vater von zwei Töchtern und einem Sohn, verkörpert Bescheidenheit. Er tritt auf wie ein Mann von Welt, nicht nur der WM-Triumph und die beiden EM-Titel verliehen ihm Glanz. Alonso gewann als Spieler alles, mit dem FC Liverpool und Real Madrid die Champions League, nationale Pokale, etwa drei Meisterschaften mit dem FC Bayern.
Ein Hauch von Tiki-Taka: Bayer Leverkusen ist deutscher Meister
Kein "Feldwebel", sondern ein ruhiger Anführer
Umso erstaunlicher erscheint sein Start ins Trainerleben. Erst coachte er in der Jugend der Königlichen, dann übernahm er die Reserve von Real Sociedad San Sebastian, allen attraktiveren Optionen zum Trotz. Für ein Engagement in Gladbach fühlte er sich 2021 laut eigener Aussage noch nicht bereit.
In seiner Heimat habe er "Ruhe" gehabt, um sich selbst als Trainer kennenzulernen, sagte er 2023 in einem SZ-Interview. Es brauche schließlich eine gute Selbstkenntnis, "um authentisch zu sein". Leverkusen übernahm er 2022 in höchster Not auf Platz 17.
Sein Stil? Ein "Feldwebel" sei er keineswegs, einen "Schurken zu mimen", passe nicht zu ihm. Und dennoch könne er laut werden, wenn es sein müsse, sagte Alonso, der sich weit über das Rheinland hinaus einen Ruf als Sympathieträger erarbeitet hat. Man muss sich anpassen können, so lässt sich sein Credo deuten. Auch Freundlichkeit funktioniere nicht immer.
Und dennoch wirkt Alonso wie ein Gentleman. Einer, der in dieser schnelllebigen Branche zu seinem Wort steht, der dem Werben etlicher Top-Klubs widerstand. Einer, der gar selbst noch auf höchstem Niveau mitspielen könnte. Es gibt im Netz schließlich dieses Video: Alonso trainiert mit den Bayer-Profis - und schlägt reihenweise messerscharfe Diagonalbälle. Wow!
Zahlreiche Einflüsse
Der Drahtseilakt zwischen einem authentischen Auftreten und überdrehtem Kult gelingt ihm scheinbar spielerisch. Schon als Profi habe er seinen Nebenleuten vor allem helfen wollen, "noch besser auszusehen". Bei seinen Spielern in Leverkusen schafft er genau das als Trainer. Die Folge? Europaweit wird der dominante Ballbesitzfußball der Werkself bewundert.
Alonso, dessen Vater Periko einst beim FC Barcelona spielte und mit Real Sociedad zweimal die Meisterschaft gewann, lernte als Profi unter den erfolgreichsten Trainern der vergangenen Jahre. Ob Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti, ob Jose Mourinho oder Rafael Benitez - sie alle dürften einen Einfluss gehabt haben.
Die Meisterschaft könnte nur der Anfang sein, folgt vielleicht sogar das Triple? Bei einem solchen Sterneprodukt wäre das wohl kaum verwunderlich.
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