Transfercheck Bundesliga: Neuer König in München - Bayer und RB die Klassenbesten
Bayer Leverkusen
Spannendster Neuzugang: Victor Boniface - 1,90 Meter groß, 85 Kilogramm schwer: Victor Boniface ist eine echte Naturgewalt. Der Stürmer hat aber auch eine wahre Leidensgeschichte hinter sich. Nachdem er 2018 nach Norwegen zu Bodö/Glimt gewechselt war, zog er sich zwei schwere Kreuzbandrisse zu. Der Traum von der Profikarriere in Europa schien ernsthaft gefährdet. Viele Trainingseinheiten im Fitnessstudio später, ist sein Körper gegen zu starke Belastungen fast immun. Die Verantwortlichen in Leverkusen begeisterte der Nigerianer in den direkten Duellen zwischen Bayer und Union SG in der Europa League - prompt überwies B04 über 20 Millionen Euro Ablöse an den belgischen Spitzenverein. In der Bundesliga stellte er sich mit zwei Treffern und einer Torvorlage an den ersten beiden Spieltagen vor.
Schmerzlichster Abgang: Moussa Diaby - Es musste so kommen: Moussa Diaby entwuchs der deutschen Bundesliga und heuerte stattdessen bei Aston Villa an. In Birmingham wird der Franzose eine Schlüsselrolle einnehmen - 55 Millionen Euro Ablöse wurden für den Flügelstürmer überwiesen. Diabys Tempo wird bei der Werkself dennoch schmerzlich vermisst - zumal das Zusammenspiel mit Jeremie Frimpong 2022/23 wunderbar klappte. In 125 Bundesliga-Spielen für B04 kam Diaby auf 69 Scorerpunkte (davon 31 Treffer).
Größte Baustelle: Linker Flügel - Xabi Alonso möchte die Werkself künftig mehr Ballbesitz- und weniger Konter-Fußball spielen lassen. Dementsprechend gut passt es ins Bild, dass der ballsichere Jonas Hofmann den weitaus schnelleren Moussa Diaby ersetzt. Doch für die linke Offensivseite hat Alonso noch keinen entsprechenden Spieler gefunden. Amine Adli ist Tempo pur, aber auch ein ziemlicher Hitzkopf und tendiert zur Eigensinnigkeit. Inwiefern der von Southampton verpflichtete Nathan Tella diese Lücke schließen kann, bleibt abzuwarten. Auch von Callum Hudson-Odoi hat man sich bei B04 einst viel versprochen.
Rating: Leverkusen hat die Hausaufgaben erledigt. Dank der Strahlkraft von Trainer Alonso lotste man Alejandro Grimaldo ablösefrei zur Werkself, der Spanier ist auf der linken Schiene die Idealbesetzung. Auch die Verpflichtungen von Granit Xhaka und Victor Boniface sind außergewöhnlich. Ein paar kleine Fragezeichen gibt es noch, alles in allem scheint man nach Bayern, Dortmund und Leipzig aber auf Platz vier gesetzt zu sein: 9,4.
SC Freiburg
Spannendster Neuzugang: Maximilian Philipp - Freiburger Masterclass. Philipp hat im Laufe seiner Karriere eigentlich nirgends funktioniert, außer in Freiburg. Für eine Mini-Ablöse von ungefähr 1 Million Euro holte man den mittlerweile 29-Jährigen zurück in den Schwarzwald. Bei seinem Debüt gegen Werder Bremen erzielte er mit einem schönen Volley den 1:0-Siegestreffer. Geht das so weiter, können sich Trainer Christian Streich und Sportchef Klemens Hartenbach wieder einmal gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Schmerzlichster Abgang: Mark Flekken - Immerhin kam der Abgang von Mark Flekken nicht überraschend. Freiburgs Sportdirektor Klemens Hartenbach wusste bereits am letzten Spieltag der Vorsaison von den Verhandlungen mit dem FC Brentford Bescheid. Der Niederländer entwickelte sich in den zwei abgelaufenen Jahren zu einem der besten Torhüter Deutschlands. In der Vorsaison stand er in allen 34 Runden auf dem Platz und kassierte dabei nur 44 Gegentreffer. 13-mal hielt er die Weiße Weste - ligaweit befand sich Flekken damit auf Platz eins.
Größte Baustelle: Linke Abwehr - Christian Günter ist der Dauerbrenner in Freiburg, Christian Streich plant fest mit seinem Kapitän. Früh in der Saison zeigte sich, wie planlos Freiburg ist, wenn Günter doch einmal ausfällt. Dann muss Lukas Kübler auf einer ungewohnten Position einspringen. Nicht ideal. Wieso die Transferperiode nicht genutzt wurde, um einen passenden Back-up zu verpflichten, ist uns rätselhaft.
Rating: Der SC Freiburg bleibt sich selbst treu. Nur drei klassische Neuzugänge? Das erinnert an die glorreichen 1990er-Jahre. Für Trainer Christian Streich hat das den Vorteil, keine Neuzugänge mühsam integrieren zu müssen. Allerdings wurde so der Konkurrenzkampf nicht weiter angekurbelt. Es besteht die Gefahr, all zu satt zu werden: 7,4.
Union Berlin
Spannendster Neuzugang: Leonardo Bonucci - Vor einem halben Jahr wäre beinahe der Wechsel von Isco zu Union zustande gekommen. Im letzten Moment platzte der Deal. Bei Leonardo Bonucci hat diesmal alles reibungslos funktioniert. Dass sich der Europameister für Union entschieden hat, sorgt schon jetzt für Champions-League-Flair an der Alten Försterei.
Schmerzlichster Abgang: Morten Thorsby - Morten Thorsby kostete Union noch im Vorjahr 3 Millionen Euro Ablöse. In seinem ersten Jahr in der Bundesliga kam er über die Rolle des Ergänzungsspielers nicht hinaus, also wurde der Norweger für ein Jahr an den FC Genoa verliehen - inklusive Kaufpflicht, wenn der italienische Aufsteiger die Klasse hält. Stand jetzt war Thorsby für Union lediglich ein teures Missverständnis.
Größte Baustelle: Zentrales Mittelfeld - Es ist gar nicht einfach, in diesem Kader noch große Schwachstellen zu erkennen. Langfristig dürfte es am ehesten im zentralen Mittelfeld zu Veränderungen kommen. Spieler wie Alex Kral, Aissa Laidouni oder Janik Haberer sind solide, passen gut ins System von Urs Fischer. Die Frage lautet, ob sie den wachsenden Ansprüchen der Eisernen auch noch im kommenden Jahr genügen.
Rating: Union Berlin sucht auf dem Spielfeld selten die Offensive - umso interessanter, dass man auf dem Transfermarkt voller Tatendrang gesucht hat. Spieler wie Robin Gosens, Leonardo Bonucci und Kevin Volland sind eine enorme Verstärkung. Auch die Leihen von Brenden Aaronson und David Datro Fofana sind extrem interessant: 9,0.
RB Leipzig
Spannendster Neuzugang: Xavi Simons - Xavi Simons hat eine großartige Saison in Eindhoven hinter sich. In seiner niederländischen Heimat blühte er regelrecht auf, erzielte 19 Treffer in 34 Spielen und bereite 9 weitere direkt vor. Sein Ex-Verein Paris SG kaufte ihn kurzerhand zum Freundschaftspreis von 4 Millionen zurück - und verlieh ihn sofort weiter an RB Leipzig. Aus Sicht der Roten Bullen leider ohne Kaufoption. Beim 3:0 im Superpokal gegen den FC Bayern deutete der 20-Jährige sein unfassbares Talent zum ersten Mal an. Die Abgänge von Christopher Nkunku und Dominik Szoboszlai sind fast vergessen.
Schmerzlichster Abgang: Josko Gvardiol - Schnell, robust, starke Spieleröffnung, großgewachsen: Wenn man sich den perfekten Innenverteidiger vorstellt, sieht er wohl ziemlich genau wie Josko Gvardiol aus. Der Kroate kostete Manchester City rund 90 Millionen Euro. Obwohl Gvardiol so zum teuersten Abwehrspieler der Geschichte avancierte, wäre aus RB-Sicht mehr möglich gewesen. Die Leipziger befanden sich durch die strengen Vorgaben des Financial Fair Plays in keiner guten Verhandlungsposition. Gvardiol konnte nicht gleichwertig ersetzt werden, der 21-Jährige wird seine Entwicklung in England fortsetzen.
Größte Baustelle: Abwehrzentrale - Willi Orban ist bereits 30 Jahre alt, die Dienste von Mo Simakan werden bestimmt auch mal auf der rechten Abwehrseite benötigt werden. Der junge El Chadaille Bitshiabu wird den Sachsen noch bis Anfang November fehlen. Im Zweifelsfall lastet der Druck also auf Castello Lukeba. 30 Millionen Euro überwies Leipzig an Olympique Lyon, der 20-Jährige gilt als hochveranlagt. Eine Eingewöhnungsphase wird ihm im Zweifelsfall aber nicht vergönnt sein.
Rating: RB Leipzig verlor im Sommer vier der wertvollsten Spieler - Nkunku, Gvardiol, Laimer und Szoboszlai. Doch Sportchef Max Eberl wusste bereits, wo er passenden Ersatz finden würde. Vielversprechende Neuzugänge wie Nicolas Seiwald, Christoph Baumgartner, Fabio Carvalho, Lois Openda, Benjamin Sesko und die bereits erwähnten Simons und Lukeba machen RB zu einem Geheimfavoriten auf den Titel: 9,4.
Borussia Dortmund
Spannendster Neuzugang: Felix Nmecha - Die vielen Nebengeräusche rund um homophobe Social-Media-Posts verdecken die sportlichen Qualitäten von Felix Nmecha. Dortmund wird dafür kritisiert, 30 Millionen Euro in einen Spieler investiert zu haben, der “nur” eine starke Bundesliga-Saison hinter sich hat. Wer den Markt in England beobachtet hat, weiß, dass sich der BVB gar nicht so sehr über den Tisch hat ziehen lassen, wie man zunächst meinen möchte. Nmecha spielt großartige Pässe und hat im Angriffsdrittel das Gespür für die richtigen Laufwege. Betrachtet man den 22-Jährigen nicht als Bellingham-Ersatz und isoliert von seinen privaten Äußerungen - könnte er Dortmund schon bald große Freude bereiten.
Schmerzlichster Abgang: Jude Bellingham - Jude Bellingham stand gerne im Mittelpunkt und erstickte seine Teamkollegen phasenweise mit genialen Aktionen. Aus sportlicher Sicht tut der Abgang des 20-jährigen Engländers trotz einer Ablösesumme von über 100 Millionen Euro aber extrem weh. Dortmund konnte ihn als Unterschiedsspieler gut vertragen. Die Aufgabe, Meister zu werden, wird ohne Bellingham mit Sicherheit schwieriger als mit Bellingham.
Größte Baustelle: Defensives Mittelfeld - Emre Can wurde im Sommer zum neuen schwarz-gelben Kapitän ernannt. Nach einer starken Saison traue man ihm den Sprung vom ewigen Talent zum neuen Leader zu. Eine voreilige Entscheidung? Can leistete sich in den ersten beiden Saisonspielen manchen taktischen Fehler und wurde dafür bereits von Edin Terzic öffentlich kritisiert. Dem 29-jährigen Nationalspieler hätte etwas Konkurrenzkampf nicht wehgetan.
Rating: Sportdirektor Sebastian Kehl nutzte eine einmalige Chance und sicherte dem BVB die Dienste von Niclas Füllkrug. Ein Transfer-Coup? Jedenfalls ein extrem interessanter Transfer. In der Abwehrzentrale möchte man beim BVB noch nachbessern, im Gespräch ist Armel Bella-Kotchap. Gelingt dessen Verpflichtung, hat Kehl nicht viel falsch gemacht. Die klare Entscheidung pro Emre Can ist aber kritisch zu betrachten: 7,6.
Bayern München
Spannendster Neuzugang: Harry Kane - Selten wurde Uli Hoeneß so gekonnt über den Tisch gezogen wie in den vergangenen Wochen von Tottenham-Boss Daniel Levy. Eine Ablöse jenseits der 100 Millionen Euro, für einen 30-jährigen Stürmer mit einem Jahr Restvertrag - zu viel Geld, das kann nicht schöngeredet werden. Doch beim FC Bayern war man sich sicher: Koa Kane is koa Alternative! Einerseits, weil die Sehnsucht nach einem klassischen Mittelstürmer trotz durchschnittlich 3,0 eigenen Treffern pro Bundesliga-Spiel riesig war. Andererseits, weil die Sehnsucht nach Glamour und internationaler Anerkennung nach einer katastrophalen Saison noch größer war. Harry Kane garantiert Tore, Spektakel und Führungsqualität, das steht fest.
Schmerzlichster Abgang: Lucas Hernandez - Aus Lucas Hernandez schlau zu werden, ist gar nicht so einfach. Der einstige Rekordeinkauf des FC Bayern deutete seine Klasse immer wieder an, wenn er auf dem Platz stand - aber auf eben dem stand er nicht besonders häufig. 74 Einsätze absolvierte er für den FC Bayern - ebenso viele mögliche Einsätze verpasste der Franzose verletzungsbedingt. Nach vier Jahren verabschiedete sich Hernandez Richtung PSG, mit einem satten wirtschaftlichen Minus von 35 Millionen Euro - rein auf die Ablöse bezogen, wohlgemerkt.
Größte Baustelle: Rechte Abwehr - Die Baustelle im defensiven Mittelfeld wurde offenbar zu Ende gebracht. Palhinha steht vor dem Wechsel nach München, Gravenberch zieht es wohl zu Liverpool. Offen ist noch die Frage, wie man den Abgang von Benjamin Pavard kompensieren möchte. Nach dem Abgang von Josip Stanisic ist Noussair Mazraoui auf der rechten Abwehrseite nahezu konkurrenzlos unterwegs. Selten eine gute Sache.
Rating: Spektakel light - so könnte man die Transferperiode des FC Bayern zusammenfassen. Platz für wirklich mutige Entscheidungen gab es kaum, im Wesentlichen setzt man auf denselben Kader wie im verkorksten Vorjahr. Dass man alles Nötige getan hat, um Harry Kane zu verpflichten, wird sich auf keinen Fall rächen. Kane ist auf und neben dem Platz eine Bereicherung für die Münchener. In der Defensive gibt es aber noch einige offene Fragen: 8,2.