Preview: Frankfurt gegen formstarke Bochumer auf Sinnsuche
Die Eintracht wurde zum Opfer ihres eigenen Erfolgs. Das herausragende Jahr 2022 hinterließ in der Bankenstadt einen bleibenden Eindruck.
Sportvorstand Markus Krösche wollte Ende Dezember einen möglichen Leistungseinbruch nach der WM-Pause ausschließen. In einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau rief er zum Ziel aus: "Jetzt sind wir auf Platz vier, und den wollen wir verteidigen. Wir wollen zeigen, dass wir den nächsten Schritt gemacht und aus dem letzten Jahr gelernt haben. Daran werden wir uns messen lassen."
Nicht der passende Kader
Man strebte also nach dem Größtmöglichen. Verstärkungen auf dem Transfermarkt gab es aber kaum. Das Missverständnis Pellegrini wurde beendet, stattdessen wurde Philipp Max aus Eindhoven geholt. An der größten Baustelle, der Innenverteidigung, wurde aber nicht weitergearbeitet.
Laut xG-Statistik ließ man in der laufenden Bundesliga-Saison Chancen für 31,4 Gegentore zu – kassierte aber 36. Ein Hinweis, dass sich individuelle Fehler häufen. Der nur selten geschonte Tuta steckt in einem Formloch. Makoto Hasebe wird um keinen Tag jünger. Evan N’Dicka wird nachgesagt, sich im Kopf schon bei seiner nächsten Karrierestation zu befinden. Kristijan Jakic und Hrvoje Smolcic haben ihre internationale Klasse noch nicht nachhaltig bewiesen.
Kein Wunder, dass es nach der seltsam verspielten Niederlage bei Union Berlin dicke Luft gab. Oliver Glasner sorgte mit einer ungewöhnlich eigenwilligen Pressekonferenz für Aufsehen. Er antworte fast ausschließlich mit Einzeilern. Auf die Länderspielpause angesprochen, sagte er vielsagend: “Es sind nur die offensiven Spieler weg. Alle Defensiven sind hier.” Eine Aussage, die nur unschwer zu dechiffrieren ist.
Seit sieben Pflichtspielen ist die Eintracht sieglos. Man droht, einen europäischen Startplatz zu verspielen. Wolfsburg rückte bis auf zwei Punkte an die sechstplatzierte SGE heran. Der mögliche Abgang von Axel Hellmann zur DFL bestimmt den Grundton in der medialen Bewertung, auch das Verhältnis zwischen Krösche und Glasner soll angespannt sein.
Nüchtern betrachtet sollte klar sein, dass die Eintracht in der Breite nicht über den nötigen Kader verfügt, um in sämtlichen Bewerben vorne mitzuspielen. Weil man im vergangenen Jahr aber fast laufend über-performt hat, sind die Erwartungen im heeischen Umfeld stetig angewachsen. Bei den Fans, den Verantwortlichen, dem medialen Umfeld. Die Qualifikation fürs europäische Geschäft scheint das absolute Minimum darzustellen.
Es ist Zeit, die miese Stimmung zu ignorieren, Scheuklappen anzulegen und sich auf den sportlichen Erfolg zu fokussieren. Wenn am Freitagabend Bochum im Deutsche Bank Park empfangen wird (20:45 Uhr, live auf DAZN und in der Flashscore Audioreportage) sollte die Favoritenrolle eigentlich klar verteilt sein. Hellmann, Krösche, Glasner hin oder her.
Die Länderspielpause habe der Trainer genutzt, um die viel bemängelten defensiven Schwächen aufzuarbeiten: “Ich spreche jeden Tag mit den Spielern. Entschuldigt habe ich mich nicht. Ich habe auch niemanden persönlich angegriffen.”
Letsch hat seine Innenverteidigung gefunden
Vor dem VfL ist man jedenfalls gewarnt. Das Hinspiel im Ruhrstadion gewann der Abstiegskandidat klar mit 3:0. Thomas Letsch stand damals schon an der Seitenlinie. Es war erst sein zweites Spiel als Bochum-Coach. Für den Übungsleiter sollte es der erste von fünf Heimsiegen am Stück sein.
Dank der Tugenden Kampf und Intensität stellte man die Gäste aus Frankfurt vor große Probleme: “Wir waren von der ersten Minute an kompakt und haben viele Zweikämpfe gewonnen”, erklärte Letsch. Damals steckte Bochum trotz 3:0-Erfolg auf dem letzten Tabellenplatz fest.
Von der Krisenzone nachhaltig absetzen konnte man sich noch nicht. Aber man steht auf dem 14. Platz, mit 25 Punkten, konnte zuletzt auswärts Köln und vor eigenem Publikum RB Leipzig besiegen. Auf den Relegationsplatz hat man vorerst vier Punkte Vorsprung.
Thomas Letsch hat gefunden, was Oliver Glasner noch sucht: Eine zuverlässige Innenverteidigung. Es brauchte viele Personalwechsel, bis sich herausstellte, dass kein Duo mehr Stabilität verspricht als jenes, das aus Ivan Ordets und Erhan Masovic besteht. Fünf der bisher acht Saisonsiege fuhr man dem Pärchen Ordets-Masovic in der Startformation ein.
Masovic ist kurioserweise sogar zweitbester Bochumer Torschütze nach Philipp Hofmann. Schon viermal netzte der Serbe in dieser Saison ein, alle Treffer fielen im Jahr 2023. Seine Kopfballstärke könnte auch am Freitag zum Tragen kommen: Denn kein Team in der Liga ist bei Standardsituationen gefährlicher als Bochum. Und keines zeigte sich in den vergangenen Wochen nach ruhenden Bällen fehleranfälliger als Frankfurt.
Zum Match-Center: Frankfurt vs. Bochum
Teamnews: Noch mehr Sorgenfalten für Frankfurt
Schlechte Neuigkeiten: die ohnehin dünn besetzte Abwehrreihe der Eintracht muss nach der Länderspielpause vorläufig mit einem Mann weniger auskommen. Hrvoje Smolcic kehrte von der kroatischen U21-Mannschaft angeschlagen zurück und wird gegen Bochum nicht zur Verfügung stehen. Almamy Toure verletzte sich bei einem Testspiel gegen Greuther Fürth ebenfalls. Tuta fehlt gelb gesperrt.
Wie Oliver Glasner diese Ausfälle kompensieren möchte, steht in den Sternen. Wohl eher nicht mit einer abgeänderten Formation. Bereits im Hinspiel stellte er auf Viererkette um. Daraufhin setzte es eine klare Pleite, für die er die "hundertprozentige Verantwortung" übernahm. "Vieles hat nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Systemumstellung hat nicht funktioniert", stellte ein sichtlich konsternierter Glasner damals fest.
Der unverändert an einer Sprunggelenksverletzung leidende Jesper Lindström steht weiterhin nicht zur Verfügung. Djibril Sow ist fraglich, Christopher Lenz ebenfalls. Der Linksverteidiger wird von allen Beteiligten am leichtesten zu ersetzen sein, nämlich positionsgetreu durch Philipp Max.
Auch der VfL Bochum blieb von Ausfällen nicht komplett verschont. Cristian Gamboa ist weiterhin nicht einsatzbereit, Danilo Soares kassierte gegen Leipzig seine fünfte Gelbe Karte. Simon Zoller allerdings kehrt nach überstandener Oberschenkelverletzung ins Team zurück. Letsch ließ sich bereits etwas in die Karten blicken: Zoller soll gegen Frankfurt eine zentrale Rolle einnehmen.
Im Mittelfeld dürfte Letsch wieder auf Kampfstärke setzen. Der 23-jährige Patrick Osterhage hat sich nachhaltig in die Mannschaft gespielt. Auch an Stafylidis als rechter Abwehrspieler dürfte der Trainer Gefallen gefunden haben. Links in der Viererkette könnte der Comebacker Dominique Heintz zum Einsatz kommen, welcher diese Rolle bei seinen Einwechslungen gegen Köln und Leipzig zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllte.
Frankfurt (3-4-2-1): Trapp – Jakic, Hasebe, N'Dicka – Buta, Rode, Sow, Max – Borré, Götze – Kolo Muani
Bochum (4-3-2-1): Riemann – Stafylidis, Ordets, Masovic, Heintz – Losilla, Osterhage, Stöger – Zoller, Antwi-Adjei – Hofmann
Flashscore-Prognose: Keine enge Kiste
Auch wenn die Ergebnisse zuletzt ebenso pessimistisch stimmen, wie die vielen Hintergrundgeräusche: Die Eintracht verfügt nun mal in allen Mannschaftsteilen über deutlich mehr Qualität als der VfL Bochum. Zwar wird man durch eine schlecht verteidigte Standardsituation mindestens ein Gegentor einfangen, doch Glasner konnte die Länderspielpause erfolgreich nutzen und die gröbsten Abstimmungsprobleme in der Defensive in den Griff bekommen.
Am Ende steht es 2:1 für die SGE. Weil Makoto Hasebe endlich wieder einen Sahnetag erwischt. Weil Kolo Muani der wohl gefährlichste und beste Stürmer dieser Liga ist. Sorry, Bochum.