Ilzer nach Hoffenheim: Glücksgriff für die TSG - Hiobsbotschaft für Sturm
Der SK Sturm ist Christian Ilzer zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet. Als dritter Trainer überhaupt hat er die Steirer zu einem Meistertitel in der österreichischen Bundesliga geführt.
Ilzer hat den SK Sturm modernisiert. Dass er sich nun in der deutschen Bundesliga beweisen darf, ist ihm zu vergönnen. Er hat sich aus den Niederungen des österreichischen Amateur-Fußballs bis in die UEFA Champions League emporgearbeitet.
Dort blieb Sturm bislang ohne Punkte - doch allein die Teilnahme an der Königsklasse ist für den Verein ein Meilenstein, der zuletzt in den frühen 2000ern erreicht wurde. Zuvor hatte Ilzer die Grazer immerhin zu einem Stammgast in der Europa League gemacht.
Trotz enger Verbundenheit zum Verein und zur Steiermark war klar, dass er nicht ewig Sturm-Coach bleiben würde. Immer schon hat sich der 47-Jährige durch einen enormen Ehrgeiz ausgezeichnet. So war die über vierjährige Amtszeit beim SK Sturm sein mit Abstand längstes Engagement als Cheftrainer.
Zur Meldung: Christian Ilzer bei TSG Hoffenheim vorgestellt
Volltreffer für die TSG
Christian Ilzer ist in der athletisch anspruchsvollen deutschen Bundesliga gut aufgehoben. Intensität ist für ihn ein Schlüsselbegriff. Auch seine Spielidee passt gut zur TSG Hoffenheim.
Ständig wird der Weg in die Offensive gesucht, Ilzer setzt mit extremer Konsequenz auf ein direktes, vertikales Passspiel. Ähnlich spielten die Kraichgauer bereits unter Ralf Rangnick (2006 bis 2011) und Julian Nagelsmann (2016 bis 2019).
Allerdings steht Ilzer nicht für blinden Hurra-Fußball. Auch die defensiven Abläufe stimmen. So kassierte Sturm in der Meistersaison 2023/24 nur 23 Gegentore in 32 Ligaspielen.
Unter dem erst jungen Assistenztrainer Dominik Deutschl (28) hat man zudem eine enorme Wucht bei offensiven Standardsituationen entwickelt. Ein Blick nach Freiburg oder Heidenheim beweist, dass das in Deutschland ein echter Gamechanger ist.
Offen bleibt, ob sich Ilzer als Trainerpersönlichkeit ausreichend weiterentwickelt, um Hoffenheim langfristigen sportlichen Erfolg zu garantieren. Mehr taktische Flexibilität und eine präzise Rhetorik im Umgang mit den Medienvertretern sind dafür unumgänglich.
Taktische Veränderungen?
Ilzer hat sich in Österreich als konsequenter Vertreter einer 4-4-2-Raute erwiesen. Es ist anzunehmen, dass er dieses System auch bei der TSG etablieren möchte.
Die Viererkette hatte in Graz einen klaren Abwehrchef - den Schweizer Nationalspieler Gregory Wüthrich. In Sinsheim bietet sich für diese Rolle Ozan Kabak an. Dass der Türke sich erst von seinem Kreuzbandriss erholen muss, könnte Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker dazu bewegen, im Winter eine Verstärkung für die Abwehrzentrale zu suchen.
Die Sechserposition nimmt in den taktischen Überlegungen Ilzers ebenfalls eine zentrale Rolle ein. Der defensive Mittelfeldspieler soll seine Position konsequent halten, um gegnerische Konter frühzeitig zu entschärfen. Am ehesten wäre diese Aufgabe Anton Stach zuzutrauen.
Ebenfalls spannend: Welche Rolle findet Ilzer für Andrej Kramaric? Grundsätzlich ist der kroatische Ausnahmekünstler dafür prädestiniert, in einer 4-4-2-Raute als Spielmacher hinter den Spitzen zu agieren. In den offensiven Halbräumen kann er wahlweise seine Mitspieler bedienen oder selbst den Abschluss suchen.
Im Angriff setzt Ilzer vorzugsweise auf schnelle, trickreiche Spieler. Marius Bülter und Adam Hlozek dürften auf der Doppelneun also weiterhin die Nase vorn haben. Aber auch Mergim Berisha und Haris Tabakovic können sich Hoffnung auf Einsatzzeit machen: Beide Spieler hat der neue TSG-Coach bereits in Österreich kennengelernt.
Match-Center: TSG Hoffenheim vs. RB Leipzig
Hiobsbotschaft für Sturm
Die TSG Hoffenheim scheint mit Christian Ilzer den passenden Cheftrainer gefunden zu haben. Für den SK Sturm ist sein Abgang allerdings kaum zu verkraften.
Ilzer verlässt Sturm zwar als Tabellenführer, aber auch während der laufenden Saison. Die aktuelle Länderspielpause ist bestenfalls aus seiner persönlichen Sicht "ein guter Moment", um den Verein zu verlassen. Denn kurzfristig passenden Ersatz zu finden, ist für den österreichischen Spitzenreiter beinahe unmöglich.
Nachdem bereits Andreas Schicker und Paul Pajduch in Hoffenheim unterschrieben haben, fehlt dem Klub weiterhin eine stabile sportliche Führung. Umso schwieriger gestaltet sich die Suche nach einem Ilzer-Nachfolger.
Als heißester Kandidat gilt Gerald Scheiblehner von BW Linz. Die Verhandlungen muss wohl Vereinspräsident Christian Jauk übernehmen. Ihn erwarten zähe Gespräche. Eine Einigung mit Blau-Weiß ist möglich - aber keinesfalls alternativlos.
Der 47-Jährige ist laut "Sky" auch Wunschkandidat beim Schweizer Traditionsverein Grasshopper Club Zürich. Vorerst jedenfalls agiert der ehemalige Vereinskapitän Jürgen Säumel als Interimstrainer.
Der SK Sturm steht vor einer Entscheidung, die ebenso schwierig wie richtungsweisend ist. Wer auch immer neuer Cheftrainer wird, ihn erwartet an der grünen Mur ein herausforderndes Macht-Vakuum. Die Gefahr, in alte Muster abzurutschen - Stichwort Stallgeruch - ist groß.