Mitglieder fordern Rücktritte: Schalker Klubführung unter Dauerbeschuss
Spürbarer Frust
Nach fast acht Stunden in der Kälte war es endlich geschafft. Doch die heftige Kritik und die Beleidigungen dürften noch lange an der Vereinsführung des tief gestürzten Fußball-Traditionsklubs Schalke 04 zehren. Auf der emotionalen Mitgliederversammlung am Samstag setzte es mehr als nur eine Niederlage.
Vor allem Aufsichtsratschef Axel Hefer und der umstrittene Vorstandschef Matthias Tillmann gerieten ins Visier der 4.735 anwesenden Mitglieder. Hefer wurde von mehreren Fans zum Rücktritt aufgefordert, doch der Aufsichtsratsboss entgegnete selbstkritisch: "Ich kann nicht meinen Hut nehmen und gehen. Wenn man die Karre in den Dreck fährt und zurücktritt, ist das das Schlechteste."
Immer wieder sprachen Redner die "fehlende sportliche Kompetenz" im Vorstand an, einer von ihnen bezeichnete den umstrittenen Vorstandschef Matthias Tillmann als "teuersten Auszubildenden der Bundesrepublik Deutschland". Hefer konnte die Wut verstehen. "In der aktuellen sportlichen Situation ist es völlig klar, dass viel Frust hochkommt", sagte der 47-Jährige im Anschluss: "Und wie es bei Frust ist, der muss auch mal raus."
Zugeständnis: Kaderplanung war "zu mutig"
Tillmann und Hefer, die lange gemeinsam im Vorstand des Hotel-Vergleichsportals Trivago gearbeitet hatten, gaben in ihren Berichten Fehler zu - allen voran im sportlichen Bereich. "Die Kaderplanung war zu mutig. Wir haben zu viel auf Zukunft und Potenzial gesetzt", sagte Tillmann. Grundsätzlich sei der Weg, "auf junge Spieler zu setzen", aber richtig.
Bei unangenehmen acht Grad in der eiskalten Veltins-Arena erhielten die Verantwortlichen die Quittung. Moritz Dörnemann fiel bei der Wiederwahl in den Aufsichtsrat durch, mit ihm fehlt Hefer nun einer der wichtigsten Stellvertreter. Sven Kirstein erhielt dagegen genug Stimmen der Mitglieder, von denen nur etwa 2.000 bis zum Ende der Veranstaltung blieben, für eine weitere Amtszeit.
Dafür zog der ehemalige Spieler Ender Ulupinar, der die Führung zuvor harsch kritisiert hatte ("Ihr predigt Konstanz, zündet die Bude aber selber an, ohne zu wissen, wo der Feuerlöscher ist"), in den Aufsichtsrat des Zweitliga-14. ein.
Finanzielle Lage weiterhin angespannt
Hinzu kommen die enormen finanziellen Probleme mit noch immer 162 Millionen Euro Schulden. Diese will die Klubführung mit einer Fördergenossenschaft lösen, die Tillmann vorstellte: Mitglieder können - wohl ab Januar - Anteile für 250 Euro kaufen, zudem müssen sie für die "Auf Schalke eG - Neunzehnhundertwir" 75 Euro Aufnahmegebühr zahlen. 50 Millionen Euro sollen zusammenkommen und vor allem Verbindlichkeiten ablösen.
Wie prekär die wirtschaftliche Lage genau ist, machte die Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers deutlich. Im vergangenen Jahr habe der Klub allein 16 Millionen Euro für Zins und Tilgung zahlen müssen. Das negative Eigenkapital von mehr als 100 Millionen Euro müsse bis zum Jahresende um rund fünf Millionen verringert werden, damit es keinen Punktabzug gebe. "Wir können nicht All-in gehen", sagte Rühl-Hamers.