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Preview: Spanien und Schweden kämpfen bei Frauen-WM um historische Chance

Micha Pesseg
Spaniens Salma Paralluelo nach ihrem Siegestor im Viertelfinale der Frauen-WM 2023.
Spaniens Salma Paralluelo nach ihrem Siegestor im Viertelfinale der Frauen-WM 2023.AFP
Am Dienstag (10 Uhr MEZ, live in der Flashscore Audioreportage) findet im Eden Park in Auckland das erste Halbfinale der Frauen-WM 2023 statt. Wenn die spielstarken Spanierinnen auf Favoritenschreck Schweden treffen, ist Spannung garantiert. Tiki Taka trifft auf aggressives Pressing. In unserer ausführlichen Vorschau werfen wir einen Blick auf die Partie - Expertentipp inklusive.

Vor Beginn der Frauen-WM 2023 steckte die spanische Nationalmannschaft tief in der Krise. Das Verhältnis zwischen Cheftrainer Jorge Vilda und etlichen Spielerinnen galt als zerrüttet. Die Methoden des 42-Jährigen und sein Umgang mit den Profis standen in der Kritik, zahlreiche Aktive hatten sogar ihren Rücktritt vom Nationalteam angekündigt.

Von diesem Disput ist nach den zahlreichen Erfolgen in Australien und Neuseeland kaum noch etwas zu spüren. “An alles, was in der Vergangenheit passiert ist, will ich mich nicht erinnern”, sagte etwa die 33-jährige Stürmerin Jennifer Hermoso auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Schweden.

Der prägnante, ballbesitzorientierte Spielstil und die hohe individuelle Qualität im Kader drängen Spanien in die Rolle des heimlichen Favoriten -  obwohl man 2023 zum ersten Mal überhaupt in ein WM-Halbfinale einziehen konnte.

Die beeindruckenden Ballbesitz-Statistiken von Spanien.
Die beeindruckenden Ballbesitz-Statistiken von Spanien.Flashscore

Konfliktpotenzial zwischen Putellas und Bonmati 

Was auch ohne die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas gelang, welche nach einer schweren Knieverletzung zumeist nur von der Bank kommt. Wie der Gegner auch heißt, Spanien dominiert Ball und Gegner.

Mittlerweile ist Putellas wieder klar zum Gefecht, wenngleich sie ihr volles Leistungspotenzial bei ihren bisherigen Einsätzen noch nicht ausschöpfen konnte. Auf Jorge Vilda wartet ein echtes Luxusproblem. 

In Putellas’ Abwesenheit übernahm Aitana Bonmati die Führungsrolle im Mittelfeld. Bonmati strahlte Torgefahr aus, setzte ihre Mitspielerinnen in Szene, schuf durch engmaschige Dribblings Räume für ihre Mitspielerinnen - kurzum: mimte den perfekten Putellas-Ersatz. Das Zusammenspiel im spanischen Team funktioniert so nahezu ideal. Jede Umstellung durch Coach Vilda könnte das fragile Gefüge in Gefahr bringen. 

Aitana Bonmati (r.) ist Spaniens Leaderin im Mittelfeld.
Aitana Bonmati (r.) ist Spaniens Leaderin im Mittelfeld.AFP

Am effektivsten ist Bonmati dann, wenn sie nah am gegnerischen Strafraum agiert und selbstständig ihre Position suchen darf. Zu viele Defensivaufgaben limitieren sie hingegen in ihrem Spiel. Kehrt Putellas in die Startelf zurück, hat das aber wohl zur Folge, dass Bonmati zurückstecken muss - und Putellas vermehrt das Rampenlicht überlassen müsste. 

Viel Konfliktpotenzial also. Jorge Vildas menschliche Fähigkeiten sind gefragt - genau jene Fähigkeiten also, die in der Vergangenheit heftig infrage gestellt wurden. Immerhin: Putellas und Bonmati  verstehen sich bestens - und haben beim FC Barcelona bereits bewiesen, ihre Bedürfnisse aneinander anpassen zu können.

Schwedische "Hummeln" könnten auch Spanien gefährlich werden 

Eigentlich sollte man Schweden immer auf dem Zettel haben. Einen großen Titel konnten die Skandinavierinnen zwar noch nicht gewinnen, doch 2003 schaffte man es bis ins Finale - 1991, 2011 und 2019 immerhin bis ins Halbfinale. Zudem warf man im Achtelfinale den Rekordweltmeister aus den Vereinigten Staaten aus dem Turnier, im Viertelfinale die bis dahin fast makellosen und unfassbar spielstarken Japanerinnen.

Trotzdem: Bis zum Spiel gegen Japan wurde Schweden von vielen Experten gnadenlos unterschätzt. Im Viertelfinale ließ man alle Zweifler endgültig verstummen. 

Von der ersten Spielminute an dominierte man Japan und ließ in der ersten Halbzeit keinen einzigen Torschuss für den Gegner zu. Die erfahrene Spielmacherin Kosovare Asllani riss die Spielkontrolle an sich, die schnellen Angreiferinnen Fridolina Rolfö und Stina Blackstenius strahlten durch ihre immense Dynamik in hübscher Regelmäßigkeit große Torgefahr aus.

In der 32. Minute war nach einem Eckball schließlich die torgefährliche Abwehrspielerin Amanda Ilestedt zur Stelle. Die 30-Jährige erzielte ihren vierten Turniertreffer und darf sich sogar berechtige Hoffnungen auf den Gewinn der Torjägerkrone machen. 

Amanda Ilestedt hat eine realistische Chance auf die Torjägerkrone bei der Frauen-WM 2023.
Amanda Ilestedt hat eine realistische Chance auf die Torjägerkrone bei der Frauen-WM 2023.AFP

Ich hätte nicht erwartet, dass wir gegen Japan so oft den Ball haben würden. Aber ich denke, wir sind im Laufe des Turniers kontinuierlich gewachsen”, bilanzierte Rolfö nach dem nie gefährdeten 2:1-Sieg in der Runde der letzten acht.

Weniger überrascht war Schwedens Cheftrainer Peter Gerhardsson. Er hatte sich einen klaren taktischen Plan zurechtgelegt und ahnte bereits, dass der gegen Japan voll aufgehen könnte. “Wie Hummeln” wollte man den Gegner ständig stören, ständig unter Druck setzen. Das Ziel war es, dadurch auf den Flügeln Raum für schnelle Vorstöße zu kreieren. 

Cheftrainer Peter Gerhardsson (r.) hat einen klaren Plan fürs Halbfinale.
Cheftrainer Peter Gerhardsson (r.) hat einen klaren Plan fürs Halbfinale.AFP

Immer und immer wieder landete der Ball bei einer der Schwedinnen, Japan wirkte fahrig und überraschend unkonzentriert. Schweden präsentierte sich bei der Frauen-WM 2023 bislang extrem variabel - gegen Team wie Spanien, welchem von der Pike auf ein bestimmter Spielstil eingeimpft wurde, könnte das zum großen Trumpf werden. 

Auch eine extreme Physis sowie viel Härte in den Zweikämpfen machen Schweden zu einem giftigen Konkurrenten - und das erste Halbfinale bei der Frauen-WM 2023 zu einer sehenswerten, offenen Begegnung.

Zum Match-Center und der Flashscore-Audioreportage: Spanien vs. Schweden

Voraussichtliche Aufstellungen:

Spanien (4-3-3): Coll - Hernandez, Paredes, Panedas, Batlle - Teresa, Bonmati, Putellas - Alba Redondo, Hermoso, Salma 

Schweden (4-2-3-1): Musovic - Björn, Ilestedt, Eriksson, Andersson - Rubensson, Kaneryd - Angeldal, Asllani, Rolfö - Blackstenius

Flashscore-Prognose: Es wird eng

Kein Zweifel: Im ersten Halbfinale der Frauen-WM 2023 erwartet uns ein richtiger Leckerbissen. Der wunderschöne spanische Spielstil trifft auf ein schnörkelloses Schweden, welches sich beim Turnier in Down Under bislang extrem facettenreich präsentiert hat.

Erfahrungsgemäß sind Flexibilität, Physis und Durchhaltevermögen in großen K.o.-Spielen der große Trumpf. Spanien gab im Laufe des Turniers trotz viel Ballbesitz schon ein paar Mal zu erkennen, wie man zu knacken wäre. Ich glaube an eine enge Begegnung, auch eine Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. Und ich glaube daran, dass sich Schweden am Ende knapp durchsetzen wird.

Micha Pesseg.
Micha Pesseg.Flashscore