Das Sandplatz-Power-Ranking: Formcheck vor den Madrid Open
Eingangs muss erwähnt werden, dass mit Rafael Nadal, Novak Djokovic und Jannik Sinner drei Top-Spieler in diesem Power-Ranking bewusst nicht berücksichtigt worden sind.
Da sie das Masters in Madrid abgesagt haben, sind ihre Leistungen in dieser Liste nicht von Relevanz, werden natürlich aber im Vorfeld der French Open in unsere Analysen einbezogen. In der folgenden Liste schauen wir auf jene Spieler, die unserer Meinung nach als die zehn formstärksten Sandplatz-Spieler im Hauptfeld der Madrid Open gelten müssen.
10. Botic Van De Zandschulp
Bei den BMW Open München musste der Niederländer eine der ärgerlichsten Niederlagen seiner Karriere hinnehmen. Gegen Holger Rune hatte er das Match und seinen ersten Tour-Titel eigentlich bereits in der Tasche – beim Stand von 5:2 hatte Van De Zandschulp zwei Matchbälle, doch der Däne wollte einfach nicht zurückstecken, drehte eindrucksvoll auf und siegte am Ende im Tie-Break. Für den 10. Platz in unserem Power-Ranking war das eine "bittere Pille".
Bereits im Vorjahr stand er im Finale von München, außerdem konnte er in Madrid Carreno-Busta schlagen. Bei den French Open wurde er nach Siegen gegen Kotov und Fognini durch Rafael Nadal gestoppt. Der 27-Jährige hat sich über Jahre hinweg auf den 29. Platz in der ATP-Rangliste gespielt und befindet sich aktuell in hervorragender Form. Was durch seine exzellente Leistung in München unterstrichen wird. Schafft er es auch enge Spiele wie das Finale gegen Rune zu gewinnen, ist für ihn in Madrid viel drin. Sein guter Aufschlag und seine exzellente Shot-Selection könnten ihn weit bringen.
9. Frances Tiafoe
"Big Foe" zeigte beim Turnier von Houston, wie belastungsfähig er ist. Der US-Amerikaner musste aufgrund widriger Witterungsbedingungen innerhalb von 30 Stunden alle seine Partien bestreiten. Er absolvierte am 8. April um 18:35 Uhr sein erstes Match gegen Steve Johnson, zwei Stunden nach Ende der Partie ging es gegen Jason Kubler im Viertelfinale weiter. Am Folgetag spielte er dann um 20:10 Uhr das Halbfinale gegen Gijs Brouwer, ehe er wenige Stunden später im Finale Sandplatz-Spezialist Tomas Etcheverry bezwingen konnte.
Eine herausragende Leistung gegen namhafte Gegner, die allein diesen Platz auf der Liste rechtfertigt. Beim Turnier in Barcelona flog Tiafoe zwar bereits in der ersten Runde gegen Ruusuvuori raus, jedoch ist der 25-Jährige ein Kämpfer, den jeder auf dem Schirm haben sollte.
8. Roberto Carballes Baena
Ähnlich wie Frances Tiafoe hat auch Roberto Carballes Baena die magische Formel genutzt: Turnier-Sieg auf Sand und danach ein Erstrunden-Aus in München. Mildernde Umstände: durch das kalte Wetter musste sich der Spanier erst umgewöhnen. Das ATP Turnier in Marrakesch konnnte er zuvor gewinnen. Dort musste er jedes Match über die vollen drei Sätzen gehen (von Kuzmanovs Aufgabe im Achtelfinale abgesehen). In drei von vier Partien gab er den ersten Durchgang an den Gegner ab.
Der 30-Jährige ist seit fünf Jahren Dauergast in den Top 100, kann aber zum Auftakt in die Sandplatz-Saison zeigen, dass er auf seinem Lieblingsbelag in der wohl besten Form seiner Karriere ist. In Madrid muss er in Runde 1 gegen Goffin ran und würde danach mit Zverev und Korda zwei verletzungsgeplagte Gegner in schlechter Verfassung erwischen. Definitiv ein guter Weg im Turnierbaum für den Sandplatzspezialisten.
7. Lorenzo Musetti
Der Sieg gegen Novak Djokovic in Monte Carlo war beeindruckend, vorher zeigte er in den Spielen gegen Kecmanovic und Nardi in vier Sätzen seinen Gegnern dreimal mit 6:0 die Grenzen auf, dann war im Viertelfinale gegen Jannik Sinner aber Schluss. Lorenzo Musetti ist ein sehr verkopfter Spieler, der mit dem richtigen Mindset auf Sand jeden schlagen kann. Das bewies er auch mit seinen starken Vorstellungen in Barcelona, wo er unter anderem Cameron Norrie aus dem Turnier warf und gegen Stefanos Tsitsipas nur knapp den Kürzeren zog.
Der Italiener konnte vergangenes Jahr bereits auf seiner geliebten roten Asche in Hamburg gewinnen und ist dieses Jahr heiß auf noch größere Erfolge. Sowohl in Madrid als auch bei den French Open sollte man definitiv mit dem 21-Jährigen rechnen, welcher auf dem besten Wege ist, seinem Landsmann Matteo Berrettini den Rang als bester Italiener abzulaufen.
6. Casper Ruud
Der Norweger, dessen Stern im vergangenen Jahr so richtig aufging, belegt aktuell den 5. Platz in der Weltrangliste. Zwar konnte er in Estoril bei seinem Sandplatz-Debüt diese Saison direkt überzeugen, jedoch setzte es danach in Monte Carlo und Barcelona in der zweiten Runde Niederlagen gegen Struff und Cerundolo. Ruud wartet nach wie vor noch auf einen richtig großen Titel auf Sand. Er konnte zwar in den vergangenen zwei Jahren sieben Titel auf der roten Asche holen, die großen Erfolge bei den Masters-Turnieren und Grand Slams blieben aber aus.
Durch den Ausfall von Nadal, Djokovic und auch Sinner könnte es jetzt an der Zeit sein, sich aus dem Formtief zu befreien und dabei direkt den ersten richtig dicken Fisch aus dem Wasser zu ziehen. Casper Ruud ist ein kompletter Spieler mit starker Psyche. Er kann Rückschläge einstecken und Partien jederzeit zu seinen Gunsten drehen. In Madrid sollten alle vor ihm gewarnt sein. Erwischt er einen guten Start ins Turnier, kann es bis ins Finale gehen. Jedoch steht da noch ein dicker Konjunktiv im Weg.
5. Dusan Lajovic
Was für ein Run in Banja Luka! Dusan Lajovic befindet sich aktuell in der wahrscheinlich besten Form seiner Karriere. Beim 250er-Turnier in Bosnien konnte der 32-Jährige Novak Djokovic, Andrej Rublev und Miomir Kecmanovic aus dem Turnier schmeißen – dabei konnte er gegen die Nummer 1 der Welt sogar in glatten Sätzen gewinnen.
Nachdem der Serbe in Monte Carlo direkt in der ersten Runde gegen Popyrin gescheitert war, hatte ihn keiner wirklich auf dem Schirm. Und das nutzte er schamlos aus. Dabei hatte er zuvor in diesem Jahr bereits in Cordoba, Buenos Aires, Rio de Janeiro und Santiago auf Sand gespielt und erreichte dabei fast immer mindestens das Viertelfinale. Dort traf er sowohl in Argentinien, als auch in Brasilien auf Carlos Alcaraz. Vielleicht wäre bei mehr Losglück anderes möglich gewesen. In Madrid sollte man definitiv ein Auge auf den Allrounder werfen, dessen Reise über Jason Kubler, Felix Auger-Aliassime und Ben Shelton gehen könnte.
4. Stefanos Tsitsipas
Dem Griechen war es nicht vergönnt, seinen Götter-Status in Monte Carlo auf ein nächstes Level zu heben. In den Vorjahren war es zweimal in Folge Tsitsipas, der am Ende zum König von Monaco gekrönt wurde. In diesem Jahr schied der Grieche aber bereits im Viertelfinale gegen Taylor Fritz aus. Trotzdem bewies er Moral und zeigte in Barcelona direkt, dass er auf Sand einer der Top-Spieler ist.
Nach Siegen gegen Shapovalov, De Minaur und Musetti, konnte ihn erst Alcaraz im Finale stoppen. Auch in Madrid sollte vor Stefanos gewarnt sein, der eine der gefährlichsten Rückhände auf der Tour spielt. Bei den Buchmachern zählt er nach Alcaraz zum höchsten Favoriten auf den Titel. Das ist aber mit Vorsicht zu genießen. Ohnehin wirkt das Favoritenfeld ein bisschen wie "Alcaraz gegen die Welt".
3. Holger Rune
In der laufenden Saison nur ein Spiel auf Sand verloren, im Finale von Monte Carlo gegen Andrey Rublev, in München ein Monster-Comeback hingelegt, um den Titel zu holen – Holger Rune ist in bester Verfassung. Kaum einem Spieler wird so viel in dieser Sandplatz-Saison an Vorschusslorbeeren verabreicht wie dem 19-jährigen Dänen. Nach dem Sieg beim Masters Turnier in Paris ist er wahrscheinlich auch der letzten tennisinteressierten Person ein Begriff geworden. Auf Sand ist Rune aktuell eine Großmacht.
Der Junge aus Gentofte schafft es auf dem langsamsten Belag, trotzdem massive Aufschläge in jeder Situation aus dem Hut (oder in seinem Fall der Cap) zu zaubern. Durch sein variables Spiel – gepaart mit immensem Siegeswillen – ist er eine Gefahr für jeden Gegner auf der Tour.
2. Andrey Rublev
Im Battle der krassesten Mentalitätsmonster der vergangenen Woche liegt Andrey Rublev noch einen kleinen Tick vor seinem Monte Carlo-Finalgegner Holger Rune. Daher steht er in dieser Liste mit einer Nasenspitze Vorsprung auf dem zweiten Platz. Rublev spielte in Monaco ein sagenhaftes Turnier und krönte es, indem er im Finale gegen Rune das Match im entscheidenden 3. Satz von 1:4 und Break-Chance Rune noch zu einem 7:5 Sieg drehte.
Mit seinen Erfolgen in Banja Luka baute er seine Siegesserie auf Sand weiter aus. Der neunte Sieg war ihm jedoch nicht vergönnt, er unterlag Dusan Lajovic im Finale von Bosnien denkbar knapp. Doch auch hier wollte der Russe bis zum Ende nicht den Kopf hängen lassen. Man muss in jeder Sekunde mit dem 25-Jährigen rechnen, welcher in den letzten Jahren auf Sand bereits Belgrad (2022) und Hamburg (2021) gewinnen konnte. Durch das Fehlen von Nadal und Djokovic ist Rublev ein Name, der definitiv am Ende im Finale stehen könnte.
1. Carlos Alcaraz
Auch wenn auf unserer Liste einige Namen stehen, die vielleicht der eine oder andere nicht auf seiner Liste hatte: an ihm führt kein Weg vorbei. Der 19-Jährige ist der große Superstar des Tennis. Er spielte in Barcelona das dritte Mal in diesem Jahr auf Sand und ließ abermals die Muskeln spielen. "Nadals Nachfolger" verlor keinen einzigen Satz auf seinem Weg bis ins Finale, wo er auch gegen Stefanos Tsitsipas eine Machtdemonstration abzog. Vergangenes Jahr konnte er ebenfalls in Barcelona triumphieren und legte daraufhin den Titel in Madrid nach.
Bei den Buchmachern ist er haushoher Favorit, welche ihm in Madrid eine Titelchance von fast 50 % einräumten. Im Gegensatz zum Großteil der Konkurrenz, spielte er bereits im Februar die Turniere in Buenos Aires und Rio de Janeiro auf Sand. Dort besiegte er in Argentinien Cameron Norrie, in Brasilien musste er sich aber dem Briten geschlagen geben. Alcaraz ist also nicht unbesiegbar – jedoch gerade mit seinem aktuellen Lauf und dem heimischen Publikum im Hintergrund der beste Spieler in unserem Sandplatz-Power-Ranking vor den Madrid Open.