Das Rasenplatz-Power-Ranking: Formcheck nach Queens und Halle – Novak Djokovics 24. Titel?
10. Frances Tiafoe
Eine Bilanz von 5:1 auf Rasen inklusive Titel in Stuttgart machen Frances Tiafoe zu einem extrem gefährlichen Spieler auf dem grünen Belag. Der US-Amerikaner befindet sich in diesem Jahr in bester Verfassung, konnte bereits zwei Titel ergattern und steht insgesamt bei einer Bilanz von 20:6 auf schnelleren Plätzen, insgesamt 28:10.
Im vergangenen Jahr erzielte Tiafoe mit seinem Einzug ins Achtelfinale sein bislang bestes Resultat beim Traditions-Turnier im Vereinigten Königreich.
Dieses Jahr wäre es nicht verwunderlich, wenn es für mehr reicht. Denn nicht nur Tiafoes Aufschlag, sondern auch seine Variabilität haben sich extrem verbessert. Dazu kommt seine angeborene Siegermentalität, die auch dem deutschen Top-Spieler Jan-Lennard Struff in Stuttgart den Sieg gekostet hat. Frances gibt niemals auf und ist ein zäher Brocken, der seinen Höhenflug weiter durchziehen und das volle Potenzial, das in ihm schlummert, ausreizen möchte.
9. Nick Kyrgios
Der Problemfall auf zwei Beinen und mit den zwei Gesichtern. Wenn er auf den Tennis-Court kommt, ist absolut, aber auch absolut gar nicht aus diesem Ranking wegzudenken. Sich selbst bezeichnet der Australier mit griechischen Wurzeln als den "besten Spieler auf Rasen."
Das mag an manchen Tagen für den Zuschauer definitiv so aussehen. An anderen Tagen hat Kyrgios jedoch überhaupt keine Lust mehr auf den Sport und lässt sich das auch offenkundig anmerken. Wimbledon könnte aber ein Anreiz sein. Dem Publikumsliebling wird im TV die komplette Welt über die Schulter blicken.
Wenn er sich erst einmal in den Flow spielt, kann er problemlos weit im Turnier kommen und jeden Gegner schlagen. Aber "Schrödingers-Nick" ist eine Kiste, bei der wir im Vorhinein nie sagen können, was in ihr steckt – trotz fehlender Leistungsnachweise in diesem Jahr muss er als Finalist von 2022 aber seinen Platz in der Top-Liste erhalten.
8. Tallon Griekspoor
Im Frühjahr siegte Tallon Griekspoor beim mittlerweile ausrangierten Turnier in Pune, vor zwei Wochen konnte er dann in s'Hertogenbosch vor heimischer Kulisse seinen ersten Titel auf Rasen holen. Der Niederländer besiegte dabei De Minaur, Ruusuvuori und Thompson. Drei absolute Raketen auf dem schnellen Belag.
Er ließ damit in Hinblick auf Wimbledon seine Muskeln spielen. In Halle konnte er dann mit Hubert Hurkacz ebenfalls einen großen Namen aus dem Verkehr ziehen, scheiterte schließlich am späteren Finalisten, Andrey Rublev.
Trotzdem zeigt sich der 26-Jährige in der besten Verfassung seiner Karriere und kann sich problemlos auch mit Spielern auf Top-10 Niveau messen. Bisher konnte er beim Grand Slam in UK nie weiter als in die zweite Runde kommen. Das sollte bei der aktuellen Form jedoch anders aussehen. Griekspoor – traditionell unter dem Radar vieler Zuschauer – könnte noch alle überraschen.
7. Andrey Rublev
Wie auch in unserem Power-Ranking bezüglich des Grand Slams in Paris, ist der sympathische Russe auch in in die Liste reingerutscht. Rublev hat in Halle das erste Mal diese Saison auf Rasen gespielt und direkt das Finale erreicht.
Gegen den überraschend starken Alexander Bublik war dann aber im Finale die Verzweiflung größer als der Drang nach dem Sieg. Über ein spannendes Finale mit drei Sätzen hinweg könnte er sich knapp nicht gegen den Kasachen durchsetzen.
Dies soll aber nicht die Leistung schmälern. Denn mit Griekspoor und Bautista-Agut konnte der 25-Jährige zuvor zwei knifflige Aufgaben lösen, gegen den Niederländer gewann er sogar nach Satzrückstand. Es mag auch ein kleines Kräfteschonen sein, denn vor Wimbledon hat sich der Sieger von Monte-Carlo für kein Turnier gemeldet und wird damit als nächstes direkt auf den heiligen Rasen in London treten.
6. Alex de Minaur
Im Finale von Queens war es De Minaur nicht möglich, sich gegen den "übermächtigen" Carlos Alcaraz durchzusetzen. Der Spanier schien der auf dem Rasen aber nicht so unantastbar, wie auf seinem heißgeliebten Sand.
Das hatte auch damit zu tun, dass Alex de Minaur ein verdammt variables Spiel inklusive Kunst-Schlägen in seinem Repertoire hat. Dadurch ist der Australier nicht nur bei den Fans beliebt, sondern zeigt auch seinen Gegnern immer wieder die Grenzen auf.
Sein Aufschlag gehört zu den Besten auf dem Rasenplatz. Mit den Granaten-Serves hat er in London mit Andy Murray, Holger Rune und Adrien Mannarino auch keine kleinen Fische des Platzes verwiesen – in Wimbledon ist er ein Kandidat fürs Viertelfinale, vielleicht sogar mehr.
5. Alexander Bublik
Was war das nur für ein verrücktes Turnier von Alexander Bublik! Spätestens nach seinem Sieg gegen Zverev war der Kasache für jeden Tennis-Fan plötzlich komplett präsent.
Der Mann pendelt zwischen Genie und Wahnsinn, fiel in der letzten Zeit eher durch Eskapaden als gute Leistungen auf – doch sein eigentliches Potenzial war und ist unbestreitbar. Es scheint sich etwas bei ihm Positives getan zu haben und das hat er auf deutschen Rasen exzellent aufgezeigt - ein ernstzunehmender Gegner, von dem man nie weiß, was er als Nächstes vorhat.
Laut eigener Aussage "hasst" der 26-Jährige das Tennis-Spielen und macht es primär nur, weil es sein Beruf ist. Jedoch könnte es sein, dass er gerade durch den Erfolg in Halle den Spaß am Sport zurückgewonnen hat. Bei Grand Slams und auch in Wimbledon erreichte er noch nie die Runde der letzten 16. Nun wäre es dafür höchste Zeit! Wenn Sascha nicht direkt gegen einen dicken Brocken ran muss, wäre für ihn viel möglich auf englischem Rasen.
4. Jannik Sinner
Die Sorge um die große Hoffnung des italienischen Tennis ist omnipräsent. Der Italiener schafft es einfach nicht, über längere Strecken verletzungsfrei zu bleiben.
In Halle spielte er gegen Gasquet und Sonego teilweise auf Weltklasse-Niveaus, dann kam gegen Bublik der große Schock – eine erneute Verletzung. Ein echtes Problem? Oder nur eine Präventionsmaßnahme? Sinners Fokus liegt klar auf dem Grand Slam. Schafft er es, mit seinem massiven Aufschlag und seinem variablen Offensivspiel sich in einen Rausch zu spielen (und gesund zu bleiben), ist er sogar ein Titelkandidat.
Immer wieder spielt sich der Junge aus Südtirol tief in Brackets der großen Turniere. Für eine Trophäe hat es dieses Jahr aber bislang nur in Montpellier gereicht. Sein Hunger ist noch nicht gestillt und er hat die nötige Klasse, um an guten Tagen jeden Spieler auf der Tour in die Schranken zu weisen.
3. Stefanos Tsitsipas
Die Krux des Stefanos Tsitsipas: Eigentlich ist der Grieche mit seiner eleganten Federer-ähnlichen Spielweise prädestiniert dafür, auf Rasen zu glänzen. Jedoch gelang ihm das bisher noch nie so richtig.
In Wimbledon sprang bisher nicht mehr als ein Achtelfinale heraus, auf Mallorca holte er sich einmal den Titel. Definitiv zu wenig für einen Spieler dieser Güteklasse, welcher in der Theorie auf diesem Belag alles in Grund und Boden spielen sollte.
Die Lebenssituation von "Stef" hat sich mit seiner neuen Beziehung zur WTA-Spielerin Paula Badosa geändert und der Grieche wirkt allgemein etwas ausgeglichener. Das könnte er bisher zwar noch nicht in Ergebnisse ummünzen, aber vielleicht ist gerade das große Turnier in UK die Chance, sein volles Potenzial auf dem Grün zu zeigen. Auch die Buchmacher räumen dem Mann mit der langen Mähne gute Chancen ein.
2. Carlos Alcaraz
"Carlito" hat in Queens auch dem letzten Zweifler bewiesen, dass er unabhängig vom Belag seine Klasse zeigen kann. Im Finale setzte er sich trotz des Schreckensmoments einer anbahnenden Verletzung gegen Alex de Minaur durch.
Dabei offenbarte sich, wie nützlich seine Stopps auf dem schnellen Belag sein können und er streute diese – ähnlich wie Bublik – immer wieder ein. Seine Grundlinienspiel und sein variabler Aufschlag unterstützen das "Komplettpaket-Alcaraz", welches uns in den kommenden Jahren noch sehr viel Freude bereiten wird.
In Wimbledon kann er mit jedem mithalten. Auch Djokovic wird sicherlich etwas Angst haben vor der neuen Nummer 1 der Welt. Zwar hat er beim traditionsreichsten Turnier der Tenniswelt bisher nicht mehr als den Achtelfinaleinzug geschafft, aber das wird dieses Jahr wohl anders aussehen. Und vielleicht kann sich Alcaraz hier seinen zweiten Grand Slam sicher, nachdem es bei den French Open nur für das Halbfinale gereicht hatte.
1. Novak Djokovic
Daran, dass Novak Djokovic erneut der große Hauptfavorit ist, zweifelt nach dem Sieg bei den French Open 2023 niemand. Nachdem er in der Vorbereitung auf Sand nicht den allerbesten Eindruck machte, war "Nole" in Paris wieder genau dann am stärksten, als es am wichtigsten war.
Außer Alcaraz, der aufgrund einer Verletzung ab dem 3. Satz nicht mehr voll mitspielen konnte, war keiner seiner Gegner in Roland Garros auch nur annähernd auf Augenhöhe.
Wir sehen keinen Grund, warum sich das auf dem vielleicht besten Belag des Serben ändern sollte. Die letzten vier Ausgaben des Turniers hat er allesamt gewonnen. Dem Rest des Feldes scheint es aktuell vorwiegend an der nötigen Erfahrung und mentalen Stärke zu fehlen, um Djokovic bei einem Grand Slam in drei Sätzen und mehr wirklich gefährlich zu werden. Alles andere als der 8. Titel in Wimbledon und der 24. Grand-Slam-Triumphs Djokovics wäre eine riesige Überraschung.