NFL: Ist der Titelverteidger mehr als Mahomes? – Preview Kansas City Chiefs
Rückblick
Trotz des Hill-Abgangs flügte Kansas durch die Saison. In der Regular Season gab es 14 Siege und drei Niederlagen, zum siebten Mal in Folge gewann man die AFC West. Die beste Offense der NFL war natürlich auch in den Playoffs das Faustpfand, 28 Punkte erzielte man im Schnitt und das auf dem kompetitivsten Niveau, das es im Football gibt.
Am Ende stand der 38:35-Erfolg über die Eagles und die zweite Championship in den letzten vier Jahren. Das AFC Championship-Game (Halbfinale) erreichte man sogar in den letzten fünf Jahren in Serie. Die Frage, ob Mahomes und die Chiefs eine Dynastie begründen können, stellt sich nicht. Die Dynastie, das Zeitalter von Patrick dem I. hat längst begonnen.
Personal
Mahomes geht in sein sechstes Jahr und auch in dieser Saison wird er natürlich das Spiel von Kansas prägen. Er ist der beste Spieler in der NFL und kann eine Partie alleine entscheiden. Mahomes ist ein Joker, der alle anderen Karten sticht, eine Waffe, die nicht zu verteidgen ist. Abgesehen vom Superstar ist die Mannschaft sehr ausbalanciert und weist wenige wirkliche Schwachpunkte auf. Wenn man ein Haar in der Suppe finden will, befindet es sich vermutlich auf der Wide-Reciever-Position.
Nach dem Hill-Abgang wurde JuJu Smith-Schuster verpflichtet, der das Team aber bereits wieder Richtung New England verlassen hat. Nun ist die Position relativ jung und unerfahren besetzt, 25 Jahre sind die Chiefs Receiver im Schnitt gerade mal alt. Als kurze Einordnung für die weniger NFL-Erfahrenen: Die Spieler kommen erst mit 22/23 Jahren in die NFL, da sie vorher am College spielen. Hier kann kein Vergleich mit 17/18-jährigen Bundesligaspielern gezogen werden.
Mit Kadarius Toney und Marquez Valdes-Scantling gibt es zwar auch zwei Routiniers und auch Play-Off-erfahrene Spieler, alleroberstes NFL-Niveau verkörpern sie aber nicht. Vermutlich wird die Durchschnittlichkeit bei den Receivern aber kein großes Problem darstellen, da die Chiefs sowieso selten mit mehr als zwei Passempfängern dieser Sorte spielen. Bei 40% der Snaps in der vergangenen Saison standen keine drei Receiver auf dem Platz.
Warum? Die Antwort ist 1.96 Meter groß, wiegt 116 Kilo und heißt Travis Kelce. Der 33-Jährige ist der beste Tight End in der Liga und die Hauptanspielstation von Mahomes. 1338 Yards und 12 Touchdowns konnte Kelce im letzten Jahr verbuchen und hatte damit entscheidenen Anteil am Super-Bowl-Triumph. Aber Achtung: Kurz vor Saisonstart hat der Modellathlet sich am Knie verletzt, ein Einsatz im Eröffnungsspiel ist unsicher. Es soll sich aber wohl nur um eine Überdehnung handeln, keine Kreuzbandverletzung. Sollte Kelce länger ausfallen, wäre das ein enormes Problem für die Chiefs.
Die Defensive ist derweil grundsolide und erfüllt alle Erwartungen, eine teilweise vogelwilde Abwehr, die sich nur auf die Offensive verlässt, ist längst Geschichte. Eine ordentliche Secondary wird von guten Linebackern ergänzt und mit Chris Jones hat man vielleicht den besten Defensive Tackle der Liga. Der 148-Kilo-Mann aus Mississippi ist eine Naturgewalt, vor der sich jeder Gegenspieler fürchtet.
Einziges Problem an der Sache: Chris Jones weigert sich aktuell noch zu spielen, zum Auftakt wird er definitiv fehlen. Der 29-Jährige verlangt einen besser dotierten Vertrag und ist in guter alter Fußballer-Manier in den Streik getreten. Auch ein flammender Appell von Kelce "Bitte! Wir brauchen dich dringend", scheint nicht zu helfen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass früher oder später eine Einigung erzielt wird.
Trainer
Hier gilt das gleiche wie beim Quarterback: Die Chiefs haben (vermutlich) den besten Mann ligaweit für diesen Job. Andy Reid ist DAS Mastermind der NFL und kann - genauso wie Mahomes - verlorengeglaubte Spiele noch zu Gunsten von Kansas drehen. Der 65-Jährige hat über Jahre hinweg eine Mannschaft aufgebaut, die auf den Schlüsselpositionen seine Überzeugungen inhaliert hat und Reids Kommandos im Schlaf beherrscht.
Eine solche Symbiose zwischen Trainer und Team findet man selten. Neben Reid, der in seine elfte Saison als Chiefs-Coach geht, ist das Trainerteam in Kansas ebenfalls hochkarätig bestückt. Zwar hat man Offensive-Coordinator Eric Bieniemy an die Washington Commanders verloren, diesen aber mit Matt Nagy ersetzt. Er war zwischen 2013 und 2017 schon in Missouri tätig und wurde dann Headcoach in Chicago, wo er 2020 zum Trainer des Jahres gewählt wurde.
Für die Defensive ist weiterhin Steve Spagnuolo verantwortlich, der in seine fünfte Saison bei den Chiefs geht. Er besitzt drei Super Bowl-Ringe und ist damit der einzige Coordinator in der Geschichte der NFL, der einen Super Bowl mit zwei verschiedenen Franchises (Giants '07, Chiefs '19, '22) gewonnen hat. Was das Coaching angeht, macht den Chiefs also niemand was vor.
Konkurrenz
Wie beschreiben, dominiert Kansas seit Jahren die AFC West. Große Veränderungen sind in dieser Saison auch nicht zu erwarten. Die Las Vegas Raiders wirken aktuell eher wie ein übermotivierter Managerspieler, als wie eine seriös geführte Franchise. Eine klare Struktur ist in "Sin City", wo Jimmy Garoppolo als neuer Quarterback auftritt, aktuell nicht zu erkennen. Die Raiders können den Chiefs auf keinen Fall gefährlich werden.
Vermutlich gilt das auch für die Denver Broncos, die einen großen Umbruch eingeleitet haben. Nachdem in der vergangenen Saison fast alles schief ging, was schief gehen konnte, ist unter dem neuen Trainer Sean Payton deutlich mehr Ruhe zu erwarten. Nichtsdestotrotz kann auch der ehemalige Saints-Coach keine Wunder vollbringen und die Broncos direkt wieder zu alter Stärke führen.
Am meiste Gefahr für die Chiefs geht von den LA Chargers aus. In Kalifornien hat man in den letzten Jahren einen interessanten Kader um Quarterback Justin Herbert zusammengestellt, der sich nur vor wenigen verstecken muss. Lediglich die Kadertiefe bereitet etwas Kopfschmerzen, sollte es auf Schlüsselpositionen zu Engpässen kommen, wird es schnell dünn. Im direkten Duell können die Chargers die Chiefs ärgen, auf die Saison gesehen nicht.
Die AFC West sollte Kansas also auch im achten Jahr in Folge als Nummer eins abschließen. Danach würden in den Playoffs vermutlich die üblichen Gegner aus Buffalo, Cincinnati, Jacksonville und Co. warten. Den Bills und den Bengals wäre im Head to Head ein Sieg unter Umständen zuzutrauen. Die Jaguars haben eine zu schwache Defense, die auch Trevor Lawrence nicht ausgleichen kann.
Fazit
Der Kader der Kansas City Chiefs ist vom Niveau her relativ gleich geblieben, auch die Veränderungen an der Seitlinie haben keinen Qualitätsabfall zur Folge. Das heißt, man hat den besten Quarterback, den besten Tight End, den besten Tackle und den besten Trainer ligaweit in den eigenen Reihen. Das qualifiziert einen automatisch für die Rolle des Topfavoriten.
Allerdings gibt es - wie beschrieben - Probleme mit Jones und die Ungewissheit hinsichtlich des Kelce-Knies. Sollten beide längerfristig ausfallen, würden die Chiefs trotzdem in die Playoffs kommen, dort aber als Außenseiter ins Rennen gehen. Sind alle an Bord, gibt es keinen Grund, warum Mahomes und Co. den Titel nicht verteidgen sollten.